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01. Juni 2004. Nachrichten: Politik & Recht - Indien Linke Akzente in Delhi

Neue indische Regierung präsentiert ihr Programm

Die Vereinte Progressive Allianz (VPA) und Indiens Linke haben ihr gemeinsames Minimalprogramm veröffentlicht. Es enthält die Richtlinien für die Regierung Manmohan Singh.

Alle Spekulationen haben ein Ende. Das nun vorliegende Minimalprogramm versucht, die unterschiedlichen Positionen in der 15-Parteien-Koalition und die Meinungen des linken Blocks, der die Regierung von außen unterstützt, auf einen Nenner zu bringen. Zu wichtigen Fragen der Wirtschafts- und Sozial- sowie der Außenpolitik spürt man die linke Handschrift.

Dennoch bleiben Differenzen vor allem zu ökonomischen Fragen, zur Privatisierung, zum staatlichen Verteilungssystem von Lebensmitteln und zur Haushaltspolitik. Darauf verwiesen die vier linken Parteien in einer gesonderten Erklärung, in der sie zugleich weitgehende Zustimmung zu dem Programm bekunden. Sonia Gandhi, die Chefin der Kongresspartei, Fraktionsvorsitzende und gerade gewählte Vorsitzende der VPA, betonte, das Minimalprogramm reflektiere das Mandat der Bevölkerung und diene allen Gesellschaftsschichten, besonders den Armen.

Das 24-Seiten-Dokument nennt sechs Grundprinzipien: soziale Harmonie zu bewahren, zu schützen und zu fördern; ein Wirtschaftswachstum von sieben bis acht Prozent in nachhaltiger Weise zu sichern; die Wohlfahrt von Bauern, Landarbeitern und Arbeitern zu erhöhen; Frauen politisch, wirtschaftlich, gesetzlich und in der Bildung zu fördern; den registrierten Kasten und Stämmen, anderen rückständigen Schichten und religiösen Minderheiten völlig gleiche Möglichkeiten zu schaffen, besonders bei Bildung und Beschäftigung; die kreativen Energien von Unternehmern, Geschäftsleuten, Wissenschaftlern, Ingenieuren sowie anderen professionellen und produktiven Kräften der Gesellschaft zu entfesseln.

Unverkennbar ist das Bemühen, den Bedürftigsten das Leben zu erleichtern. So sieht ein nationales Beschäftigungsprogramm vor, mindestens einem Familienmitglied in jedem ländlichen und urbanen Haushalt armer Leute 100 Tage Arbeit in einem staatlichen Projekt zu garantierten Minimallöhnen zu verschaffen. Zugleich soll das System zur Nahrungsmittelverteilung mit seinen staatlich subventionierten Preisen wiederbelebt und reorganisiert werden.

Höchste Priorität räumt die Regierung dem ländlichen Sektor ein – inklusive Bewässerung, Wassermanagement, Ödlandentwicklung –, der mit Krediten, Investitionen und moderner Technologie gefördert werden soll. Für das Bildungssystem sollen sechs Prozent und für das Gesundheitswesen etwa drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zur Verfügung gestellt werden. Die Bildung wird umgehend von in den vergangenen fünf Jahren durchgesetzten hindunationalistischen Inhalten befreit.

Die VPA-Regierung verpflichtet sich, die Wohlfahrt der Arbeiter, vor allem im unorganisierten Sektor, in dem 93 Prozent der indischen Arbeitskräfte tätig sind, zu verbessern. Wirtschaftsreformen werden mit Betonung des humanitären Aspekts fortgesetzt. Sie sollen Wachstum, Investitionen und Beschäftigung beflügeln. Die Privatisierung staatlicher Unternehmen müsse die Konkurrenzfähigkeit fördern und sozialen Bedürfnissen entsprechen.

Das Minimalprogramm orientiert auf eine unabhängige Außenpolitik und befürwortet die Multipolarität in den internationalen Beziehungen. Der Dialog mit Pakistan soll systematisch und nachhaltig fortgeführt, das Verhältnis zur VR China kontinuierlich verbessert werden. Die traditionellen Beziehungen zu Nahost erhalten einen frischen Impuls, wobei Indiens Jahrzehnte alte Unterstützung des Rechts der Palästinenser auf ein eigenes Heimatland bekräftigt wird. Weiter heißt es: "Es werden Schritte unternommen, indische Söldner aus Irak abzuziehen, deren weitere Rekrutierung wird verboten." Angestrebt werden engere Beziehungen zu den USA, und auch die zu Russland und Europa sollen vertieft werden.

Quelle: Der Beitrag erschien am 1. Juni 2004 in der Tageszeitung "Neues Deutschland".

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