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30. Januar 2008. Kommentare: Indien - Politik & Recht Wer lässt wen im Stich?

Bewährungsprobe für demokratische Werte

Die jüngsten Demonstrationen in Burma sind eine erneute Bewährungsprobe für demokratische Werte in einer Welt, die zumindest in politischer Hinsicht größtenteils demokratisch ist.

Ebenso wie der Kampf der Werte auf den blutigen Straßen in Teilen Burmas sichtbar war, beschloss die benachbarte "größte Demokratie der Welt", die gleichzeitig ein strategischer Partner des Landes ist, eben jene Werte, die es tendenziell vertritt, aufs Spiel zu setzen. Der Rest der Welt – insbesondere die USA und Europa – tat kaum mehr als diplomatische Statements abzugeben und Indien und China zu drängen, entschieden vorzugehen.

Gefangen zwischen Idealismus und Realität

Die Krise veranschaulicht einmal mehr die neue Weltordnung nach Ende des Kalten Krieges. Die USA und die EU, die beide kaum ein bzw. gar kein wirtschaftliches und strategisches Interesse an Burma haben, haben sich wenig darum gekümmert, Kräfte gegen das Gewaltregime zu bündeln. China, Indien und die ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) forderten die Junta hingegen auf, mit den Protestierenden friedlich umzugehen und verurteilten die Morde aufs Schärfste. Vor dem Hintergrund ihrer bedeutenden wirtschaftlichen und strategischen Beteiligungen in dem Unruhestaat, konnten sie nicht mehr tun. Indien mit seinem angeblichen Einfluss auf das Militärregime ist gefangen zwischen Idealismus und Realität.

Die zurückhaltende Reaktion der indischen Regierung auf das brutale Vorgehen gegen die für Demokratie eintretenden Demonstranten in Burma hat Kritik von verschiedenen Seiten, auch von Indern selbst, hervorgerufen. Die indische Regierung veröffentlichte ein sorgsam durchdachtes Statement, das einen nationalen Aussöhnungsprozess und breite, alle Gruppen einbeziehende Reformen anmahnte. Kritiker argumentieren, dass Indiens vorsichtiges Vorgehen hauptsächlich dazu diene, seine wirtschaftlichen Interessen in dem von Militärs regierten Staat zu sichern. Trotzdem wird Indien in nächster Zeit kaum seine Zusammenarbeit mit der Junta wegen größerer nationaler Interessen aufgeben.

Die politische Strategie der indischen Regierung, weiterhin mit Rangun verbunden zu sein, erklärt sich durch die Kombination dreier Sicherheits- und Wirtschaftsfaktoren. Erstens: Chinas wachsender Einfluss in Burma. Die chinesische Regierung hat sich die meisten großen Öl-, Gas- sowie Infrastrukturprojekte gesichert, wodurch Indien teilweise ins Hintertreffen geriet. Zweitens: Der Einfluss des Militärregimes auf Gruppen indischer Aufständischer an der Grenze zu Indiens Nordosten; und drittens der wichtigste Punkt: Die riesigen Öl- und Gasvorkommen Burmas sind entscheidend für Indiens Energiesicherheit.

Die völlige Umkehr in der Burma Politik

Das politische Abwägen dieser Faktoren begründet ein unmittelbares Ende der Unterstützung der demokratischen Bewegung in Burma. Jegliche explizite Rückendeckung der Opposition in Burma würde zu einer Unterstützung der aufständischen Gruppen von Seiten der Junta im Nordosten Indiens führen. Damit ist dies eine Frage der nationalen Sicherheit. Bis zu Beginn der 1990er Jahre verfolgte Indien gegenüber Burma eine pro-demokratische Politik, die ihm nichts weiter als Aufstände einbrachte. Dies führte zu einer völligen politischen Umkehr und zur gegenwärtigen Unterstützung des Militärregimes. Während Indien sich nach einem anderen praktischen Weg umsieht, die Demokratiebewegung in Burma zu unterstützen, wird die gegenwärtige Haltung von Sicherheits- und Diplomatieexperten als ziemlich ausgewogen angesehen. Indien behauptet, sich dazu verpflichtet zu fühlen, die Junta zu demokratischen Reformen zu bewegen, ohne dabei die Verbindung abreißen zu lassen.
Selbst wenn Indien eine vollständige politische Kehrtwendung vollziehen und die demokratische Erhebung unterstützen würde, brächte dies kaum Beeinträchtigungen für die Junta mit sich. Eine solche Kehrtwende würde höchstwahrscheinlich nur die Beziehungen der beiden Staaten belasten und regionale Konflikte erhöhen. Indien hat wenig Einfluss auf die Junta: Die indische Politik wird nur an seiner wirtschaftlichen und militärtechnischen Unterstützung gemessen. Darüber hinaus ist Indiens machtpolitischer Einfluss bei Weitem nicht mit dem von China vergleichbar.

Es ist die Aufgabe der Verfechter der Demokratie – den USA und der EU – zu demonstrieren, dass sie hinter diesen Werten stehen. Da dieser südostasiatische Staat nur von geringer bzw. gar keiner strategischen Bedeutung für sie ist, scheint es unwahrscheinlich, dass eine globale Partizipation an diesen "internen" Angelegenheiten Burmas zu Stande kommt.

Die USA und die EU werden sich deshalb nicht stark engagieren. Sie verschwenden bislang Zeit damit, auf China einzureden. China bekommt jedoch durch Burma besseren Zugang zum Indischen Ozean, statt Waren via Shanghai verschiffen zu müssen, und es konnte bereits riesige Ölressourcen abgreifen. Die chinesischen Militärinteressen schließen einen Lauschposten auf den Coco Islands, die zu Burma gehören, ein und es gibt Gerüchte, dass es dort weitere Militäranlagen geben soll. Die militärischen Ambitionen Chinas im Indischen Ozean verunsichern Indien.

Neue Sanktionen wären ein Fehler

Ein weiterer Fehler wäre es, erneut Sanktionen zu verhängen, wie kürzlich von Präsident Bush vorgeschlagen (kurz nach Redaktionsschluss waren sie bereits verhängt. Anm. der Redaktion). Westliche Sanktionen würden Burma weiter isolieren und es noch mehr in Chinas Richtung drängen. Sanktionen haben noch nie Wirkung bei Militärregimes gezeigt. Solche Regimes bevorzugen interne Macht und internationale Isolation, selbst wenn diese Politik das Land und dessen Bewohner an den Rand eines faktischen Zusammenbruchs bringt.

Anders als in der Nordkoreakrise ist von China keine positive Einflussnahme zu erwarten. Es hat dadurch mehr zu verlieren, als zu gewinnen. Es könnte nicht nur die Energiekontrolle und seinen militärischen Einfluss in der Region verlieren, sondern auch Burma an Indien. Im Grunde genommen war der Rückgang des japanischen Einflusses auf die Junta 1988 ein Gewinn für China.

Diese Situation macht es erforderlich, dass sich die USA und die EU mit Indien und der ASEAN in Form einer "demokratischen Allianz" zusammentun. Ein undemokratisches Regime in Burma ist von diesen Staaten am wenigstens erwünscht. Jedoch scheinen die strategischen Kosten zu überwiegen. Um dieses Verhältnis umzukehren, muss der Westen mehr Zeit für Verhandlungen mit Indien und der ASEAN aufwenden. Und diese Arbeit muss aus mehr als der üblichen Rhetorik bestehen. Ein demokratisches Burma würde am Ende nicht nur seinen direkten Nachbarn, sondern auch dem Westen zugute kommen.

Die Lösung der Krise in Burma liegt in einer wahrhaften Zurschaustellung des Bekenntnisses zu demokratischen Werten durch die USA, die EU, die ASEAN und Indien. Es gibt keine verfügbaren Lösungen. Dennoch werden diese demokratischen Einrichtungen vertretbare Lösungen entwickeln müssen, die dann schlussendlich zur Entstehung demokratischer Systeme und Prozesse führen. Das wird nicht nur den Einwohnern von Burma Gerechtigkeit bringen, sondern auch wieder den Glauben an die demokratischen Werte stärken, für die unser Land steht.

 

(Der Beitrag ist Bestandteil der in einer Kooperation des Südasien-Informationsnetz mit der südostasien-Informationsstelle am Asienhaus Essen erschienen Ausgabe der Zeitschrift südostasien 4/2007)

 

Dieser Beitrag gehört zum Schwerpunkt: Südasien und Südostasien .

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