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Delhi. Wer in Indien noch Banknoten aus dem Jahre 1982 besitzt, verfügt über eine Rarität: Sie tragen den Schriftzug des damaligen Gouverneurs der Reserve Bank of India, Manmohan Singh. Neun Jahre später übernahm Singh im Kabinett von Narasimha Rao das Finanzressort. Seit Anfang dieser Woche ist er wieder in aller Munde. Am Mittwoch erschien er gemeinsam mit Sonia Gandhi bei Staatspräsident Abdul Kalam und erhielt den Auftrag, Indiens neue Regierung zu bilden.
Dass die Wahl auf den 71-Jährigen fiel, verdankt er allein der Präsidentin der Kongresspartei. Seine Kollegen sahen keine Alternative zu Frau Gandhi und lehnten seine Nominierung zunächst ab. Doch Sonia Gandhi bestand auf ihrem Vorschlag, den Wirtschaftsfachmann, der schon verschiedenen indischen Regierungen als Chefberater gedient hat, sich auch in den internationalen Beziehungen auskennt und vor allem ein treuer Freund der Gandhi-Familie ist, zum Ministerpräsidenten zu machen. An Dr. Singh schätzt sie nicht zuletzt Ehrlichkeit, Bescheidenheit und Unbestechlichkeit – Tugenden nicht gerade vieler indischer Politiker.
Der im heutigen pakistanischen Westpunjab geborene Manmohan Singh erhielt seine Ausbildung an der Panjab University sowie in Cambridge und Oxford. Im kanadischen Alberta machte er seinen Doktor der Jurisprudenz. Obwohl er viele Jahre lang Politikern diente, kam er selbst erst spät in die Politik: 1991, als ihn der damalige Premier Rao unbedingt als Finanzminister für das wirtschaftliche Reformprogramm haben wollte. Singh, der unter Nehrus Planwirtschaft groß geworden war, nahm den Auftrag an und begann mit Liberalisierung, vorsichtiger Privatisierung, Öffnung des indischen Marktes und Offerten ans Auslandskapital. Auf eigenen Wunsch bezog er während seiner Amtszeit nur ein symbolisches Gehalt von einer Rupie im Monat. Und als er sein Amt 1996 niederlegte, fuhr er im "Maruti 800", dem indischen Trabant, vor.
In seiner ersten Erklärung am Mittwoch deutete Singh bereits den ihm bevorstehenden Balanceakt zwischen Kapital und starker indischer Linker an: "Unsere Regierung anerkennt die Bedeutung eines gesunden Kapitalmarktes. Es gibt für niemanden einen Grund zur Panik. Wirtschaftsreformen mit Betonung des menschlichen Elements werden fortgesetzt…" Man werde die Landwirtschaft, ein "lebensfähiges soziales Sicherheitsnetz" und die Schaffung neuer Arbeitsplätze fördern.
Quelle: Der Beitrag erschien am 22./23. Mai 2004 in der Tageszeitung "Neues Deutschland".
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