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Der pakistanische Präsident Pervez Musharraf stoppte auf dem Weg nach Kathmandu in Peking. Er unterrichtete den chinesischen Premierminister Zhu Rongji u.a. über den Truppenaufmarsch an der indisch-pakistanischen Grenze und wollte wohl auch indirekt, trotz eines erst im Dezember stattgefundenen fünftägigen Staatsbesuchs in China, die Nähe zu seinem wichtigsten Verbündeten demonstrieren. Der chinesische Außenminister Tang Jiaxuan vertrat kurz zuvor in einem Telefonat mit Indiens Außenminister Jaswant Singh die Auffassung, "Indien, als ein großes Land in Südasien, könne eine positivere Rolle" bei der Verbesserung der indisch-pakistanischen Beziehungen spielen (Times of India, 3.1.2002) .
Trotz des von Pervez Musharraf bei der Eröffnungsveranstaltung angebotenen und von Premierminister Atal Behari Vajpayee erwiderten Händedrucks kam es zu keinen direkten Gesprächen zwischen den beiden Kontrahenten. Die indische Seite, die die Auslieferung von 20 Terroristen von Pakistan verlangt, vertrat stoisch die Auffassung, solchen Gesten müssten wirkliche Taten folgen.
Unter Vorsitz des ehemaligen Premierministers I. K. Gujral zogen A. N. Ram, ehemaliger Staatssekretär für auswärtige Wirtschaftsbeziehungen im indischen Ministry of External Affairs (MEA), und Dr. Sanjaya Baru, Herausgeber der Tageszeitung The Financial Express, am 3. Januar 2002 im India International Center (IIC) in New Delhi eine äußerst kritische Bilanz der südasiatischen Wirtschaftsgemeinschaft.
A.N. Ram vertrat die Ansicht, das Konzept von SAARC stehe nicht mehr im Einklang mit der Wirklichkeit in Südasien. Die regierungszentrische Organisation ignoriere die Anliegen der Bevölkerung und sei ein Gefangener politischer Spannungen. Die Gipfeltreffen erbrächten nichts Nennenswertes, die südasiatische Zivilgesellschaft orientiere sich jenseits von SAARC. Pakistan sei noch nicht ernsthaft an normalisierten Beziehungen innerhalb von SAARC interessiert. Freihandelsarrangements bestünden mit Nepal, Bhutan und Sri Lanka, Bangladesh folge bald. Stattdessen würden 70 % des indisch-pakistanischen Handels über dritte Länder bzw. über Schmuggel abgewickelt. Indiens Handel mit den SAARC-Staaten betrage allerdings nur ganze 2 %, ca. 80 % wickele es mit den USA, Europa, Japan und Russland ab. Es sei an der Zeit, über die Assoziation hinaus zu gehen u. a. in Richtung BIMSTEC (Bangladesh, India, Myanmar, Sri Lanka, Thailand), ASEAN und Indian Ocean Rim.
Dr. Sanjay Baru sieht selbst innerhalb der Zivilbevölkerung keinen Enthusiasmus für die Idee einer südasiatischen Wirtschaftsgemeinschaft, für die es keine wirtschaftliche Grundlage angesichts eines dreiprozentigen intra-regionalen Handels gebe. Der Handel Chinas mit Sri Lanka sei z. B. größer als zwischen Indien und seinem südöstlichen Nachbarstaat. Dr. Baru wunderte sich, warum z. B. deutsche politische Stiftungen so viel Geld in SAARC-Veranstaltungen steckten. Er habe gerade eine Veröffentlichung des zweitgrößten indischen Wirtschaftsdachverbandes Federation of Indian Chambers of Commerce and Industries (FICCI) mit dem Titel "SAARC means business" aufgeschlagen, die bezeichnenderweise von der Friedrich-Naumann-Stiftung gefördert wurde. Die Region selbst bringe keine nennenswerten Ressourcen für derartige Aktivitäten auf. SAARC sei bestenfalls eine Vereinigung von Indien mit seinen Nachbarn, die wegen der Dominanz Indiens dysfunktional bleiben müsse. Trotz bester Bemühungen könne Indien sich nicht kleiner machen als es sei. Vielleicht sei eine größere Gemeinschaft mit Myanmar, Afghanistan und Iran eine bessere Lösung. Außerdem seien auch Thailand, Indonesien und die Golf-Staaten Indiens Nachbarn, außerdem gebe es wichtige historische Beziehungen nach Zentralasien. Indiens auf 0,8 % gewachsener Anteil am Welthandel gehe auf den gewachsenen Außenhandel mit Südost- und Ost-Asien zurück.
Eric Gonsalvez, ehemaliger Staatssekretär im indischen Außenministerium, sagte, weder die Regierungen Indiens noch Pakistans hätten sich jemals SAARC verpflichtet gefühlt. Für die regionale Kooperation sprächen z.B. angesichts der vielfältigen inneren Instabilitäten in Indien Sicherheitserwägungen in der Region. Indien müsse mehr in SAARC investieren, z B. sei Bangladesh sein sechst- oder siebentgrößter Handelspartner. Dr. Karan Singh, ehemaliger Herrscher von Jammu & Kashmir, früherer Unionsminister und Ex-Botschafter in den USA, forderte, die kulturelle Dimension von SAARC und die Schaffung regionaler Gesellschaften in Südasien zu beachten. Sollte sich die These von Samuel Huntington in Südasien bewahrheiten, dann bedeute dies den Todesstoß für SAARC und die Indische Union.
Inder Kumar Gujral, in Südasien angesehen für sein Eintreten für gutnachbarschaftliche Beziehungen u. a. durch die nach ihm benannte "Gujral-Doktrin", wonach Indien mehr geben als nehmen müsse, sagte in seinem ihm eigenen Optimismus, der Track II sei in der Vergangenheit kraftvoller als die Kooperation der Regierungen gewesen. SAARC wachse, wenn überall in der Region demokratische Regierungen existierten. Allerdings sei praktisch jedes Mitgliedsland im Würgegriff von terroristischen Bewegungen. Glücklicherweise gebe es keine negativen Äußerungen über Nachbarstaaten aus der Zivilgesellschaft bzw. dem Track II. Gujral, der den Teilnehmern der Veranstaltung sein Schreiben an die am Kathmandu-Gipfel teilnehmenden Staats- und Regierungschefs vorlas, in dem er sie aufforderte, gemeinsam mehr gegen den Terrorismus zu unternehmen, plädierte für einen weiteren Wirtschaftsgipfel der SAARC-Staaten. Allerdings räumte er auch ein, dass zur Zeit bessere Aussichten für subregionale Kooperation innerhalb von SAARC bzw. darüber hinaus, z.B. mit dem südlichen China, bestünden.
Ob die Deklaration von Kathmandu eine effektive Vereinbarung u.a. zur Bekämpfung des grenzüberschreitenden Terrorismus darstellt, darf angesichts bisheriger Erfahrungen mehr als bezweifelt werden. Druck vor allem auf Pakistan aber auch auf Bangladesh durch die anderen SAARC-Staaten, wie Professor Mahendra P. Lama von der Jawaharlal-Nehru-Universität meint, dürfte ohne die Mithilfe der USA, der Europäischen Union, Chinas und Rußlands wohl kaum zu Ergebnissen führen. Wie angespannt die Situation auch weiterhin ist und welche Denkweisen im politischen Establishment vertreten sind, machte Indiens Verteidigungsminister George Fernandes, der auch die These eines begrenzten Krieges trotz Nuklearwaffen zwischen Indien und Pakistan vertritt, in einem Zeitungsinterview deutlich: "Wir können einen Nuklearschlag einstecken, überleben und dann zurückschlagen. Pakistan würde zerstört sein. (We could take a (nuclear) strike, survive and then hit back. Pakistan would be finished)" (Hindustan Times, 30.12.2001, S.11)
Dr. C. Raja Mohan, Strategic Editor der einflußreichen Tageszeitung The Hindu, vertritt die Auffassung, dass SAARC zu nichts führe, wenn Indien sich nicht zu einer Führungsrolle bekenne. (C. Raja Mohan: "SAARC: a slow boat to nowhere?", in: The Hindu, 3.2.2002, S.10) Grenzüberschreitender Terrorismus und regionale Kooperation könnten nicht Hand in Hand gehen. Pakistan habe bisher als langsamstes Kamel die Geschwindigkeit der Karawane bestimmt, da es wirtschaftlichen Fortschritt von der Lösung politischer Fragen abhängig mache, stattdessen sei das Gegenteil anzustreben. Indien müsse ein SAARC der “zwei Geschwindigkeiten“ u. a. durch subregionale Zusammenarbeit zum Vorteil kleinerer Staaten proklamieren. Indien solle eine Politik des Unilateralismus verfolgen und z. B. den zollfreien Zugang von Gütern aus den am geringsten entwickelten SAARC-Ländern ermöglichen, wie dies Atal Behari Vajpayee der Premierministerin Khaleda Zia für 25 Güter in Kathmandu bereits in Aussicht stellte. Ohne Indiens Führungsrolle werde SAARC dagegen auch in Zukunft fortfahren, ziellos zu driften. "SAARC muß mehr als ein bloßes Theater für das Schauspiel der indisch-pakistanischen Spannungen sein, es wird nach einer Strategie, die Pakistan umgeht, Ausschau halten müssen, um die regionale Wirtschaftsintegration zu vertiefen." (C. Raja Mohan: "Sparring at SAARC", in: The Hindu, 6.1.2002, S.8)
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