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18. Mai 2004. Nachrichten: Politik & Recht - Indien Nach Börsensturz hat Gandhi es eilig

In Indien kollabierten die Aktienkurse, weil internationale Investoren Angst vor einer Regierungsbeteiligung der Kommunisten haben. Diese lehnen Privatisierung von Firmen ab. Neue Regierung unter Sonia Gandhi eventuell schon morgen im Amt.

Delhi. Indien hat einen "Bloody Monday" hinter sich. Die Bombay Stock Exchange, die wichtigste Börse des Landes, erlebte gestern den tiefsten Preissturz in ihrer 124-jährigen Geschichte. Bereits kurz nach der Öffnung der Märkte fiel der Kurs des Schlüsselindex Sensex um über zehn Prozent auf knapp über 4.000 Punkte. Dies löste die automatische Blockade des Handels an allen Börsen des Landes aus. Als er nach Mittag wieder aufgenommen wurde, erholten sich die Kurse zunächst als Folge der Intervention staatlicher Finanzinstitutionen, bevor sie erneut zu sinken begannen. Am Schluss des Tags lag der Kurs bei 4.505, 564 Punkte unter dem Stand des Börsenbeginns, der schwerste Sturz seit 1992.

Bereits am Freitag war es zu einem Kurseinbruch gekommen, einerseits als Folge des Rückgangs auf den anderen asiatischen Märkten, vor allem aber aufgrund wachsender Unsicherheit über den wirtschaftspolitischen Kurs der neuen Regierung. Vertreter der kommunistischen Parteien, die ein wichtiger Bündnispartner der siegreichen Kongress-Allianz sein werden, hatten die Politik der Privatisierungen kritisiert und vor allem den Verkauf etwa der Erdölgesellschaften ausgeschlossen. Auch die Kongresspartei hatte erklärt, gewinnbringende Unternehmen nicht an den Markt zu bringen. Dies führte zu Panikverkäufen durch ausländische Investoren, die sich in den vergangenen Monaten stark in solchen Firmen engagiert hatten. Mehrere Energiefirmen haben soeben den ersten Marktauftritt hinter sich, der vor allem von ausländischen Finanzinstitutionen genutzt worden war. Weitere Staatsunternehmen wie die Erdöl-Verteiler BPCL und HPCL stehen kurz vor dem Börsengang.

Der dramatische Kurszerfall am Montag weckte vielerorts den Verdacht, dass sich der politische Gegner wegen der verlorenen Parlamentswahl rächen wollte. Technisch gesehen ist die BJP-Regierung immer noch im Amt, und Vertreter der Linksparteien warfen dem Finanzministerium vor, die staatlichen Finanzinstitutionen nicht zu Marktinterventionen aufgefordert zu haben. Es war dann der ehemalige Finanzminister Manmohan Singh, der diesen Verdacht zerstreute und sein Prestige als Architekt der Wirtschaftsreformen einsetzte, um eine Beruhigung der Atmosphäre zu erreichen. Er versprach, dass die Koalitionsregierung, die in den nächsten Tagen unter Führung der Kongresspartei gebildet werden wird, der Verabschiedung eines gemeinsamen Regierungsprogramms höchste Priorität einräumen wird. Ein solches war früher nicht ins Auge gefasst worden, weil niemand mit einem Sieg der BJP-Gegner gerechnet hatte.

Die "Linksfront", die in der Parlamentswahl mit 64 Mandaten so gut wie noch nie zuvor abgeschnitten hatte, hat die Bemühungen Singhs für eine Stabilisierung der nervösen Börsenmärkte möglicherweise erleichtert. Sie beschloss am Montag, der Koalition unter Führung der Kongresspartei nicht beizutreten, diese aber von außen zu unterstützen. Sonia Gandhi hat nun die schriftliche Zusage von einem Dutzend Parteien mit insgesamt 317 Mandaten (bei einer Parlamentsgröße von 543 Sitzen), so dass ihrer Übernahme des Amts des Premierministers nichts mehr im Weg stehen dürfte. Sie begab sich am Montagabend zum Sitz des Staatspräsidenten, dem die Auftragserteilung zur Regierungsbildung zusteht. Angesichts der großen Unsicherheit auf den Finanzmärkten könnte eine rasche Amtseinführung nun bereits am Mittwoch stattfinden. Die abtretende Regierungspartei BJP hat beschlossen, der Zeremonie fernzubleiben - aus Protest gegen die ausländische Herkunft Sonia Gandhis.

Quelle: Der Beitrag erschien am 18. Mai 2004 in der "Tageszeitung" (taz).

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