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Delhi. Jetzt tritt sie das Erbe ihrer ermordeten Schwiegermutter an Eine Italienerin als Premierministerin Indiens? Noch am Tag vor der Stimmenauszählung gaben die zahlreichen - illegalen - Wettbüros einer Ministerpräsidentin Sonia Gandhi Gewinnchancen von eins zu fünfzig. Als sich im Lauf des Morgens ein Sieg der Kongresspartei und ihrer Bündnispartner abzeichnete, hatten die Fernsehkommentatoren sichtlich Mühe, mit der Möglichkeit fertig zu werden, dass die erste Bürgerin Indiens nicht im Land geboren wurde. Der BJP-Politiker Pramod Mahajan gab seiner Pein am deutlichsten Ausdruck: "Wir sind eine Demokratie, und wenn das indische Volk eine Ausländerin als Premierministerin akzeptiert, dann respektiere ich dies. Aber persönlich werde ich mich nie damit abfinden".
Die Kongresspartei hatte dieses Dilemma nie. Für sie ist Frau Gandhi eine Bürgerin des Landes und hat daher das verfassungsmäßige Recht für jedes politische Amt. Die 58-jährige Sonia Maino aus der Fiat-Arbeiterstadt Obassano bei Turin hat zwar erst 1981, dreizehn Jahre nach ihrer Heirat mit Rajiv Gandhi, das indische Bürgerrecht beantragt. Sie hatte ihren Mann 1965 bei einem Sprachkurs in Cambridge kennengelernt und drei Jahre später - gegen den Willen ihrer Eltern und anfänglich auch von Indira Gandhi - geheiratet. Danach war sie aber eine beispielhafte indische Schwiegertochter, die für ihre Schwiegermutter am Morgen den Sari bereit legte und am Abend für sie Spaghettigerichte zubereitete, während die andere Schwiegertochter aus dem Punjab - sie ist heute BJP-Abgeordnete - im Streit aus dem gemeinsamen Haus zog.
Sonia Gandhi war nicht nur eine perfekte Schwiegertochter, sie war auch die Ehefrau eines Premierministers, der für seine politische Überzeugung ermordet wurde, als die Bombe einer srilankischen LTTE-Attentäterin ihn im Wahlkampf von 1991 in Stücke riss. Und sie ist die Mutter der vierten Generation einer politischen Dynastie, welche die Geschicke des Landes seit beinahe hundert Jahren mitbestimmt hat.
Dass die Familie von Staatsgründer Jawaharlal Nehru Ernst macht mit einem bleibenden Führungsanspruchs, zeigte sie in diesem Wahlkampf. Sonia Gandhis 32-jähriger Sohn Rahul kehrte aus England zurück und kandidierte erfolgreich für das neue Parlament. Seine jüngere Schwester Priyanka betreute den Wahlbezirk Sonia Gandhis, während ihre Mutter überall im Land Wahlreden hielt, in einem Hindi mit starkem italienischem Akzent. Das Wahlresultat vom Donnerstag zeigt, dass es nicht der Akzent ist, der Sonia Gandhis Zukunft bestimmen wird. Es wird vielmehr ihre Fähigkeit sein, ein Land von der sozialen und politischen Komplexität Indiens zu führen.
Die Meinungen darüber gehen weit auseinander. Ihre Introvertiertheit widerspricht dem landläufigen Image des indischen Politikers. Ihre Gegner behaupten, dass diese Kontaktscheu sie den Intrigen von Höflingen ausliefert. Diese hätten verhindert, dass sich die Kongresspartei in den acht Jahren von Frau Gandhis Präsidentschaft demokratisiert hat.
Quelle: Der Beitrag erschien am 14. Mai 2004 in der "Tageszeitung" (taz).
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