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Als Eröffnungsbild des Films wurde ein nackter Sadhu beim unmotivierten Holzhacken gewählt; der Blick des Zuschauers wird unweigerlich auf Hintern und darunter frei baumelndes Geschlecht gelenkt, der Zoom-Technik sei Dank. Man gratuliert innerlich zu dieser Einstellung und will die DVD wieder aus dem Laufwerk nehmen, da wird der Titel des Films eingeblendet. Gut, bleiben wir dran, es kann nur besser werden. Hatte der Untertitel doch gewarnt:,„Hautnah beim größten Pilgerfest der Welt.“
In der Hauptsache sehen wir in den folgenden 90 Minuten Prozessionen und Festumzüge mit bunt behängten Wagen, auf denen sich ebenso bunt behängte Bärtige in farbenprächtigen Gewändern durch die Straßen der Kleinstadt Haridwar kutschieren lassen. Ferner: Zwei Arten von Gurus: Jene, denen man ihre Falschheit ansieht, und solche, bei denen man nicht genau sagen könnte, ob es sich um „echte“ oder „falsche“ handelt. Die Übergänge zwischen beiden sind ja fließend, und ein jeder behauptet natürlich von sich, ein echter Erleuchteter zu sein. Im Verlauf des Films werden verschiedene Gurus interviewt, die ihre ewig gleich klingenden Wahrheiten in die Kamera sprechen. Das ist nicht Größbauers Manko, sondern liegt vielmehr an der Variationsarmut, die die Erleuchtungsindustrie vorweist: Das Göttliche steckt in uns, wir müssen es nur finden. Jede Schule, jede Sekte, Strömung, Unterteilung, Abspaltung, Verästelung lehrt nun eine andere Möglichkeit, diese Selbsterkenntnis zu gewinnen. Mitten im Interview klingelt dann das ganz weltliche Handy des ansonsten weltabgewandten Obergurus. Ein paar Naga-Babas zeigen ihre Penis-Tricks, legen sich auf Nagelbretter- und Schaukeln. Vorbei ist es allerdings mit der entsagenden Gelassenheit, als ein skeptischer Inder die Gurus als Scharlatane, Betrüger und Sozialschmarotzer tituliert. Da quellen mit erstaunlicher Lebendigkeit Wörter wie madarchot (Mutter-Ficker) und bahinchod (Schwestern-Ficker) über die asketischen Lippen, man gibt sich beleidigt wie jeder beliebige indische Max Mustermann.
Eine durchaus richtige Feststellung bringt Größbauers Film dann doch: Es ist anzunehmen, dass, wer sich selbst sucht, dies im Stillen und für sich allein unternimmt. Die auf der Mela anwesenden, poplären (und oft überaus wohlhabenden) Gurus jedoch stellen sich und ihr Ego zur Schau; sie und ihr Orden wollen die ganze Menschheit verändern, und auch dies nur vordergründig, denn in der Hauptsache geht es um ganz weltliche Werte wie eben Popularität und Auskommen.
„Next Exit Nirvana“ schafft es leider nicht, die Atmosphäre der Kumbh Mela so einzufangen, dass dieser Trubel, den die „Welt auf einem Acker“ verursacht, im Hinterkopf des Zuschauers präsent bliebe. Die gigantischen Ausmaße des Festes werden nicht eingefangen. Anstatt vom großen Gewimmel schrittweise zum Detail zu gelangen, beginnt Größbauer sogleich beim Detail. Sicher, es ist kein Film über die Kumbh Mela an sich, sondern über einige ihrer zahlreichen Gurus, doch wenn man mit dem „größten Pilgerfest der Welt“ wirbt, sollte man es wohl auch zeigen. Ein paar in die Kamera posaunende Brass-Bands sowie Standaufnahmen leerer Zelte, in denen sich keine Pilger mehr befinden, überzeugen nicht wirklich. So wirkt Haridwar, wo 2010 die Kumbh Mela stattfand, kaum überfüllter als zu anderen Jahren beziehungsweise Jahreszeiten. In dieser wichtigen Pilgerstadt herrscht rund ums Jahr reger Betrieb an den Ghats, und so müsste man auch nicht extra zur Kumbh Mela anreisen, um Gurus abzufilmen.
Zwischen den Interviews mit den Babas sehen wir schöne indische Alltagsszenen. Wäschewaschen am Flussufer, das Abschrubben der Elefanten, die Zubereitung von Fladenbroten und dergleichen mehr. Nur: Man muss von keiner Muse geküsst werden, um solche immer und immer wieder gebrachten, bekannten Motive in Indien aufzunehmen.
Nun gut, an der Kumbh Mela sind schon einige gescheitert (z.B. Trojanow und Dorn 2008). Hier allerdings weiß man nicht genau, was der Film eigentlich will, außer einmal mehr die exotisierte "Verrücktheit" Indiens einzufangen. Daran ändern auch die eingestreuten Zitate aus der Bhagavadgita nichts. Die tatsächlich größte Menschenansammlung auf Erden umfassend zu beschreiben, festzuhalten und das Erlebte wiederzugeben, ist durchaus möglich, wie es der indische Regisseur Nadeem Uddin mit seinem preisgekröten Kumbh-Mela-Film oder die Filmemacher Maurizio Benazzo und Nick Day (alle 2004) gezeigt haben. Ansonsten muss man sich mit Ausschnitten, Eingrenzungen und Bruchstücken begnügen. So auch bei Größbauers Film.
DVD: Next Exit Nirvana. Hautnah beim größten Pilgerfest der Welt.
Regie: Walter Größbauer
Dokumentarfilm. Österreich 2010
90 Minuten, Farbe, OmU, PAL, 16:9
Trailer zum Beispiel auf Youtube: http://www.youtube.com/watch?v=n36x3BADq4E&feature=related
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