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Ein Vierteljahrhundert dauert nun der Bürgerkrieg in Sri Lanka an. 1983 begannen die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) den bewaffneten Kampf; die Guerilla sah und sieht sich als Vertretung der tamilischen Minderheit, die von singhalesischen Regierungen diskriminiert wird. Bereits mehrmals geriet die LTTE in die Defensive, auch derzeit wird die Guerilla zurückgedrängt. Die Tiger erlitten in den vergangenen Monaten große Geländeverluste, und die stark hierarchisch gegliederte Organisation hat wichtige Führungsmitglieder verloren. S. P. Thamilselvan, der Leiter des "politischen Flügels" der LTTE, starb bei einem Bombenangriff der Luftwaffe Anfang November 2007. Colonel Charles, der Geheimdienstchef der Guerilla, wurde von einer Spezialeinheit der Armee bei einem Minenattentat Anfang des Jahres getötet.
Des einen Freiheitskämpfer sind des anderen Terroristen – dies gilt insbesondere auch für die LTTE. Immer wieder gelang es den Befreiungstigern mit Minenanschlägen und Selbstmordattentaten, die auffällig häufig von Frauen begangen wurden, Vertreter des Staats und noch mehr Unbeteiligte zu ermorden. Die LTTE hat einen martialischen Kult um ihre so genannten Black Tigers aufgebaut, eine Eliteeinheit von Selbstmordattentätern, die nach ihrem Tod als "Märtyrer" verehrt werden. Sie trugen den Konflikt wiederholt in die Hauptstadt Colombo und die eher ruhigen Landesteile.
Doch auf Seiten der Regierung bedienen sich insbesondere paramilitärische Gruppen ebenfalls terroristischer Mittel, um sich missliebiger Personen zu entledigen oder häufig einfach nur um die tamilische Bevölkerung in umstrittenen Gebieten einzuschüchtern. Es herrscht eine Kultur der Gewalt, die Angst eines Großteils der Bevölkerung begünstigt jene, die sich als Schützer der jeweiligen Gruppeninteressen aufspielen.
Rund 80.000 Menschenleben hat der Bürgerkrieg bislang gefordert. Hunderttausende wurden in seinem Verlauf immer wieder zur Flucht gezwungen. Seit dem Jahr 2002 galt ein Waffenstillstand in dem südasiatischen Inselstaat. Doch die Friedensverhandlungen gerieten aufgrund der Unnachgiebigkeit beider Konfliktparteien und der Verletzungen der Waffenstillstandsvereinbarungen ins Stocken, im April 2006 wurden sie abgebrochen. Seitdem eskaliert die Gewalt. Am Waffenstillstand hielten beide Seiten formal fest, doch dies hat nun ein Ende. Am 2. Januar 2008 kündigte die Regierung in Colombo das Abkommen auf, binnen einer Frist von 14 Tagen mussten die letzten Vertreter der ehemals pan-skandinavischen Beobachtermission (Sri Lanka Monitoring Mission – SLMM) das Land verlassen.
Regierung und Militär Sri Lankas geben sich siegesgewiss. Armeechef Sarath Fonseka kündigte in einem Interview mit dem Sunday Observer an, das Militär werde die LTTE, deren Stärke er noch auf 3.000 Männer und Frauen schätzt, "bis zum August wegfegen". Die LTTE sei militärisch weitestgehend geschwächt und auf dem Rückzug; in den nächsten Monaten dürfe sich ein Sieg schnell erzielen lassen. Der Krieg sei in seiner finalen Phase. In Leserbriefen wird nun irrwitzigerweise darüber debattiert, ob die von Fonseka angekündigte Todesrate von "mindestens zehn toten Tigern pro Tag" nicht zu gering sei, 30 müssten es durchschnittlich schon sein.
Seit Beginn der Militäroffensiven mit dem offiziellen Ablauf der Waffenstillstandsfrist am 16. Januar starben täglich mindestens mehrere Dutzend Menschen, mehrheitlich Zivilisten, die zwischen die Fronten oder in Bombardements gerieten oder bei Anschlägen ihr Leben verloren. Die bisherige Taktik der LTTE verspricht einen langen Krieg. Die Guerilla, die Gebiete im Norden des Landes kontrolliert, will anscheinend den Konflikt durch Anschläge in den Süden tragen. Das könnte die Sicherheitskräfte dort im Antiguerillakampf binden, sodass sie nicht im Norden als Verstärkung eingesetzt werden können. Eine Strategie, unter der vor allem die Zivilbevölkerung leidet.
Je länger der Krieg dauert, desto mehr wird er kosten. Sri Lanka hat in den vergangenen Jahren auf den internationalen Rüstungsmärkten eingekauft. Die Militärausgaben belasten den Haushalt exorbitant, die Staatsverschuldung ist immens, die Inflationsrate ist erheblich gestiegen und an der Börse in Colombo sinken seit längerem die Kurse. Der Wiederaufbau nach dem verheerenden Tsunami von 2004 stockt, internationales Hilfsgeld wird wegen des Konflikts nicht ausgezahlt. Die Aussicht auf eine "Friedensdividende" hat auf Seiten der Hardliner nichts bewirken können.
Der Bürgerkrieg wirkt sich auf viele Bereiche des täglichen Lebens aus. Direkt betrifft das Fragen der Sicherheit, denn nun müssen die Menschen in Warteschlangen, auf Märkten und in Bussen jederzeit mit Attentaten rechnen. Indirekt sind jedoch fast alle Lebensbereiche betroffen. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung in den mehrheitlich singhalesischen Gebieten wächst.
Bei einer Bombenexplosion in einem Bus starben Mitte Januar in Buttala 23 Menschen, unter ihnen mehrere Schulkinder. Innerhalb weniger Tage folgten weitere Anschläge und forderten zahlreiche weitere Opfer. Der Terror hat derweil auch die Hauptstadt Colombo erreicht, wo sich am 3. Februar, einen Tag vor den Feiern zum 60. Jahrestag der Unabhängigkeit Sri Lankas, eine Attentäterin auf einem Bahnsteig inmitten einer Menschenmenge in die Luft sprengte.
Präsident Mahinda Rajapakse und die Regierungskoalition um die SLFP (Sri Lanka Freedom Party) waren in den vergangenen Monaten dem konstanten Druck der singhalesisch-nationalistischen Parteien ausgesetzt, die jeden Kompromiss mit der LTTE ablehnen. Die vorrangig im Süden der Insel populären Parteien am rechten Rand, die Volksbefreiungsfront (Janatha Vimukthi Peramuna – JVP) und die buddhistischen Mönchspartei JHU (Jathika Hela Urumaya – Partei des Nationalen Erbes), liefen Sturm gegen die von Korruption und Misswirtschaft gebeutelte Regierung, und jeder Anschlag der LTTE begünstigte ihre Propaganda. Die Aufkündigung des Waffenstillstandsabkommens war somit auch ein politischer Befreiungsschlag der Regierung, die hofft, dadurch ihren Rückhalt stärken zu können.
Mit Besorgnis verfolgt die aufstrebende Regionalmacht Indien die neuesten Entwicklungen. Am Ende könnte sie sich ähnlich wie im Jahr 1987 zum Eingreifen gezwungen sehen. Damals allerdings war die Peace Keeping Mission gründlich daneben gegangen, die mehr als 40.000 indischen Soldaten konnten die Guerillagebiete nicht unter Kontrolle bringen und zogen nach drei Jahren wieder ab. Die internationale Gemeinschaft hat dem Konflikt in Sri Lanka in den vergangenen Jahren wenig Aufmerksamkeit geschenkt, das könnte sich nun rächen. Selbstbewusst weist die Regierung in Colombo jede Einmischung von außen zurück, von ausländischen Entwicklungsfonds unterstützte Friedensnetzwerke und Organisationen, die sich um Konfliktlösungen bemühen, werden in ihrer Arbeit zum Teil stark behindert und ihre ausländischen Mitarbeiter ausgewiesen.
Der von der Regierung angestrebte Weg, nun erst mal den Krieg gegen die LTTE zu gewinnen und den Tamilen danach eine politische Lösung des Konflikts anzubieten, ist unrealistisch. Am Donnerstag der vergangenen Woche stellte das von der Regierung initiierte "All-Parteien-Komitee" nach zweijähriger Arbeit seine Liste politischer Reformempfehlungen vor, die unter anderem die Stärkung von Regionalvertretungen vorsehen. Doch zahlreiche Oppositionsparteien blieben dem Komitee fern, an dem überdies Vertreter der größten tamilischen Partei TNA (Tamil National Alliance) nicht beteiligt worden waren.
Je länger der Bürgerkrieg andauert, desto mehr werden Kriegseuphorie und Siegesgewissheit wieder der Frustration weichen. Optimisten hoffen darauf, dass sich dann wieder ein Friedens- und Verhandlungswille verbreiten wird. Wahrscheinlicher erscheint jedoch derzeit leider eine weitere Eskalation der Gewalt.
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