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20. Juli 2001. Analysen: Geschichte & Religion - Südasien Der Islam

Eine Einführung

Das Wort "Islam" ist arabischer Herkunft und wird im theologischen Sprachgebrauch als "Hingabe" oder "Ergebung" an Gott verstanden. Islam ist die Bezeichnung für die jüngste der monotheistischen Weltreligionen, dessen Anhänger (heute etwa 1,2 Mrd.) sich Muslime nennen. Grundlegend für jeden Muslim ist der bedingungslose Glaube an die Einzigartigkeit Allâhs [«Gott»], der erhaben und mächtig, aber auch milde und barmherzig ist.

Wichtigste Grundlage dieser von Muhammad zwischen 610 und 632 in Mekka und Medina gestifteten Religion ist der Koran [«Rezitation»]. In ihm enthalten sind die heiligen Worte Allâhs unverfälscht und auf Arabisch wie er sie dem Propheten Mohammad offenbarte. Die einzige Sünde, die Allâh nicht vergibt, ist dem Islam zufolge die Vielgötterei [arab. schirk «Beigesellung»]. Die islamische Lehre nach dem Koran zeichnet sich durch strikten Monotheismus aus und besagt, dass alleine Allâh der Schöpfer und Erhalter aller Dinge ist. Der Islam betrachtet sich als Vollendung des Christen- und Judentums und gründet sich auf die Lehren des Koran, das Vorbild des Propheten [Sunna] und die heiligen Überlieferungen [Hadith].

Juden und Christen genießen den Sonderstatus der Schriftbesitzer, die nach islamischem Recht gegen Zahlung einer Sondersteuer ihre Religion auch unter muslimischer Herrschaft beibehalten dürfen, da diese Vorgängerreligionen nach koranischer Auffassung durch von Propheten überbrachte echte Offenbarungsbücher begründet wurden. Nach koranischer Darstellung wurde der Inhalt ihrer heiligen Schriften jedoch nachträglich verfälscht. In vielen muslimisch regierten Ländern mit andersgläubiger Mehrheit erhielten auch Anhänger einer Religion ohne schriftliche Offenbarung - wie etwa die Hindus in einigen Sultanaten Indiens - diesen Sonderstatus.

Obwohl der Islam weder Sakramente noch eine Priesterweihe oder Konzile kennt und ihm die Dreifaltigkeit in Erinnerung an die Vielgötterei verdächtig ist, hat er mit dem Judentum und dem Christentum viel gemein. Die direkte Verbindung erkennt man darin, dass Muslime sämtliche Propheten der Vorgängerreligionen anerkennen. Abraham war dem Koran zufolge bereits Muslim, also betrachtete sich Muhammad nicht als Verkünder einer neuen Religion, sondern als Wiederhersteller der Religion Abrahams. Muhammad sei der Bestätiger aller früheren Offenbarungen, der "Siegel der Propheten" und gleichzeitig der Überbringer der letztgültigen und damit fortan für alle Menschen verbindlichen Offenbarung. Die Gesamtheit der gottgewollten Verhaltensweisen, die in erster Linie aus dem Koran und der Prophetentradition entnommen wurden, ist als kanonisches Recht [Scharia] niedergelegt worden.

Die Religionsausübung tendiert im Islam mehr zur Öffentlichkeit als zum Rückzug in die Innerlichkeit und ist zumeist stark auf die Gemeinschaft der Gläubigen bezogen. Nach langen theologischen Auseinandersetzungen im 8. - 11. Jh. (Ascharariten, Mutasiliten) steht die Vorherbestimmung des menschlichen Schicksals [kismet], die "Unerschaffenheit" des Koran als Gottes ewiges Wort, Belohnung und Bestrafung der Menschen in Himmel und Hölle fest. Jeder Muslim hat fünf grundsätzliche Pflichten im kultischen Bereich. Diese fünf Pfeiler des Islam [arkân; sing. rukn] beruhen auf einem Ausspruch des Propheten und beinhalten das Glaubensbekenntnis [schahâda], das tägliche fünfmalige Pflichtgebet [salât], das Fasten im Monat Ramadan [saum], die Errichtung der Almosensteuer [zakât] und die Pilgerfahrt nach Mekka [haddsch].

Der Religionsstifter Muhammad

Muhammad wurde um 570 n. Chr. in Mekka geboren. Früh verwaist kam er in die Obhut seines Großvaters ‘Abd al-Muttalib und kurz darauf, nach dessen Tod, in die seines Onkels Abû Tâlib. Mit 25 heiratete Muhammad die reiche, wesentlich ältere Kaufmannswitwe Chadîdscha, als deren Sachverwalter er schon Handelsreisen nach Nordarabien unternommen hatte. Auf seinen Reisen kam er immer wieder mit Juden, Christen und Hanîfen [«die Aufrechten»] in Kontakt, was sein Interesse an religiösen Fragen weckte.

Muhammad zog sich öfters zur Meditation in eine Höhle auf dem Berg Hîra in der Nähe Mekkas zurück, wo ihn 610 eine Vision des Engel Gabriel überkam. In der späteren Sure 96 des Koran wird der Auftrag iqra‘ [«lies, rezitiere»] des Engels festgehalten woraufhin Muhammad zu predigen begann. Anfangs nahm man in Mekka Muhammads Verkündungen mit Gleichgültigkeit hin. Als er jedoch die moralische Verderbtheit der Mekkaner immer stärker anprangerte und sich gegen ihre Gottheiten aussprach, empfanden sie ihn zunehmend als Gefahr für die herrschende religiöse und wirtschaftliche Ordnung. Als im Jahre 619 seine Frau und sein Onkel, die stets für seinen Schutz durch die Sippe gesorgt hatten, nacheinander starben, wurde die Lage für den Propheten kritisch. Also nahm er drei Jahre später eine Einladung von Gesandten aus Yathrib bereitwillig an und wandert in den 400 km nördlich gelegenen Ort, das künftige Medina [von madînat an-nabî, «Stadt des Propheten»].

Mit dieser Auswanderung [hidschra] begannen die Muslime ihre Zeitrechnung, denn hier vollzog sich eine entscheidende Entwicklung der Grundgedanken Muhammads. In Medina war er erfolgreicher, da sich hier mehr Leute seiner Lehre annahmen und er Stadtoberhaupt wurde. Die koranischen Rechtsvorschriften (die Scharia umfasst auch implizite, der sunna entnommene, Regeln) verkündete er von dieser Position aus und stellte auch die Gebetsrichtung [kibla] der Gläubigen von Jerusalem nach Mekka um. Mekka wurde 630 von einem Heer unter seiner Führung erobert. Schon bis zu seinem Tod 632 hatten sich ihm fast alle seßhaften Bewohner und Beduinenstämme der Arabischen Halbinsel unterstellt.

Die ersten Kalifen

Da der Prophet weder Söhne hatte noch Nachfolger ernannte, setzten sich seine engsten Vertrauten nach seinem Tod zusammen, um nach altarabischer Sitte den künftigen Leiter der Gemeinde zu wählen. Sie entschieden sich für Abû Bakr, Muhammads Gefolgsmann der ersten Stunde und Vater seiner zweiten Frau ‘Â’ischa. Er war der erste der sogenannten vier Rechtgeleiteten Kalifen [arab. chalîfa, «Nachfolger»], deren Leben und Handeln den Sunniten als in jeder Hinsicht vorbildlich gilt. Unter diesen Kalifen setzte eine Eroberungswelle ein, die den arabischen Muslimen in weniger als zehn Jahren den größten Teil der alten Kulturländer des Nahen Ostens und in weniger als 80 Jahren ein Gebiet vom Indus bis zum Atlantik erschloß.

Der Islam spaltet sich seit 656 in drei Konfessionen. Von ihnen zählen die Sunniten, die ab dem 8./9. Jahrhundert in vier Rechtsschulen [madhab] zerfallen, etwa 92% der Gläubigen. Die Schiiten zählen rund 7,5% der Gläubigen und zerfallen in mehrere Gruppen (z.B. Imanmiten, Saiditen, Assassinen). Die dritte Konfession, die Charidjiten, sind heute fast ausgestorben.

Islam in Südasien

Durch muslimische Eroberer aus dem Nordwesten und durch arabische Händler, die sich schon im siebten Jahrhundert in den Küstengebieten niederließen, kam der Islam auch nach Südasien. Eine bedeutende Rolle bei der Ausbreitung der Religion spielten die Sufi-Orden, deren volkstümliche Glaubenspraktiken auch die Bevölkerung jenseits der höfischen Zentren anzog. Bis heute ist der indische Islam von beiden Strömungen geprägt - der ursprünglich besonders unter städtischen Oberschichten verwurzelte puristische Islam nach arabischem Vorbild und der mystische, auch vom Hinduismus beeinflusste, Volksislam.

Mahmud von Ghazna (998 - 1030) gelangte über die Pässe im Nordosten Afghanistans nach Indien und machte Lahore zum bedeutendsten Vorposten der islamischen Kultur in Indien. Nach ihm gab es eine Reihe muslimischer Fürstentümer, die sich bis nach Ostbengalen und in den Dekkan ausdehnten. 1526 überwand Babur (ein direkter Nachfahre Timurs und Dschingis Khans) schließlich das Sultanat von Delhi und wurde zum Gründer des Moghulreiches, das zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert bestand und die indische Kultur stark beeinflußte und prägte. Berühmte Baudenkmäler wie das Taj Mahal stammen aus dieser Zeit.

Heute bekennt sich die Bevölkerung in Afghanistan, Bangladesch, Pakistan und auf den Malediven zum größten Teil zum sunnitischen Islam. In Indien bilden Muslime mit 12% die größte religiöse Minderheit. In Nepal (3%) und auf Sri Lanka (8%) leben sie in kleineren Minderheiten.

Quelle: spieg

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