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01. März 2008. Kommentare: Pakistan - Politik & Recht Elegant in den Ruhestand

PPP und PML-N wollen gemeinsam regieren

Die zwei größten Oppositionsparteien Pakistans haben eine Koalitionsregierung vereinbart. Sollte es ihnen gelingen, sich des Präsidenten zu entledigen, könn­te es mit der Einigkeit bald vorbei sein.

Viele Verbündete hat Präsident Pervez Musharraf nicht mehr. Bei den Parlamentswahlen am 18. Februar erhielt die Pakistanische Volkspartei (PPP) des Bhutto-Clans in 89 der 272 Wahlkreise ein Mandat, die Pakistanische Muslimliga (PML-N) des ehemaligen Premierministers Nawaz Sharif gewann 66 Sitze. Die beiden größten Oppositionsparteien haben sich bereits auf eine Koalitionsregierung geeinigt. Von den Musharraf nahestehenden Parteien erreichten die PML-Q nur 42 und die Vereinte Nationalbewegung (MQM) 19 Mandate.

Die Wahlen waren nicht nur ein Votum gegen die Herrschaft Musharrafs, auch das islamistische Parteienbündnis der MMA schnitt sehr schlecht ab und wird nur noch sechs Parlamentarier stellen. Die Islamisten verloren die Mehrheit in der an Afghanistan grenzenden Nordwestlichen Grenzprovinz (NWFP). Die Awami-Nationalpartei (ANP), eine vergleichsweise linksliberale Partei, die insbesondere unter der paschtunischen Bevölkerung Anhänger besitzt, wurde mit Abstand stärkste Kraft. Sie wird außerdem zehn Abgeordnete in das Nationalparlament entsenden.

Vor den Wahlen hatte die Regierung versucht, durch Manipulationen das erwünschte Ergebnis zu sichern. Dennoch verlief die Wahl selbst halbwegs fair, allerdings gab es etliche Ungereimtheiten. In zehn Wahlkreisen konnte am 18. Februar kein Ergebnis ermittelt werden, weil entweder Kandidaten zuvor verstorben waren oder die Sicherheitslage eine Auszählung verhinderte. Insgesamt wurden rund 31 Millionen Stimmen abgegeben, nur die Hälfte der Wahlberechtigten scheint an die gläsernen Urnen getreten zu sein. Mehrere kleinere Parteien hatten die Wahlen boykottiert, und ein Teil der Wahlberechtigten ist nicht registriert, darunter viele Frauen, Landlose und Wanderarbeiter.

Überraschend schnell einigten sich die rivalisierenden Parteien PPP und PML-N auf eine Koalition. Am Donnerstag voriger Woche traten Asif Ali Zardari, Witwer der Ende Dezember ermordeten ehemaligen Premierministerin Benazir Bhutto, und Nawaz Sharif gemeinsam vor die Presse. Man strebe ein möglichst breites Bündnis mit weiteren Parteien an – außer mit der PML-Q. Sharif zufolge hat die ANP schon Interesse bekundet.

Am Wochenende benannten die beiden mit Makhdoom Amin Fahim ihren Favoriten für den Posten des zukünftigen Premierministers. Fahim leitete die PPP während Bhuttos Exil, er gilt als loyal und ist weitgehend unumstritten, jedoch nicht sonderlich charismatisch. Auch in den Provinzen Punjab, Sindh, Balutschistan und der NWFP wollen beide Parteien Koalitionsregierungen bilden, um Musharraf zu schwächen. Shahbaz Sharif, der die PML-N während des Exils seines Bruders Nawaz leitete, soll im Punjab Ministerpräsident werden. Die PML-N hat in der bevölkerungsreichsten Provinz Pakistans ihren politischen Rückhalt, gut die Hälfte aller Pakistaner lebt dort.

Sharif möchte den Erfolg nun nutzen, um den Präsidenten aus dem Amt zu drängen: "Je eher Herr Musharraf die Situation versteht, das Votum des Volkes akzeptiert und zurücktritt, desto besser ist es für ihn." Eine Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten könnte Musharrafs Absetzung beschließen. Dazu bräuchten PPP und PML-N aber noch die Stimmen kleinerer Parteien, die dafür dann sicherlich Zugeständnisse fordern würden. Einfacher wäre es, mit einfacher Mehrheit die letzte Präsidentschaftswahl nicht anzuerkennen. Einem solchen Beschluss müsste allerdings der Senat zustimmen. Die aus dem Jahr 2003 stammende Mehrheit in diesem Gremium haben jedoch die PML-Q und die Islamisten, die es für einen Seitenwechsel zu gewinnen gälte.

Falls in den beiden Kammern des Parlaments keine ausreichende Zahl von Abgeordneten gegen Musharraf stimmt, könnte Iftikhar ­Chaudhry hilfreich sein. Der Oberste Richter wurde am 3. November von Musharraf abgesetzt, der befürchtete, Chaudhry werde seine Wahl zum Präsidenten für illegal erklären. Wieder eingesetzt, wäre der streitbare Jurist allerdings nicht nur für Musharraf eine Bedrohung. Auch gegen Zardari und Sharif sind Korruptionsverfahren anhängig.

Die einfachste Lösung wäre, dass Musharraf zurücktritt. Am Montag ließ er durch seinen Sprecher Rashid Qureishi mitteilen, dass er sein Amt nicht aufgeben wolle. Musharraf werde vielmehr mit den Abgeordneten kooperieren, sagte Qureishi. "Man kann gut mit dem Präsidenten auskommen." Doch das war vielleicht nicht das letzte Wort, denn Musharraf ist nicht nur innenpolitisch isoliert, auch die US-Regierung scheint sich gegen ihn zu wenden. Am Dienstag der vergangenen Woche besuchte Bryan Hunt, der US-Generalkonsul in Lahore, Aitzaz Ahsan, einen Repräsentanten der Anwaltsbewegung. Der International Herald Tribune zufolge kritisierte Ahsan bei dem Treffen die bisherige US-Politik, trotz der Wahlniederlage Musharraf zu unterstützen: "Der Mann ist Geschichte, bitte haltet nicht länger an ihm fest."

Auch einflussreiche US-Senatoren drängen Musharraf offenbar zum Rücktritt. Die Pakistaner müssten einen "eleganten Ausweg" finden, sagte am Sonntag der Republikaner Joe Biden, Vorsitzender des Senatsausschusses für Auswärtige Beziehungen. Biden und der Demokrat John Kerry gehören zu den US-Politikern, die in der vergangenen Woche in Pakistan mit Musharraf sprachen. Es mehren sich die Stimmen so genannter Analytiker, die das westliche Hauptinteresse an Pakistan, den "Krieg gegen den Terror", durch Generalstabschef Ashfaq Pervez Kiyani hinreichend gewährleistet sehen. Der Einfluss der pakistanischen Geheimdienste sei ebenfalls gesichert und nicht von Musharraf abhängig. Ein langwieriger Streit um dessen Präsidentschaft gilt offenbar als destabilisierender Faktor. Derzeit verhandeln die westlichen Regierungen mit der Opposition, Zardari traf sich vergangene Woche mit US-Politikern und Sharif mit Repräsentanten verschiedener EU-Staaten.

Doch so gerne die Opposition Musharraf loswerden möchte, letztlich ist ihre derzeitige Koalition nur eine Zweckallianz gegen den Präsidenten, die schnell zerfallen könnte, wenn er tatsächlich zurücktritt oder abgesetzt wird. Die PPP betrachtet Sharifs Aufforderung an Abgeordnete der PML-Q, zur "Mutterpartei" zurückzukehren, mit Misstrauen. Selbst wenn die Koalition eine Weile halten sollte, dürfte die Popularität von PPP und PML-N bald wieder sinken, denn es ist unwahrscheinlich, dass ihre führenden Politiker nun plötzlich der Korruption entsagen werden.

 

Quellen

Der Beitrag erschien im Original am 28. Februar 2008 in der Wochenzeitung Jungle World 09/2008.

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