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"Sehr unzufrieden" seien die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) mit der Behandlung einiger "kritischer Themen", heißt es in der Erklärung, die Chefunterhändler Anton Balasingham am 21. April 2003 an Sri Lankas Premier Ranil Wickremasinghe schickte. Angesichts des Mangels an sichtbaren Fortschritten vor Ort sei ihr Vertrauen in den Friedensprozess untergraben. Daher habe die LTTE beschlossen, ihre Teilnahme an den Gesprächen bis auf weiteres zu suspendieren und nicht an der anstehenden Geberkonferenz in Tokio teilzunehmen, heißt es weiter. Man bedauere die "Notwendigkeit dieser schmerzhaften Entscheidung", fühle sich aber weiterhin der "Suche nach einer Lösung der ethnischen Frage auf dem Verhandlungswege" verpflichtet. Nun sei es an der Regierung in Colombo das "Vertrauen in den Friedensprozess" wiederherzustellen, so Balasingham.
Nach den überraschenden Erfolgen, die dem Auftakt der Verhandlungen im vergangenen September gefolgt waren, waren die Gespräche bereits im Januar ins Stocken geraten. Umstritten waren und sind insbesondere Fragen der Truppenentflechtung. Während die LTTE die Räumung der so genannten "Hochsicherheitszonen" in Jaffna und anderen Regionen des Nordostens durch die Armee fordert, macht Colombo den Beginn der Entwaffnung der Rebellen zur Vorbedingung für den militärischen Rückzug. Nach Ansicht der Tamil Tigers ist die Präsenz der etwa 40.000 Armeesoldaten, die häufig in Wohnhäusern, Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden einquartiert sind, zudem ein drängendes humanitäres Problem, da sie die Heimkehr von hunderttausenden tamilischer Binnenflüchtlinge behindere. "Desillusionierung", heißt es in der Erklärung der LTTE, habe sich inzwischen unter der tamilischen Bevölkerung breit gemacht.
In Sorge ist die Organisation auch, dass sie bei der anstehenden Verteilung von Hilfsgeldern ins Hintertreffen geraten könnte. Scharf kritisiert sie in ihrer Erklärung, dass Colombos offizielle Strategie zur Armutsbekämpfung den Nordosten "völlig ignoriere" und sich "ausschließlich auf den Süden Sri Lankas" konzentriere. Das Fass zum Überlaufen gebracht hatte schließlich der Ausschluss der LTTE von einem Vorbereitungstreffen für die Tokioter Geberkonferenz, das am 14. April in Washington stattfand. Was auf dem Spiel steht, wurde deutlich, als der Vertreter Sri Lankas den Delegierten der etwa 30 Staaten und internationalen Organisationen erklärte, dass der Wiederaufbau des zerstörten Landes etwa 1,3 Milliarden US-Dollar kosten würde – davon 500 Millionen US-Dollar dringend. Beobachter gehen sogar davon aus, dass Hilfen in Höhe von mehr als drei Milliarden US-Dollar zugesagt werden könnte. Einem Vertreter der LTTE, die in den USA nach wie vor als terroristische Vereinigung verboten ist, blieb die Anreise verwehrt. Obwohl der gastgebende US-Vizeaußenminister Richard Armitage die "moralische und materielle Unterstützung" als essentiell für Sri Lankas Suche nach Frieden bezeichnete, bekräftigte er noch einmal die Position Washingtons gegenüber den Tamil Tigers: "Die LTTE muss dem Terrorismus in Wort und Tat eindeutig abschwören, bevor wir ihre Streichung von der Liste terroristischer Vereinigungen erwägen." Frustriert erhoben die Tigers schwere Vorwürfe gegen Colombo und die norwegischen Vermittler, die es versäumt hätten, sich um einen anderen Tagungsort zu bemühen. "Trotz unseres guten Willens und unseres Vertrauens hat die Regierung sich entschieden, unsere Organisation bei den Verhandlungen mit der internationalen Gemeinschaft um Wirtschaftshilfe zu marginalisieren", begründet Balasingham in seiner Erklärung die Unterbrechung der Verhandlungen.
Dringend scheint die Führung der LTTE auf vorzeigbare Erfolge angewiesen zu sein, um skeptische Hardliner in ihren eigenen Reihen zu besänftigen. Bei einer Großveranstaltung am Elefantenpass, wo Tausende die verlustreiche Einnahme der strategisch bedeutsamen Landverbindung vor drei Jahren feierten, zeigte sich Hauptredner Soosai, Kommandant der Sea Tigers, Ende April verbittert über den Friedensprozess. Insbesondere die Sea Tigers waren in den letzten Monaten wiederholt in Zwischenfälle auf See verwickelt: Anfang Februar waren drei Sea Tigers ums Leben gekommen, als sie ihr Schiff sprengten, um eine Durchsuchung nach geschmuggelten Waffen durch die norwegischen Waffenstillstandsbeobachter zu verhindern. Elf weitere Kämpfer kamen ums Leben, als die Marine Mitte März ein LTTE-Boot versenkte. Es war die bisher schwerste Verletzung des Waffenstillstandes.
Unter Druck steht aber auch Sri Lankas Premier Wickremasinghe. Nur kurz nach der Aussetzung der Gespräche durch die LTTE versetzte Staatspräsidentin Chandrika Kumaratunga die Armee in höchste Alarmbereitschaft. Trotz ihrer prinzipiellen Unterstützung für den Friedensprozess hatte die Präsidentin den Premier wiederholt für seine angebliche Nachgiebigkeit kritisiert. Im Namen von Kumaratungas People´s Alliance drängte Mahinda Rajapaksa, Führer der parlamentarischen Opposition, auf eine außerordentliche Anhörung des Premiers durch die Volksvertreter. In die Kritik gerieten auch die skandinavischen Waffenstillstandsbeobachter, denen Oppositionsparteien Parteilichkeit zugunsten der LTTE vorwarfen. Lakshman Kadirgamar, ehemaliger Außenminister und enger Vertrauter der Präsidentin, schlug sogar vor, Indien an der Kontrolle des Waffenstillstands zu beteiligen.
Auf dem Spiel steht durch die Blockade der Tamil Tigers der Erfolg der großen Konferenz für Wiederaufbauhilfe, die für Anfang Juni in Tokio geplant ist. Gastgeber Japan ist der größte Geber von Entwicklungshilfe an Sri Lanka. Kaum einer der nach Tokio eingeladenen Staaten und Organisationen dürfte im Fall eines Boykotts des Treffens durch die LTTE bereit sein, Geld in eine unsichere Zukunft zu investieren. Gleichwohl machte die japanische Regierung deutlich, dass eine Verschiebung des Treffens nicht in Frage käme.
Hektisch bemüht waren daher insbesondere der japanische Sondergesandte Yasushi Akashi und norwegische Vermittler, die beiden Konfliktparteien wieder an einen Tisch zu bringen. Anfang Mai trafen Akashi und der norwegische Vize-Außenminister Vidar Helgesen zu Gesprächen mit Regierungsvertretern in Sri Lanka ein. Einige Tage vorher hatte die Regierung zur Entspannung der Situation die Verlegung eines Teils ihrer in Jaffna stationierten Truppen an den Stadtrand angeboten. Der Vorschlag wurde allerdings von der LTTE mit der Begründung abgelehnt, dass das fragile militärische Gleichgewichts störe. Auch ein weiteres Angebot, Truppen in ehemaligen Polizeikasernen unterzubringen, wurde als unzureichend zurückgewiesen, da ihre Nähe zu belebten öffentlichen Plätzen Proteste provozieren könnte.
Am 5. Mai schließlich traf Minister Helgesen mit dem aus London angereisten LTTE-Unterhändler Balasingham auf dem Flughafen von Colombo zusammen, bevor dieser zu Gesprächen mit LTTE-Führer Vellupilai Prabhakaran in den Norden weiterreiste. Dieses Treffen hochrangiger Vertreter wurde zwar als Durchbruch gewertet, substantielle Fortschritte gab es jedoch nicht. Ohne Erfolg blieben auch Treffen von Akashi und Norwegens Außenminister Jan Petersen mit Rebellenführer Prabhakaran in den Tagen darauf. Akashis Versuch, den diplomatischen Druck zu erhöhen, blieb vergeblich: Sein Ultimatum, bis Mitte Mai über die Teilnahme an der Geberkonferenz zu entscheiden, ignorierten die Tigers.
Zwar kündigte Premier Wickremasinghe am 5. Mai vor dem Parlament die Ausarbeitung eines Friedensplans an, der einen Zeitrahmen und Perspektiven zur Lösung der Hauptstreitthemen beinhalten soll, für einen Truppenrückzug aus Jaffna machte er aber die "Normalisierung" der Verhältnisse zur Bedingung. Genau diese ist aber nach Ansicht der LTTE erst möglich, wenn Colombos Soldaten die "Hochsicherheitszonen" verlassen. Ob und wie angesichts des tiefverwurzelten Misstrauens ein Ausweg aus der Krise gefunden werden kann, wird sich erst noch zeigen müssen. Offensichtlich scheinen die Tigers aber bereit, einen hohen Preis für die Stärkung ihrer Verhandlungsposition zu zahlen.
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