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14. Januar 2002. Nachrichten: Politik & Recht - Südasien Neue Qualität der US-Präsenz in Südasien?

Spätestens mit dem Besuch von Präsident Bill Clinton veränderte sich die indische Perzeption der Rolle der USA in der Weltpolitik und insbesondere auch in Südasien beträchtlich.

Die USA, der Verbündete Pakistans seit den fünfziger Jahren bis zum Rückzug der Sowjets aus Afghanistan, ging nun sichtlich auf Distanz zum Militärregime in Islamabad und entdeckte die positiven Seiten der Demokratie, Wirtschaft und wachsenden internationalen Bedeutung Indiens (s. auch: Neue US-Regierung plant Überprüfung ihrer Südasienpolitik). Doch das militärstrategisch erforderliche Zugehen Washingtons auf Islamabad nach den Ereignissen vom 11. September 2001 schien die gewachsene Bedeutung Indiens für die USA erneut zu korrigieren und, mindestens vorübergehend, zu neutralisieren.

Jayram Ramesh, in der Parteihierarchie des oppositionellen Congress (I) als Parteisekretär rechte Hand von Dr. Manmohan Singh, des Initiators der indischen Wirtschaftsliberalisierung, brachte im Rahmen seines Vortrags "US Role in South Asia: Al-Qaeda and Beyond" am 7. Januar 2002 im India International Centre in New Delhi einige innovative Überlegungen in die indische Debatte zu einer Zeit, da Innenminister L. K. Advani und Verteidigungsminister George Fernandes, beide begleitet von hochrangigen, operativ auf wechselseitige Zusammenarbeit angelegten Delegationen, zu ausführlichen Konsultationen, u. a. wegen der fortdauernden Krisensituation zwischen Indien und Pakistan, in die USA reisten.

Jayram Ramesh, Absolvent des Massachusetts Institute of Technology, Kolumnist in der führenden Wochenzeitschrift India Today und Verfasser einer Streitschrift "Yankee go home, but take me with You" am Vorabend des Clinton-Besuchs, sieht eine langfristige Rolle der USA in Süd- und Zentralasien voraus:

  • Das bisher von Krisen getriebene, zyklische amerikanische Interesse an der Region werde sich in eine langfristige militärische Präsenz verwandeln, zumal nach dem militärischen Abkommen mit Usbekistan entsprechende Übereinkommen mit anderen Staaten in der Region angestrebt würden.
  • Das ökonomische Interesse an fossilen Energieträgern außerhalb der OPEC-Ressourcen erfordere mit den sich im größeren Maßstab erst in sieben bis zehn Jahren erschließenden Vorkommen in Kasachstan und Turkmenistan eine längere Präsenz.
  • Der China-Faktor mit seinem immanenten Spannungsbogen "containment versus engagement" und einer moderaten Form amerikanischer Umzingelung der chinesische Landmasse spreche ebenfalls für ein längeres Verbleiben der USA in der Region.

Das langfristige Engagement beim Wiederaufbau Afghanistans mit einem dem Marshall-Plan ähnlichen Ansatz und die Annahme, dass die amerikanische Präsenz in diesem Teil der Welt nach den Ereignissen des 11. September 2001 nicht innenpolitischen Faktoren zum Opfer fallen werde, zwinge Indien sich mit dieser neuen Realität auseinander zusetzen. Eine minimale US-Rolle in der Region diene Indiens Interessen besser. Die indische Politik, die noch zu sehr in eingefahrenen Stereotypen sowohl im Lager der Regierung als auch der Opposition befangen sei, müsse eine Tagesordnung für die Rolle der USA entwerfen, die am Besten den indischen Interessen dienen würde:

  1. Die US-Präsenz sollte dazu benutzt werden, eine Atmosphäre zu schaffen, die das nukleare Risiko verringern könnte. An das Bemühen des historischen indo-pakistanischen Gipfels von Lahore 1999 solle u.a. mit Hilfe amerikanischen Einflusses auf Pakistan mit dem Ziel eines Vertrages zur nuklearen Vertrauensbildung angeknüpft werden.
  2. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Indien und Pakistan müsse unbedingt ausgebaut werden. Pipelines für Öl und Gas aus dem Iran und Turkmenistan nach Indien seien nicht ohne internationale Beteiligung möglich. Das Anwachsen des bilateralen Handels zwischen Indien und "Greater China" auf insgesamt ca. 9 Milliarden US-Dollar, d. h. ca. 10% von Indiens Welthandel, habe auch den Dialog zwischen diesen beiden sich bislang antagonistisch gegenüberstehenden Staaten erleichtert.
  3. In der Kashmir-Frage müsse der Fokus auf Prozesse unter Betonung von Wahlen und dem Prinzip des Säkularismus und weniger auf Ergebnisse gerichtet sein. Die Kashmir-Thematik sei bislang allzu sehr eine Gefangene vorweggenommener Ergebnisse gewesen. Kashmir sei in den Augen der Welt ein "umstrittenes Territorium" und Musharraf international akzeptiert. Ohne den indischen Nuklear-Status stünde Kashmir nicht auf der internationalen Tagesordnung.

Ramesh, der zur jüngeren Garde aufstrebender Congress (I)-Politiker gehört, verwies ausdrücklich darauf, dass seine Überlegungen nicht die Meinungen seiner Partei widerspiegelten und dies seine privaten Gedanken seien. Der an ihn gerichteten Kritik, er trete für eine vermittelnde Rolle der USA zwischen Indien und Pakistan ein, begegnete er mit dem Argument, dass Indien und Pakistan sich zu einem bilateralen Konfliktaustrag als unfähig erwiesen hätten. Außerdem sei ein subtiler Wandel in den Beziehungen zwischen China und Pakistan zu beobachten und es sei unwahrscheinlich, dass die USA Beziehungen zwischen Pakistan und China auf dem bisherigen Niveau zulassen würden. Allerdings bestehe kein indisches Interesse daran, sich als Bollwerk vor den Karren einer Eindämmung Chinas durch die USA spannen zu lassen: "China has finished India in economic terms." Falls Indien gegen diese asiatische Supermacht wettrüsten wolle, dann drohe dem Land das Schicksal der ehemaligen Sowjetunion, so Ramesh.

Indien müsse die Geister der Vergangenheit vertreiben und genau prüfen, ob die USA bereit seien, sich in der Region nachhaltig zu engagieren. Gemeinsam mit den USA, habe auch Indien ein genuines Interesse an der Energieversorgung aus Zentralasien, an der Kontrolle des Terrorismus und sei außerdem ein verlässlicher Verbündeter im Kampf gegen den Fundamentalismus. Es gelte zunächst, die für den Oktober 2002 geplanten Wahlen in Jammu & Kashmir absolut fairen und freien Wahlen zu organisieren. Ramesh sprach sich entschieden für eine internationale Wahlbeobachtung in diesem Dauerunruheherd der Indischen Union aus, allerdings werde es für diesen Vorschlag unter den etablierten Parteien keine Zustimmung geben.

Das indische Parlament müsse jedoch unbedingt seine Resolution aus dem Jahre 1994 zurücknehmen, wonach das ganze Kashmir, also einschließlich des pakistanisch besetzten Kashmir, Teil der Indischen Union sei. Eine neue Geisteshaltung in der Kashmir-Frage setze ein Anerkennen der internationalen Grenze bzw. der Line of Control zwischen den beiden Teilen voraus.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit diese Überlegungen von Jayram Ramesh über das Presseecho hinaus auch Eingang in den politischen Diskurs zur Kashmir-Thematik und der Außenpolitik finden. Unter den vielen Zuhörern, darunter auch ehemalige Angehörige des diplomatischen Dienstes und des Militärs Indiens, kam es zu keinen grundsätzlichen Einwänden gegen die vorgetragenen Überlegungen.

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