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Wer hat die Wahlen gewonnen? Die Volkspartei (Pakistan People's Party, PPP) von Asif Ali Zardari, Benazir Bhuttos Witwer, hat in der Nationalversammlung mit 86 Mandaten die Nase vor der Muslim League (PML-N) von Nawaz Sharif mit 64 Sitzen, aber im ebenfalls gewählten Parlament der bei weitem größten Provinz Punjab führt umgekehrt Nawaz mit 102 zu 76 Sitzen. Die beiden Wahlsieger, Zardari und Sharif, sind jene Politiker, die vor zehn Jahren schamloser als alle anderen die Staatskasse ausgeplündert haben, so dass 1999 nur der Militärputsch das Land vor dem finanziellen Zusammenbruch retten konnte.
Ihre beiden Parteien hatten sich nach heftigen Auseinandersetzungen mehrfach an der Macht abgelöst, aber jetzt wollen sie zunächst gemeinsam den Präsidenten des Landes absetzen, den General Musharraf, der den Putsch angeführt hatte, um Zardari und Sharif die Wahl zwischen Exil und Gefängnis zu lassen. Der Präsident kann nur mit der Zweidrittelmehrheit des Parlaments abgewählt werden, und die haben PPP und PML-N wohl nicht ganz erreicht, aber zur pakistanischen Demokratie zählen auch "schon immer" die vielen unabhängigen Abgeordneten, d.h. jene unter den gewählten Großgrundbesitzern, die erst nach den Wahlen entscheiden, welches Lager ihnen am meisten nützt. Eine ganz große Koalition dürfte also in den nächsten Monaten jenen Präsidenten entfernen, der so schlecht in die pakistanische Politik passt und dessen Anhänger, die PML-Q mit 40 und das Muttahida Qaumi Movement (MQM) mit 19 Sitzen nur auf dem dritten Rang gelandet sind. Ist man erst einmal Musharraf los, dürften seine Gefolgsleute von Fall zu Fall in einer der beiden Siegerparteien unterkommen, denn die meisten Parlamentarier haben schon einmal die Partei gewechselt. Sind die Fronten einmal klar, kann der Alltag der 1990er Jahre wieder einsetzen. Der Westen wollte mit Nachruck die Demokratie, jetzt hat er sie.
Warum war der General und Präsident Musharraf so unbeliebt? Warum ließ er sich nicht einmal auf Wahlplakaten blicken? Sicher ist der Brotpreis der erste und wichtigste Grund, obwohl man ihn in Washington und Berlin nicht zur Kenntnis nimmt, weil dort nur Kuchen schmeckt. Die pakistanische Wirtschaft ist in den letzten Jahren enorm gewachsen, aber nicht ganz so enorm wie der Brotpreis, der für 90 Prozent der Bevölkerung wichtiger als jeder andere ist. Diese Menschen erleben den Alltag ohne Wasser- und Stromanschluss, ohne vernünftige Schulen und Krankenhäuser oder die Aussicht, im Alter versorgt zu sein. Sie wählen aus Protest jede amtierende Regierung ab, wenn sie überhaupt zur Wahl gehen. Durch einigermaßen freie Wahlen ist bisher noch nie eine pakistanische Regierung im Amt bestätigt worden. Auch die Diktatoren konnten sich nie länger als ein Jahrzehnt im Amt halten.
Der zweite Grund ist das Bündnis mit den USA. Natürlich sind auch die beiden Wahlgewinner für diese Bindung und für den gemeinsamen Kampf gegen die Terroristen, aber Musharraf hat diese Kampagne eingeleitet und George W. Bush – nach einigem Zögern und ohne wirkliche Alternativen – Beistand versprochen. Diese öffentliche Aussage gegen die muslimischen Brüder zählt bei den Wählenden mehr als alles andere. Wild gewordene Mullahs sind überall unbeliebt, aber man sollte sie allein in den Griff bekommen können. Musharraf hat sicher auch taktische Fehler begangen. Als Militärdiktator hat er einen unbedeutenden Juristen zum obersten Bundesrichter ernannt in der Annahme, dieser würde sich für die außergewöhnliche Beförderung erkenntlich zeigen und den General als Präsidenten bestätigen. Dies aber unterließ der Richter. Er wurde deshalb über Nacht zum Volkshelden und fand bald Gefallen an den vielen Versammlungen und Ehrungen, bis ihn der Staatschef unter Hausarrest stellte.
Vor allem aber hat Musharraf die Grundregeln der pakistanischen Politik missachtet, nach denen sich die Machthaber die Taschen füllen und gleichzeitig darauf achten, dass auch ihre vielen Gefolgsleute Gelegenheit erhalten, ihrerseits, wenn auch proportional abgestimmt, ihre Taschen ein wenig fülliger zu gestalten. Dagegen bleibt seine Hüftpartie schlank, und seine Anhänger zieht es in andere Lager. Pakistanische Parteien kennen intern weder Wahlen noch beitragszahlende Mitglieder. Sie organisieren sich wie die Mafia, nicht wie Vertretungen bürgerlicher Interessen. Am 18. Februar haben die Volkspartei und PML-N die Wahlen für sich entschieden, weil sie vor Ort, in jedem Dorf und jedem Viertel der Megametropolen oder in jeder Kreisstadt ihre "Paten" postiert haben, die sichere Pfründe erwarten und auch ihren Anhängern versprechen. Das Mehrheitswahlrecht macht die Lokalfürsten unumgänglich. Musharraf dagegen hat den Frauenanteil im Parlament – wie im Staatsdienst allgemein – mehr als verdoppelt. Abgeordnete müssen jetzt erstmals Abitur haben, und die Koordinatoren jeder Kommunalverwaltung werden gewählt und nicht ernannt wie früher. All diese technischen Eingriffe haben die Parteien verunsichert und die vertrauten Kanäle der Patronage hin und wieder verstopft. Mit der "Rückkehr zur Demokratie" wird die Macht wieder uneingeschränkt an die lokalen Großgrundbesitzer gehen, die unvorstellbar reichen Fürsten (Mir) und Heiligen (Pir), die schon immer das pakistanische Volk nach Wahlen repräsentieren durften. Nur eine Revolution könnte sie entfernen.
Versinkt das Land jetzt im Chaos der korrupten Politiker? Die Zukunft wird sicher nicht so dramatisch, weil die Armee ihren Einfluss behält. Tatsächlich haben die Streitkräfte das Heft seit 1958 niemals wirklich aus der Hand gegeben. In den letzten zwanzig Jahren ließen sich in der Generalität zwei politische Varianten ausmachen. Die erste überließ Politikern wie Zardari oder Sharif die offene Bühne des Geschehens – und damit die Einnahmen und die leiblichen Gefahren einer Politikerexistenz – um hinter der Bühne über den "Nationalen Verteidigungsrat" und ähnliche Institutionen die eigentliche Macht in der Außen- Verteidigungs- und Wirtschaftspolitik zu behalten. Der Stabschef General Mirza Aslam Baig stand z.B. als "graue Eminenz" hinter Politikern wie Benazir Bhutto oder Nawaz Sharif. Die zweite Variante, vertreten durch Musharraf, suchte national wie international klare und transparente Weisungsverhältnisse, um die durch korrupte Politiker besiegelte Stagnation des Landes zu überwinden und das verheerende internationale Ansehen zu verbessern. Aber weil sich Musharraf weder selbst bereicherte, noch ein landesweit operierendes Netz der Bereicherung zulassen wollte, ist er nun am Ende. Die wunderbare Verbindung von westlichen Demokratieforderungen und dem Geist der Patronage wird die nächsten Jahren bestimmen, bevor die üblichen Ärgerlichkeiten den üblichen Ruf nach einem "starken Mann" auslösen.
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Was heißt Demokratie in Pakistan?