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Ebenso wie der Kampf der Werte auf den blutigen Straßen in Teilen
Burmas sichtbar war, beschloss die benachbarte "größte Demokratie der
Welt", die gleichzeitig ein strategischer Partner des Landes ist, eben
jene Werte, die es tendenziell vertritt, aufs Spiel zu setzen. Der Rest
der Welt – insbesondere die USA und Europa – tat kaum mehr als
diplomatische Statements abzugeben und Indien und China zu drängen,
entschieden vorzugehen.
Die Krise veranschaulicht einmal mehr die neue Weltordnung nach Ende
des Kalten Krieges. Die USA und die EU, die beide kaum ein bzw. gar
kein wirtschaftliches und strategisches Interesse an Burma haben, haben
sich wenig darum gekümmert, Kräfte gegen das Gewaltregime zu bündeln.
China, Indien und die ASEAN (Association of Southeast Asian Nations)
forderten die Junta hingegen auf, mit den Protestierenden friedlich
umzugehen und verurteilten die Morde aufs Schärfste. Vor dem
Hintergrund ihrer bedeutenden wirtschaftlichen und strategischen
Beteiligungen in dem Unruhestaat, konnten sie nicht mehr tun. Indien
mit seinem angeblichen Einfluss auf das Militärregime ist gefangen
zwischen Idealismus und Realität.
Die zurückhaltende Reaktion der indischen Regierung auf das brutale
Vorgehen gegen die für Demokratie eintretenden Demonstranten in Burma
hat Kritik von verschiedenen Seiten, auch von Indern selbst,
hervorgerufen. Die indische Regierung veröffentlichte ein sorgsam
durchdachtes Statement, das einen nationalen Aussöhnungsprozess und
breite, alle Gruppen einbeziehende Reformen anmahnte. Kritiker
argumentieren, dass Indiens vorsichtiges Vorgehen hauptsächlich dazu
diene, seine wirtschaftlichen Interessen in dem von Militärs regierten
Staat zu sichern. Trotzdem wird Indien in nächster Zeit kaum seine
Zusammenarbeit mit der Junta wegen größerer nationaler Interessen
aufgeben.
Die politische Strategie der indischen Regierung, weiterhin mit Rangun verbunden zu sein, erklärt sich durch die Kombination dreier Sicherheits- und Wirtschaftsfaktoren. Erstens: Chinas wachsender Einfluss in Burma. Die chinesische Regierung hat sich die meisten großen Öl-, Gas- sowie Infrastrukturprojekte gesichert, wodurch Indien teilweise ins Hintertreffen geriet. Zweitens: Der Einfluss des Militärregimes auf Gruppen indischer Aufständischer an der Grenze zu Indiens Nordosten; und drittens der wichtigste Punkt: Die riesigen Öl- und Gasvorkommen Burmas sind entscheidend für Indiens Energiesicherheit.
Das politische Abwägen dieser Faktoren begründet ein unmittelbares
Ende der Unterstützung der demokratischen Bewegung in Burma. Jegliche
explizite Rückendeckung der Opposition in Burma würde zu einer
Unterstützung der aufständischen Gruppen von Seiten der Junta im
Nordosten Indiens führen. Damit ist dies eine Frage der nationalen
Sicherheit. Bis zu Beginn der 1990er Jahre verfolgte Indien gegenüber
Burma eine pro-demokratische Politik, die ihm nichts weiter als
Aufstände einbrachte. Dies führte zu einer völligen politischen Umkehr
und zur gegenwärtigen Unterstützung des Militärregimes. Während Indien
sich nach einem anderen praktischen Weg umsieht, die Demokratiebewegung
in Burma zu unterstützen, wird die gegenwärtige Haltung von
Sicherheits- und Diplomatieexperten als ziemlich ausgewogen angesehen.
Indien behauptet, sich dazu verpflichtet zu fühlen, die Junta zu
demokratischen Reformen zu bewegen, ohne dabei die Verbindung abreißen
zu lassen.
Selbst wenn Indien eine vollständige politische Kehrtwendung vollziehen
und die demokratische Erhebung unterstützen würde, brächte dies kaum
Beeinträchtigungen für die Junta mit sich. Eine solche Kehrtwende würde
höchstwahrscheinlich nur die Beziehungen der beiden Staaten belasten
und regionale Konflikte erhöhen. Indien hat wenig Einfluss auf die
Junta: Die indische Politik wird nur an seiner wirtschaftlichen und
militärtechnischen Unterstützung gemessen. Darüber hinaus ist Indiens
machtpolitischer Einfluss bei Weitem nicht mit dem von China
vergleichbar.
Es ist die Aufgabe der Verfechter der Demokratie – den USA und der EU –
zu demonstrieren, dass sie hinter diesen Werten stehen. Da dieser
südostasiatische Staat nur von geringer bzw. gar keiner strategischen
Bedeutung für sie ist, scheint es unwahrscheinlich, dass eine globale
Partizipation an diesen "internen" Angelegenheiten Burmas zu Stande
kommt.
Die USA und die EU werden sich deshalb nicht stark engagieren. Sie
verschwenden bislang Zeit damit, auf China einzureden. China bekommt
jedoch durch Burma besseren Zugang zum Indischen Ozean, statt Waren via
Shanghai verschiffen zu müssen, und es konnte bereits riesige
Ölressourcen abgreifen. Die chinesischen Militärinteressen schließen
einen Lauschposten auf den Coco Islands, die zu Burma gehören, ein und
es gibt Gerüchte, dass es dort weitere Militäranlagen geben soll. Die
militärischen Ambitionen Chinas im Indischen Ozean verunsichern Indien.
Ein weiterer Fehler wäre es, erneut Sanktionen zu verhängen, wie
kürzlich von Präsident Bush vorgeschlagen (kurz nach Redaktionsschluss
waren sie bereits verhängt. Anm. der Redaktion). Westliche Sanktionen
würden Burma weiter isolieren und es noch mehr in Chinas Richtung
drängen. Sanktionen haben noch nie Wirkung bei Militärregimes gezeigt.
Solche Regimes bevorzugen interne Macht und internationale Isolation,
selbst wenn diese Politik das Land und dessen Bewohner an den Rand
eines faktischen Zusammenbruchs bringt.
Anders als in der Nordkoreakrise ist von China keine positive
Einflussnahme zu erwarten. Es hat dadurch mehr zu verlieren, als zu
gewinnen. Es könnte nicht nur die Energiekontrolle und seinen
militärischen Einfluss in der Region verlieren, sondern auch Burma an
Indien. Im Grunde genommen war der Rückgang des japanischen Einflusses
auf die Junta 1988 ein Gewinn für China.
Diese Situation macht es erforderlich, dass sich die USA und die EU mit
Indien und der ASEAN in Form einer "demokratischen Allianz"
zusammentun. Ein undemokratisches Regime in Burma ist von diesen
Staaten am wenigstens erwünscht. Jedoch scheinen die strategischen
Kosten zu überwiegen. Um dieses Verhältnis umzukehren, muss der Westen
mehr Zeit für Verhandlungen mit Indien und der ASEAN aufwenden. Und
diese Arbeit muss aus mehr als der üblichen Rhetorik bestehen. Ein
demokratisches Burma würde am Ende nicht nur seinen direkten Nachbarn,
sondern auch dem Westen zugute kommen.
Die Lösung der Krise in Burma liegt in einer wahrhaften Zurschaustellung des Bekenntnisses zu demokratischen Werten durch die USA, die EU, die ASEAN und Indien. Es gibt keine verfügbaren Lösungen. Dennoch werden diese demokratischen Einrichtungen vertretbare Lösungen entwickeln müssen, die dann schlussendlich zur Entstehung demokratischer Systeme und Prozesse führen. Das wird nicht nur den Einwohnern von Burma Gerechtigkeit bringen, sondern auch wieder den Glauben an die demokratischen Werte stärken, für die unser Land steht.
(Der Beitrag ist Bestandteil der in einer Kooperation des
Südasien-Informationsnetz mit der südostasien-Informationsstelle am
Asienhaus Essen erschienen Ausgabe der Zeitschrift südostasien 4/2007)
Dieser Beitrag gehört zum Schwerpunkt: Südasien und Südostasien .
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