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13. März 2002. Bangladesch Geschichte

Das Gebiet des heutigen Bangladesh blickt auf ein vielfältiges kulturelles Erbe, das zurückgeht auf drawidische, indo-arische, persische, türkische und europäische Einflüsse. Im 12. Jahrhundert verdrängte der Islam im Gefolge der Sufis die bis dahin herrschenden buddhistischen und hinduistischen Dynastien. Ein Großteil der Bevölkerung konvertierte zum Islam, der bis heute eine bedeutende Rolle in Politik und Gesellschaft spielt. Im 16. Jahrhundert wurde Bengalen als Provinz in das Mogulreich integriert.

Unter britischer Kolonialherrschaft

Portugiesische Händler und Missionare erreichten Bengalen im frühen 16. Jahrhundert, Holländer und Franzosen folgten. 1650 landeten die ersten Briten und bauten Handelsposten und Manufakturen für die East India Company auf. Etwa hundert Jahre später erhielt die Company nach dem Sieg über den Nawab von Bengalen in der Schlacht von Plassey die Steuerhoheit über die Provinz des Mogulreichs.

1858 wurde die Herrschaft der East India Company verdrängt durch die britische Krone, welche ihr Einflussgebiet von Bengalen im Osten bis zum Indus im Westen ausweitete. Unter Lord Curzons Herrschaft wurde Bengalen 1905 aus administrativen Gründen zum ersten Mal geteilt. 1906 wurde die Muslim League in Dhaka gegründet. Hindus jedoch und vor allem die indische Kongresspartei wehrten sich massiv gegen die Teilung, da sie sich benachteiligt fühlten und die wirtschaftliche Konkurrenz fürchteten. Sechs Jahre später nahmen die Briten diesen Beschluss zurück, hatten aber mit ihrer Entscheidung den Beginn der muslimischen Separatistenbewegung auf den Weg gebracht.

Ost-Pakistan

Bei der Teilung des indischen Subkontinents am 15. August 1947 wurde der Osten Bengalens zuerst als Ost-Bengalen Bestandteil des neuen muslimischen Staates Pakistan unter der Führung Muhammed Ali Jinnahs. 1955 wurde er in Ost-Pakistan umbenannt.

In den darauf folgenden 26 Jahren blieb Pakistan gezeichnet von politischer und ökonomischer Instabilität. (siehe auch Geschichte Pakistans nach 1947) Für Ost-Pakistan, durch die Abtrennung vom indischen Teil Bengalens nicht nur wirtschaftlich benachteiligt, begann eine Zeit der neuerlichen Abhängigkeit und Unterdrückung.

Die konfliktreiche Beziehung zwischen Ost- und West-Pakistan spitzte sich nach dem zweiten Krieg mit Indien um Kashmir von 1965 dramatisch zu. Widerstand begann sich in Gestalt von wachsenden Unabhängigkeitsbestrebungen zu formieren. 1966 forderte Mujibur Rahman von der Awami League (AL) mehr Autonomie für Ost-Pakistan innerhalb eines säkularen parlamentarischen Gesamt-Pakistan, was er in Form seines berühmten Sechs-Punkte-Programms bei einer Versammlung der Oppositionsparteien in Lahore vortrug.

Unabhängigkeitskrieg und Staatsgründung

Bei den spektakulären Wahlen zur pakistanischen Nationalversammlung von 1970 erhielt Rahman in Ostpakistan nahezu alle Sitze, in Westpakistan jedoch nur einen verschwindend geringen Anteil. Dort errang Zulfikar Ali Bhutto, die absolute Mehrheit. Für Gesamt-Pakistan ergab dies eine klare Sitzmehrheit für die AL mit 167 von 313 Sitzen. Präsident Yahya Khan eröffnete Gespräche mit Bhutto und Rahman. Rahman bestand auf großen Druck seiner Verbündeten hin auf der Durchsetzung seines Sechs-Punkte Programms, was sowohl Yahya als auch Bhutto ablehnten. Daraufhin steigerte sich der offene Protest in Ost-Pakistan und Yahya erhöhte die Truppenpräsenz in Bengalen.

Am 25. März 1971, marschierten westpakistanische Truppen in bengalisches Gebiet ein, woraufhin Bangladesh seine Unabhängigkeit erklärte. Mujibur Rahman wurde verhaftet und nach West-Pakistan gebracht. Die AL wurde verboten. Ihre Anhänger flohen zu Tausenden nach Indien, wo in Kalkutta, heute Kolkata, eine provisorische Exil-Regierung gebildet wurde, welche unter dem Namen Mujibnagar bekannt wurde. Ein anderer Teil, hauptsächlich Personal der ehemaligen ostpakistanischen Armee und Polizei sowie paramilitärischen Einheiten der Grenztruppen und Studenten zusammen formierte sich zu einer Freiheitsfront, den Mukhti Bahini, die der westpakistanischen Armee einen unerbittlichen Guerillakampf lieferte.

Die folgenden acht Monate des Bürgerkrieges – oder Unabhängigkeitskrieges, wie er in Bangladesh bezeichnet wird - waren geprägt von gewaltsamen Übergriffen westpakistanischer Soldaten besonders gegen die bengalische Zivilbevölkerung, was die dramatische wirtschaftliche und soziale Lage des geteilten Landes noch weiter verschärfte.

Maßgeblich zur Entscheidung dieses Krieges trug die Intervention Indiens bei, welche den inzwischen dritten indo-pakistanischen Krieg markierte. (siehe auch: Die Rolle Indiens bei der Entstehung des Staates Bangladesh) Bereits im Vorfeld des Unabhängigkeitskrieges unterhielt die indische Regierung gute Kontakte zu Mujibur Rahman und seiner AL. Entgegen pakistanischem Verdacht handelte es sich jedoch nicht um eine verschwörerische Beziehung, die die Gründung eines neuen Staates zum Ziel hatte. Dennoch schürte Indien die Unruhen indirekt durch die Ausbildung und militärische Unterstützung der Mukhti Bahini, welche dadurch der besser ausgerüsteten westpakistanischen Armee die Stirn bieten konnte.

Nachdem sich Indien zuerst gegen eine direkte Einmischung gesträubt hatte, gab Indira Gandhi, damalige indische Premierministerin, am 21. November 1971 den Befehl zum Einmarsch indischer Truppen in ostbengalisches Gebiet. Auslöser war vor allem die sich zuspitzende Situation in Indiens armen Ostprovinzen, welche nicht länger in der Lage waren, den Flüchtlingsstrom zu bewältigen. Ebenso unerfreut zeigte sich Indien über das mangelnde Engagement der internationalen Gemeinschaft im innerpakistanischen Konflikt. Im Sommer 1971 waren mehrere indische diplomatische Delegationen entsandt worden, um sowohl die Westmächte als auch die Sowjetunion auf die gefährliche Lage aufmerksam zu machen. Diese sollten ihren Einfluss auf Pakistan nutzen, um eine politische Lösung herbeizuführen. Als diese in immer weitere Ferne trat, bemühte sich Indira Gandhi verstärkt um die alleinige Unterstützung der Sowjetunion. Im August unterschrieben beide Staaten einen Freundschaftsvertrag, der die Unterzeichner verpflichtete, keine Waffen oder andere Hilfe an Staaten zu senden, mit denen der Partner im bewaffneten Konflikt steht. Damit sicherte sich Indien vor dem Eintritt in den Krieg mit Pakistan, dessen Hauptverbündeter die USA waren, das Vetorecht der Sowjetunion im UN-Sicherheitsrat und deren militärische Unterstützung. Nach dem Sieg über Pakistan erkannte Indien Bangladesh als erstes Land offiziell an.

Am 16. Dezember 1971 erfolgte die Kapitulation der (west)pakistanischen Armee. Dieser Tag wird heute in Bangladesh als Unabhängigkeitstag begangen. Am 22. Dezember kehrten die ersten Mitglieder der Exilregierung aus Indien zurück und auch Mujibur Rahman, in Pakistan wegen Hochverrats zum Tode verurteilt, wurde die Rückkehr nach Bangladesh gestattet.

Hoffnungsvolle Gründungsjahre

Nach dem Sieg Indiens wurde Rahman erster Ministerpräsident Bangladeshs, das sich zu einer pluralistischen Gesellschaft mit Mehrparteiensystem formierte. Die neue Verfassung war eine parlamentarische, die neben einer unabhängigen Justiz und einer Legislative nach britischem Modell vor allem den Ministerpräsidenten mit großer Macht ausstattete. Politische Eckpfeiler des neuen Staates bildeten die vier Prinzipien der AL: Nationalismus, Säkularismus, Sozialismus und Demokratie.

Bereits 1974 musste Mujibur Rahman aufgrund massiver wirtschaftlicher und administrativer Probleme den nationalen Notstand ausrufen. Anfang 1975 setzte er die Verfassung aus. Er begrenzte die Macht der Legislative und Justiz und ernannte sich selbst zum Präsidenten. Im Juni fasste er alle politischen Parteien zur Einheitspartei Bangladesh Krishak Sramik Awami League (BKSAL) zusammen. Der Bevölkerung wurde dieser Schritt als die "Zweite Revolution" präsentiert.

Herrschaft der Generäle

Weitere politische und wirtschaftliche Reformen ließen jedoch auf sich warten, und Rahman sah sich einer wachsenden Kritik ausgesetzt. Im August 1975 wurde er zusammen mit seiner Familie von Offizieren der Armee ermordet. Lediglich seine Tochter Sheikh Hasina, die sich zu dieser Zeit im Ausland befand, und ein anderes Kind überlebten das Massaker. Sein früherer Mitstreiter Khandakar Moshtaque übernahm vorerst das Amt des Ministerpräsidenten. Im November desselben Jahres folgten mehrere Machtwechsel innerhalb militärischer Kreise in kurzen Abständen, aus denen General Ziaur Rahman (Zia) als der neue starke Mann in Bangladesh hervorging. Er versprach der zivilen Regierung unter Generalstaatsanwalt Abu Sadat Mohammad Sayem die volle Unterstützung der Armee, ließ denselben daraufhin das Kriegrecht ausrufen und machte ihn zum Chefverwalter, Chief Martial Law Administrator (CMLA).

1977 löste Zia Sayem als Präsidenten ab und ließ sich ein Jahr später für fünf Jahre in dieses Amt wählen. Seine Regierung hatte ein 19-Punkte-Programm entwickelt, welches steigende Nahrungsmittelproduktion und Familienplanung beinhaltete. Zia beseitigte ebenso die Hürden zur Bildung einer politischen Opposition, woraufhin 30 Parteien bei den Parlamentswahlen 1979 antraten. Zias Partei, die Bangladesh Nationalist Party (BNP), errang 207 der 300 Sitze.

1981 wurde Zia von militärischen Dissidenten ermordet. Der bisherige Vizepräsident Abdus Sattar erklärte den Notstand aus und rief zu Neuwahlen innerhalb von sechs Monaten auf. Sattar gewann diese Wahl, wurde jedoch von Armeechef General Hussain Muhammad Ershad stark herausgefordert. Dessen erklärtes Ziel war der Kampf gegen die Korruption und eine verstärkte Einbeziehung des Militärs in die Politik. Sattar weigerte sich auf letztere Forderung einzugehen, und so löste Ershad ihn durch einen friedlichen Putsch ab, rief erneut das Kriegrecht aus und erklärte sich zum CMLA.

1983 ernannte sich Ershad zum Präsidenten und begann, sich eine politische Existenz nach dem Kriegsrecht aufzubauen. Er kündigte Wahlen an und gründete die Jatiyo Party (JP). 1986 wurde das Kriegsrecht wieder aufgehoben und die demokratische Verfassung in Kraft gesetzt. Ershad trat von allen militärischen Posten zurück, wurde im Oktober 1986 rechtmäßig zum Präsidenten gewählt, was nicht zuletzt daran lag, dass die BNP die Wahl boykottiert hatte.

Als im Juli 1987 die AL aus dem Parlament schied und sich die gesamte Opposition zum Widerstand gegen Ershad formierte, rief dieser im November den Notstand aus und löste kurz darauf, am 6. Dezember das Parlament auf. Neuwahlen sollten im März des folgenden Jahres stattfinden.

Die Wahl wurde erneut von der BNP und diesmal auch von der AL boykottiert, und Ershad errang 250 von 300 Sitzen. Die restlichen Sitze wurden unter den unabhängigen Kandidaten und kleinen Parteien, die an der Wahl teilgenommen hatten, verteilt. In dieser Legislaturperiode wurde der Islam offiziell zur Staatsreligion in Bangladesh erklärt.

Schwierige Demokratie nach 1990

Nachdem sich die Proteste gegen Ershad bereits seit 1989 hinzogen, steigerten sie sich Ende 1990 zu einem Höhepunkt, als sich BNP und AL zum gemeinsamen Boykott zusammenschlossen. Protestkundgebungen und Generalstreiks erhöhten den Druck auf Ershad, der daraufhin am 4. Dezember des Jahres zurücktrat.

Am 27. Februar 1991 fanden die wohl ersten Wahlen ohne größere Unregelmäßigkeiten in Bangladesh statt, aus der die BNP als Sieger hervorging. Sie bildete eine Koalition mit der islamistischen Jamaat-e-Islami (JI), Zur Ministerpräsidentin, in einem noch präsidialen System, wurde Begum Khaleda Zia, die Witwe des ermordeten Ziaur Rahman, ernannt.

Im September 1991 setzte sie die parlamentarische Verfassung wieder ein. Neuer Präsident Bangladeshs, mit hauptsächlich repräsentativen Pflichten wurde Abdur Rahman Biswas.

1994 weigerte sich Khaleda auf massive Rücktrittsforderungen sowohl aus der Opposition als auch aus dem Volk zu reagieren, worauf die gesamte Opposition am 28. Dezember zurücktrat. Auf ihre Weigerung wurden nationale Streiks (hartals) ausgerufen, welche Reformen und die wirtschaftliche Stabilisierung des Landes erheblich beeinträchtigten. Im November 1995 löste Präsident Biswas das Parlament auf und rief Neuwahlen für Februar 1996 aus. Gleichzeitig forderte er Khaleda auf, die Regierungsgeschäfte bis dahin weiter zu führen. Daraufhin boykottierte die Opposition die Wahlen und rief erneut zu Streiks und Transportblockaden auf. Khaleda beugte sich schließlich dem Druck und trat zurück.

Erneute Wahlen fanden im Juni 1996 statt, aus der die AL als Sieger hervorging und eine Koalition mit der Jatiya Partei bildete. Zur neuen Ministerpräsidentin wurde Sheikh Hasina Wajed von der AL ernannt, Tochter des "Vaters der Nation", Mujibur Rahman.

Als erste Premierministerin überhaupt beendete Sheikh Hasina eine volle Legislaturperiode. Zu ihren Erfolgen gehört der wirtschaftliche Aufschwung Bangladeshs und die Unterzeichnung eines Friedensabkommens für die Krisenregion in den südöstlichen Chittagong Hill Tracts. Doch auch die Korruption blühte unter ihrer Regentschaft. Im Juli 2000 übergab sie Richter Latifur Rahman den Vorsitz der unabhängigen Interimsregierung, die eine faire Wahl garantieren sollte.

Am 1. Oktober 2001 gewann eine Koalition aus BNP, Jamaat-i-Islami und Jatiyo Party die Parlamentswahlen. Neue Premierministerin ist seit dem 14. Oktober nun zum zweiten Mal Begum Khaleda Zia.

Quellen

  • Winfried Böttcher (1986): Bangladesh im Schatten der Macht, Aachen
  • Craig A. Baxter und Syedur Rahman (1996): Historical dictionary of Bangladesh
  • Richard Sisson und Leo E. Rose (1990): War and secession. Pakistan, India and the creation of Bangladesh, Berkeley/Kalifornien
  • Charles Peter O’Donnell (1984): Bangladesh. Biography of a Muslim nation, Boulder/Colorado

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