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Ihr fundamentalistischer Anhang, angeführt vom Vishwa Hindu Parishad (VHP, Weltrat der Hindus), versuchte, die religiöse Trumpfkarte mit dem für Mitte März einseitig erklärten Baubeginn eines Tempels zu Ehren des Hindu-Gottes Ram in Ayodhya zu spielen.
Die eindeutige Abwahl der regierenden BJP im Megastaat Uttar Pradesh und im kleinen Himalaya-Staat Uttaranchal sowie der Regierungsverlust als Juniorpartner der Sikh-Bauernpartei Akali Dal in Indiens Kornkammer Punjab sind nicht nur das Ergebnis lokaler Misswirtschaft. Sie signalisieren auch ein Nachlassen der Anziehungskraft der "Partei mit einem Unterschied" und des Charismas des "liberalen" Premierministers Atal Behari Vajpayee im machiavellistischen Alltag der indischen Innenpolitik, zumal die Wirtschaft lahmt.
Es ist sicherlich noch zu verfrüht, vom beginnenden Niedergang des Hindu-Nationalismus zu sprechen, der seinen phänomenalen Aufstieg aus der gesellschaftspolitischen Isolation 1989 begann. Die Wahlergebnisse könnten jedoch eine erneute Wende in der indischen Innenpolitik einleiten. Der von vielen fälschlicherweise voreilig abgeschriebene Congress (I), der nun in 14 Staaten der Indischen Union die Regierung stellt, unterstrich – trotz seiner Niederlage in Uttar Pradesh – seinen Anspruch, mittel- bis langfristig im Bündnis mit anderen politischen Kräften eine Alternative zur BJP-geführten National Democratic Alliance (NDA) zu bilden. Der Anspruch scheint nicht unrealistisch, wenn die BJP versucht sein sollte, den "säkularen" Charakter der indischen Republik durch ein Nachgeben gegenüber den Forderungen ihres extrem nationalistischen und fundamentalistischen Anhangs zu gefährden. Maßgebliche BJP-Bündnispartner inner- und außerhalb der NDA, so der Königsmacher Telugu Desam Party (TDP) aus dem Südstaat Andhra Pradesh, machten die Grenzen des für sie Zumutbaren in der hoch aktuellen Tempel-Frage öffentlich deutlich.
Sowohl die Samajwadi Party (SP) als auch die Bahujan Samaj Party (BSP) sind die großen Gewinner im fast 170 Millionen Einwohner zählenden Megastaat Uttar Pradesh. Eindeutiger Wahlverlierer ist die BJP, die mit 88 Mandaten im 403 Mitglieder zählenden Parlament nur noch die drittstärkste Fraktion stellt. Die vom zweimaligen Ministerpräsidenten und ehemaligen Verteidigungsminister Mulayam Singh Yadav geführte Samajwadi Party verbesserte sich von 110 auf 143 Sitze, während die von der zweimaligen Ministerpräsidentin Mayawati dominierte Bahujan Samaj Party ihren Sitzanteil von 67 auf 97 erhöhte. Der Congress (I) sank in seiner früheren Hochburg von 33 auf 26 Mandate. Die Fragmentierung der Parteienlandschaft entlang der sozialen Zugehörigkeit nach Kasten setzte sich fort.
Im Vergleich zur Landtagswahl 1996 verringerte sich jedoch der Stimmenanteil der SP um 3 % auf 26 %, die BJP verlor 5 % und erreichte nur noch 27 %, während die BSP, die, aufbauend auf ihrer soliden Dalit-Basis, zahlreiche Ober-, Mittelkasten- und Moslem-Kandidaten aufstellte, ihren Anteil um 3 % auf insgesamt 23 % erhöhen konnte.
Mulayam Singh Yadav meldete gegenüber dem Gouverneur seinen Anspruch an, den Regierungsauftrag zu erhalten. Aber selbst mit Unterstützung des Congress (I), die noch aussteht, reicht es bislang nicht zur absoluten Mehrheit. Dem erfahrenen Machtpolitiker und seiner keineswegs an Ressourcen armen Partei ist es jedoch zuzutrauen, andere Parteien durch den regelrechten Kauf von Abgeordneten zu spalten. Der Ausgangspreis für einen übertrittswilligen Abgeordneten soll, mit Unterstützung großer Industriehäuser, mittlerweile bei ca. 250.000 Euro liegen. Ein Viertel der Abgeordneten ist vorbestraft oder wird schwerer Verbrechen, so u.a. Mord und Vergewaltigung, beschuldigt. Rechtlosigkeit, Chaos und Korruption in weiten Teilen von Uttar Pradesh erfordern eine entschiedene Korrektur.
Der Congress (I) gewann im Punjab mit 63 von insgesamt 116 Sitzen eine knappe absolute Mehrheit. 8 % Stimmengewinn und ein Anteil von insgesamt 38 % ermöglichten es, die Sikh-Bauernpartei Akali Dal mit 41 Sitzen und die BJP mit 3 Sitzen – sie büßte 15 Mandate ein – in der dank eines exzessiven Populismus hoch verschuldeten Kornkammer Indiens in die Opposition zu zwingen. Amarinder Singh aus dem ehemaligen Herrscherhaus Patiala ist der neue Ministerpräsident.
Im Himalaya-Bergstaat Uttaranchal legte der Congress (I) 14 % zu und verfügt über 36 der 70 Sitze. Die dort bislang regierende BJP verlor 14 % und kam auf 19 Mandate. Der 77-jährige N. D. Tiwari, ein Urgestein der indischen Politik, der früher höchste Ämter bekleidete, wurde wegen innerparteilicher Fraktionskämpfe überraschend Ministerpräsident.
Im krisengeschüttelten Nordoststaat Manipur wird der Congress (I) eine Koalitionsregierung anführen.
Welche Konsequenzen haben diese Wahlen für den Zusammenhalt der von Premierminister Atal Behari Vajpayee geführten NDA? Werden die zentrifugalen Kräfte in diesem Zweckbündnis u.a. dadurch gestärkt, dass die BJP nur noch in drei Staaten der Indischen Union regiert? Droht Vajpayee das Schicksal des letzten Moghul-Kaisers – Dichterkollege und Herrscher ohne Land – dessen Einfluss nicht mehr über Delhi hinaus reichte? Die Regierung ist zu Beginn der Haushaltssitzungsperiode des Parlaments mit zwei wichtigen Kraftproben konfrontiert:
Gegenwärtig gibt es keine Anzeichen, dass die Regierung in der laufenden Legislaturperiode stürzen könnte. Der Premierminister muss jedoch erheblich mehr Führungskraft und Durchsetzungsvermögen angesichts der aktuellen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen aufbringen, um nicht als "Premierminister im halben Ruhestand" (Tavleen Singh: Age-Old Story, in: India Today, 11.3.2002, S.21) in Erinnerung zu bleiben. Oppositionsführerin Sonia Gandhi sprach bereits zuversichtlich davon, dass ihre Partei die BJP bei der nächsten Unterhauswahl 2004 ablösen könne.
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