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Die Legislative der Indischen Union liegt bei einem Zwei-Kammern-Parlament mit insgesamt 791 Mitgliedern. Das Unterhaus, die Kammer des Volkes (Lok Sabha) setzt sich zusammen aus 543 Abgeordneten, die für fünf Jahre in allgemeinen, direkten, freien und möglichst gleichen Wahlen nach einfachem Mehrheitswahlrecht gewählt werden. Zwei Abgeordnete werden als Repräsentanten der anglo-indischen Minderheit vom Präsidenten ernannt. 70 bzw. 41 Sitze sind für Vertreter bestimmter Kasten bzw. Stämme (den sogenannten Scheduled Castes and Tribes) reserviert. Im Falle unklarer Mehrheiten kann das Unterhaus vom Präsidenten aufgelöst werden. Das Oberhaus, die Kammer der Staaten (Rajya Sabha), besteht aus 245 Abgeordneten. Zwölf Mitglieder werden vom Präsidenten ernannt, die restlichen 233 werden von den Parlamenten der Unionsstaaten gewählt. Die Rajya Sabha ist im Gegensatz zur Lok Sabha eine ständige Einrichtung; jeweils ein Drittel ihrer Mitglieder wird alle zwei Jahre für sechs Jahre bestimmt.
Die Verfassung gibt für alle Unionsstaaten - außer für Jammu & Kashmir - eine Standardverfassung vor, die in etwa der Regierungsform der Union entspricht. Die Legislative in den Staaten liegt bei den Legislative Assemblies (auch Vidhan Sabhas genannt), die für jeweils fünf Jahre gewählt werden. In fünf von 28 Gliedstaaten (Bihar, Jammu & Kashmir, Karnataka, Maharashtra, Uttar Pradesh) existiert neben der Legislative Assembly noch ein Legislative Council, der wie die Rajya Sabha eine ständige Einrichtung ist. Je nach Staat variiert die Größe der Gesetzgebenden Versammlungen zwischen 60 und 500 Mitgliedern. Von den insgesamt 4061 Sitzen sind 557 bzw. 527 den Scheduled Castes bzw. Tribes vorbehalten.
Die Verfassung unterscheidet zwischen drei Zuständigkeitsbereichen der Legislative. Liste 1 umfaßt 97 Bereiche, die ausschließliche Angelegenheit der Union sind: u.a. Außenpolitik, Verteidigung, Währung, Außenzölle, Post, Radio und Fernsehen. Liste 2 beinhaltet 66 Bereiche, die in die ausschließliche Kompetenz der Unionsstaaten fallen: u.a. Polizei und öffentliche Ordnung, Bildung, Gesundheit, Landwirtschaft und Kommunalverwaltung. Liste 3 regelt 47 Bereiche, die sowohl Sache der Union als auch der Staaten sind, wobei Unionsrecht Staatenrecht bricht: u.a. Wirtschaft und Soziales, Gewerkschaften und Preiskontrolle. Alle Bereiche, die nicht durch eine der drei Listen geregelt sind, sind automatisch Angelegenheit der Union.
Staatsoberhaupt und Kopf der Exekutive ist der Präsident. Seine Rolle ist aber im wesentlichen auf repräsentative Aufgaben beschränkt. Er wird in einem komplizierten Wahlverfahren von den Abgeordneten des Bundesparlamentes und aller Landesparlamente für fünf Jahre gewählt. Eigentliches Machtzentrum der Exekutive ist der Ministerrat unter Vorsitz des Premierministers. Der Ministerrat ist der Lok Sabha gegenüber kollektiv verantwortlich und regiert im Namen des Präsidenten. Es ist üblich, daß der Premier als Führer der stärksten Fraktion des Unterhauses vom Präsidenten ernannt und mit der Regierungsbildung beauftragt wird. Obwohl der Premier nach Vorbild des britischen Kabinettsystems nur erster unter gleichen ist, kommt ihm durch die Leitung der Kabinettsitzungen, das Recht zur Regierungsumbildung und die Kontrolle der Geheimdienste, der Bundespolizei und der mächtigen zentralen Planungskommission eine herausragende Stellung zu.
Auf Vorschlag des nationalen Ministerrates ernennt der Präsident Gouverneure als Chefs der einzelnen Unionsstaaten. Ähnlich dem Präsidenten spielen sie aber eine weitgehend zeremonielle Rolle, während die Regierungsgeschäfte in ihrem Namen von den Ministerräten der Staaten geführt werden. Die Ministerräte werden von den Landesparlamenten gewählt; ihren Vorsitz führen die Chief Minister. Allerdings können Landesregierungen im Falle des Zusammenbruchs der verfassungsmäßigen Ordnung mittels der sogenannten President´s Rule durch die Unionsregierung abgesetzt und der direkten Kontrolle New Delhis unterstellt werden. In diesem Fall übernimmt der Gouverneur die Verwaltung.
Die Judikative wird durch ein System nationaler Gerichte ausgeübt, an dessen Spitze der Supreme Court unter Vorsitz des Chief Justice of India steht. Ihm nachgeordnet sind die 18 High Courts als höchste Gerichte in den Einzelstaaten und die Untergerichte (Subordinate Courts). Während im Supreme Court und den High Courts von Richterkollegien Recht gesprochen wird, geschieht dies in den Untergerichten grundsätzlich durch Einzelrichter. Zwar werden die Richter der Obergerichte durch die Exekutive ernannt, um ihre Unabhängigkeit zu sichern, können sie aber nur mit einer Zweidrittelmehrheit des Unionsparlamentes abgesetzt werden. Um die Untergerichte vor politischer Einflußnahme zu sichern, liegt die Dienst- und Personalaufsicht in den Händen der High Courts.
90% der Rechtsprechung lastet auf den Untergerichten, die daher stark überlastet sind und manchmal erst nach Jahrzehnten Urteile fällen. Die High Courts sind die obersten Berufungsinstanzen in einem Einzelstaat. Dem Supreme Court steht die ausschließliche Gerichtsbarkeit bei Konflikten zwischen der Union und den Staaten bzw. zwischen den Staaten zu. Darüber hinaus ist er höchste Berufungsinstanz für alle Rechtsfragen und kann Fälle von besonderem Interesse an sich ziehen.
Auf kommunaler Ebene wird unterschieden zwischen den Stadträten (Municipalities) und den Dorfräten (Panchayats). Ihre Ausgestaltung ist Angelegenheit der Staaten, so daß beträchtliche Unterschiede im Aufbau der Kommunalverwaltung existieren. Die Verfassung gebietet den Aufbau von Organen lokaler Selbstverwaltung. In den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit wurden diesen Organen nur geringfügige Kompetenzen übertragen. Zur Stärkung der lokalen Selbstverwaltung wurde 1992 der Panchayat Raj Act verabschiedet. Seitdem ist das System der Kommunalverwaltung zwar einheitlicher geworden und die Gemeinden haben mehr Kompetenzen bekommen, aber die Umsetzung der Vorgaben durch die Staaten geht nur zögerlich voran. Ein besonderes Hemmnis stellt die unzureichende finanziellen Ausstattung der lokalen Körperschaften dar.
Das Panchayat-System ist ein dreischichtiges Rätesystem, das in Dorf-, Block- und Distriktebene untergliedert ist. Ein Anhang zur Verfassung nennt 29 potentielle Verantwortungsbereiche: u.a. die Gesundheitsfürsorge, Landwirtschaft, Gemeindestraßen, öffentliche Brunnen, die Umsetzung von Landreformen, Grundbildung und Kleinindustrie. Für die Stadtverwaltungen werden 18 Bereiche als potentielle Kompetenzen genannt: u.a. Stadtplanung, kommunale Infrastruktur, Bauaufsicht, sanitäre Einrichtungen, Impfprogramme und städtische Schulen.
Insgesamt sind zwischen 17 und 19 Mio. Menschen im Staatsdienst tätig. Es existieren drei Arten der Beamtenschaft: a) Central Services, b) All-India Services und c) State Services. Die ersten beiden unterstehen der Union: Ihre Rekrutierung und die Bedingungen ihrer Dienste werden vom Parlament per Gesetz geregelt, und sie hängen vom Willen des Präsidenten ab. Die Central Services übernehmen allein Aufgaben der Union. Derzeit gibt es etwa 50 von ihnen, u.a. den Indian Foreign Service für den diplomatischen Dienst oder den Indian Railway Service für die Eisenbahn.
Die Dienste der All-India Services werden sowohl von Union als auch von den Staaten in Anspruch genommen, daher sind die für die Verwaltung des Landes von herausragender Bedeutung. Die Verfassung nennt zwei All-India Services: den Indian Administrative Service (IAS) und den Indian Police Service (IPS) - beide Dienste sind ein Erbe der Kolonialzeit. Der IAS ist die „administrative Aristokratie" des Landes - die zentrale Ausbildung im nordindischen Mussoorie erzeugt einen elitären Korpsgeist, seine Macht und sein Prestige sind enorm. Er ist ein multifunktionaler Dienst, d.h. die ca. 5.000 IAS-Beamten arbeiten ebenso als Distriktbeamte wie als Direktoren von Stahlwerken und Fluglinien, Universitätspräsidenten oder in Stadtverwaltungen. Obwohl sie Beamte der Union sind, besetzen IAS-Beamte alle höheren Posten in den Verwaltungen der Staaten, wo sie die Aufsicht über die Angehörigen der State Services haben. Die State Services unterstehen den jeweiligen Staaten. Ihnen obliegt die Verwaltung an der "Basis" der Verwaltungshierarchie, sie sind daher am ehesten mit der Bevölkerung konfrontiert - allerdings sind die schlechter ausgebildet und bezahlt und daher am stärksten anfällig für Korruption.
Auch für die Polizei, die Sache der Staaten ist, gilt das Modell der IAS-Verwaltung. Die höheren Posten in den Polizeikräften der Staaten werden von IPS-Beamten besetzt, die von der Unionsregierung abhängig sind, während die unteren Ränge von der State Police besetzt werden. Neben den Polizeikräften der Staaten existieren paramilitärische Reservepolizeikräfte, die dem Innenministerium der Union unterstehen, wie z.B. die Central Reserve Police Force oder die Indo-Tibetan Border Police. Insgesamt dienen etwa 1,2 Mio. Menschen bei der indischen Polizei - damit kommen in Indien auf einen Polizisten doppelt so viele Einwohner wie in Deutschland.
Mit knapp 1,3 Mio. Soldaten hat Indien die drittgrößte Armee Asiens - mit dem überragenden Schwerpunkt auf Landstreitkräften. Es ist eine Freiwilligenarmee. Militärischer Oberbefehlshaber ist der Präsident, für die Planung der Verteidigung ist das Kabinett verantwortlich. Für die Umsetzung der Beschlüsse ist der Verteidigungsminister zuständig. Alle höheren Posten im Verteidigungsministerium sind mit zivilen Beamten besetzt, und bis heute ist die Autorität der Politik gegenüber dem Militär gewahrt geblieben. Seit der Unabhängigkeit kämpfte die indische Armee in vier Kriegen (gegen Pakistan 1948, 1965, 1971 und gegen die VR China 1962) und war und ist in diversen UN-Peace-Keeping-Missionen tätig. Sie wurde in der Vergangenheit aber auch für die Einigung des heutigen Staates eingesetzt, z.B. beim gewaltsamen Anschluß des Fürstentums Hyderabad (1948) oder der portugiesischen Kolonie Goa (1961), sowie bei Interventionen, die den regionalen Führungsanspruch Indiens bekräftigen sollten (Sri Lanka 1987, Malediven 1988). Gerade in jüngster Zeit wird das Militär verstärkt im Innern eingesetzt, z.B. in Kaschmir oder Assam. Da die Soldaten dabei durch Sondergesetze vor einer Strafverfolgung geschützt sind, werden häufiger Menschenrechtsverletzungen beklagt.
Das indische Parteiensystem ist enorm vielfältig: Anfang 1998 gab es 654 registrierte Parteien in Indien. Obwohl alle größeren Parteien Wahlprogramme haben, kann nur in Ausnahmefällen von Programmparteien im westlichen Sinne gesprochen werden. Bei der überwiegenden Mehrheit handelt es sich um Klientelparteien unter der Führung charismatischer Persönlichkeiten. Aufgrund dieser Personenbezogenheit ist die Parteienlandschaft permanent in Bewegung, da der Tod eines Parteiführers oft das gleichzeitige Ende seiner Partei bedeutet oder personelle Rivalitäten und der „Kauf" von Abgeordneten zu Parteispaltungen führen. Insbesondere das Phänomen der Parteispaltung hat in der Vergangenheit erheblich zur politischen Instabilität beigetragen.
Älteste und nach wie vor eine der größten indischen Parteien ist der 1885 gegründete Indian National Congress (INC). Unter Führung von Mahatma Gandhi und Jawaharlal Nehru führte er die Unabhängigkeitsbewegung an. Zwischen 1947 und 1996 stellte der Kongreß mit kurzen Unterbrechungen zwischen 1977 und 1980 sowie 1989 und 1991 alle Premierminister und war die Kraft der nationalen Integration. Seit seiner Wahlniederlage 1996 und zahlreichen Korruptionsskandalen befindet sich der Kongreß aber im Niedergang, und auch die Kür von Sonia Gandhi zur Vorsitzenden hat die Partei bisher nicht aus der Krise führen können.
Die zweite große Partei ist die wesentlich jüngere hindunationalistische Bharatiya Janata Party (BJP). Sie ist die Nachfolgepartei des Bharatiya Jana Sangh, einer 1951 mit Unterstützung der radikal-hindunationalistischen Kaderorganisation Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS) gegründeten Partei, die 1977 in der Janata Party aufging, einer heterogenen Mehrparteien-Allianz zum Sturz Indira Gandhis. Nach dem Scheitern des Janata-Experimentes wurde 1980 die BJP gegründet. Seit Ende der 80er Jahre konnte sie zunehmend Wahlerfolge erzielen und wurde 1996 erstmals stärkste Partei bei Unterhauswahlen, scheiterte aber mit der Regierungsbildung. 1998 gewann die BJP mit ihrer Vielparteien-Koalition National Democratic Alliance (NDA) die Wahlen. Mit Atal Bihari Vajpayee stellte sie den ersten hindunationalistischen Premier Indiens, zu dessen ersten Amtshandlungen die Atomtests vom Mai 1998 gehörten. Im Frühjahr 1999 stürzte die Vajpayee-Regierung über den Koalitionsbruch der südindischen Politikerin Jayalalitha, konnte sich aber mit einer neugeordneten NDA bei den Neuwahlen im Herbst 1999 behaupten. Heute regiert die BJP-geführte Allianz das Land mit einer komfortablen Mehrheit.
Zu den wenigen Parteien mit überregionaler Reichweite gehören noch die Kommunisten. Die Communist Party of India (CPI) wurde 1925 im sowjetischen Exil gegründet; 1964 kam es insbesondere aufgrund des sino-sowjetischen Gegensatzes, der die parteiinternen ideologischen Streitigkeiten dominierte, zur Spaltung, aus der die rivalisierende Communist Party of India - Marxist (CPM) hervorging. Die CPM ist heute die stärkere der beiden kommunistischen Parteien mit traditionellen Hochburgen in den Staaten Westbengalen, Kerala und Tripura.
Daneben gibt es eine Fülle von Regionalparteien, die nur in einem oder zwei Unionsstaaten antreten. Von Bedeutung auch auf nationaler Ebene sind die im südindischen Tamil Nadu um die Macht konkurrierenden dravidischen Parteien Dravida Munnetra Kazagham (DMK) und All-India Anna Dravida Munnetra Kazagham (AIADMK), die Telugu Desam Party (TDP) in Andhra Pradesh, die radikal-hindunationalistische Shiv Sena in Maharashtra, die Sikh-Partei Akali Dal im Punjab, die Unterkasten-Parteien Samajwadi Party, Rashtriya Janata Dal in Uttar Pradesh bzw. Bihar sowie die Kastenlosen-Partei Bahujan Samaj Party.
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