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30. Oktober 2002. Nachrichten: Politik & Recht - Südasien Indiens Kriegsbereitschaft steigt trotz Truppenrückzug an Grenze zu Pakistan

Mangelnde Verhandlungsbereitschaft, wachsende Gewalt durch durch die Infiltration bewaffneter Untergrundkämpfer während der Regionalwahlen im indischen Kashmir und Bushs Irak-Doktrin veranlassen Indiens Regierung zum Säbelrasseln gegenüber dem Nachbarland.

Das von der US-Regierung beanspruchte Recht auf einen Präventivschlag, sei nicht das Sonderrecht eines einzelnen Staates erklärte Indiens Finanzminister Jaswant Singh Anfang Oktober in Washington. In Anspielung auf Pakistan meinte er, dass "Präventivaktionen" das Recht jedes Staates seien, um einen Angriff gegen ihre Souveränität zu verhindern.

Zweifellos ist die Erklärung Singhs Ausdruck wachsender Frustration der indischen Führung über die erneute Zunahme des grenzüberschreitenden Terrorismus vom Gebiet des Erzrivalen. Nach verschiedenen Berichten war die Infiltration in den Sommermonaten merklich zurückgegangen. Doch mit dem Näherrücken des Wahltermins im indisch kontrollierten Teil Kashmirs erreichte die Gewalt das vorherige Niveau. Nicht nur die 800 Toten, die im Verlauf der Wahlen zwischen Ende August und Mitte Oktober zu beklagen waren, zeugen von der wachsenden Hilflosigkeit der indischen Sicherheitskräfte. Auch das Attentat auf einen Hindu-Tempel in der Hauptstadt des Unionsstaates Gujarat von Ende September verdeutlichte, dass islamistische Gruppen relativ ungehindert in Indien operieren können.

Die Zunahme der Anschläge sorgt für neuen Druck auf die indische Zentralregierung durch die Falken in den eigenen Reihen und der Opposition. Aber auch in der Bevölkerung wächst die Bereitschaft zu einer militärischen Lösung.

Umsomehr dürfte es überrascht haben, als New Delhi am 17. Oktober 2002 nach den Wahlen in Kashmir ankündigte, einen Großteil seiner auch dort stationierten Truppen abzuziehen. Einen Tag später reagierte die pakistanische Regierung mit einer ähnlichen Ankündigung. Beide Seiten sparten nicht mit Größenangaben über die abzuziehenden Soldaten. Aus Pakistan hieß es, man werde mehrere hunderttausend Soldaten abziehen, um letztendlich die Truppenpräsenz um 90 Prozent zu senken. Indiens Verteidigungsminister George Fernandes sprach von einem Abzug von rund einer halben Million Soldaten. Mitte Dezember soll der Teilabzug der Soldaten aus den Grenzregionen Gujarat, Rajasthan und Punjab abgeschlossen sein. Die Rückzug in die Kasernen von der Line of Control in Kashmir sei erst zum Schluss geplant.

Am 25. Oktober nannte Indiens Premierminister A.B. Vajpayee vor 3.000 Zuschauern in einen Stadium in New Delhi das Nachbarland einen "terroristischen Staat". Der 77-jährige forderte die Zerstörung der "Dämonen des Terrorismus".

Pakistans Präsident General Musharraf warnte Indien vor einem "Abenteuer". Die Präventivschlag-Doktrin gelte für die beiden Nachbarländer nicht.

Der schärfere Ton zwischen den beiden südasiatischen Atommächten veranlasste die USA den bereits zuvor mehrmals in Erscheinung getretenen Richard Haas als Vermittler zu schicken. Am 28. Oktober traf dieser zu Gesprächen mit Indiens Außenminister Yashwant Sinha zusammen. Sinha machte bei dieser Gelegenheit erneut den indischen Standpunkt klar, dass New Delhi erst zu Gesprächen bereit sei, wenn Islamabad der Infiltration einen Riegel vorschiebe. Haas, der zwei Tage später mit Vertretern Pakistans in Islamabad zusammentraf, forderte eine Wiederaufnahme des bilateralen Dialogs.

Indien ist der Auffassung, dass eine Infiltration nicht ohne Billigung der pakistanischen Armee möglich sei. Musharraf vertritt den Standpunkt, dass die indische Armee angesichts ihrer Stärke wesentliche besser in der Lage sei, Grenzverletzungen zu verhindern als seine Truppen. In Indien wächst jedenfalls wieder die Zahl der Befürworter punktueller Angriffe, wie z.B. Kommandoaktionen gegen pakistanische Objekte oder gar terroristische Aktionen. Musharraf hat in der Vergangenheit keine Zweifel aufkommen lassen, dass er derartige Operationen entsprechend beantworten würde.

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