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06. Februar 2008. Analysen: Bhutan - Politik & Recht Knospen der Demokratie im Himalaya-Staat Bhutan

Mit der Wahl des Oberhauses ist die erste Runde der Parlamentswahlen abgeschlossen

Kaum bemerkt von der Weltöffentlichkeit haben in Bhutan die ersten allgemeinen und freien Wahlen zum Oberhaus des neuen Parlaments stattgefunden. In zwei Etappen machten 53 Prozent der etwa 312.000 Wahlberechtigten von ihrem neuen Recht Gebrauch und wählten für die nächsten fünf Jahre 20 Vertreter in den Nationalrat (Gyalyong Tshogde).

Alle Kandidaten mussten einen College-Abschluss haben und durften keiner politischen Partei angehören. Die erste Wahlrunde fand am 31. Dezember 2007 statt; in fünf Wahlkreisen konnte erst am 29. Januar gewählt werden. Weitere fünf Mitglieder des 25-köpfigen Rates werden vom König nominiert. Wenn am 24. März 2008 schließlich die 47 Abgeordneten des Unterhauses gewählt werden, ist der Übergang des Königreiches zur parlamentarischen Demokratie vorerst abgeschlossen. Dann dürfen auch Mitglieder der zwei neu gegründeten Parteien kandidieren.

Die Jugend dominiert im Nationalrat

Bereits im Frühjahr 2007 hatte es Übungswahlen gegeben, bei der vier Fantasieparteien mit fiktiven Programmen zur Wahl standen, um die wahlberechtigte Bevölkerung mit diesem für sie neuen Instrument einer Demokratie vertraut zu machen. Mit überwältigender Mehrheit gewonnen hatte damals die Gelbe Partei des Donnerdrachens, die für einen konservativen Kurs stand.

Während der nun abgeschlossenen Wahlen zum Oberhaus hatte die Wahlkommission die Schließung der Grenze nach Indien verfügt, da mit dem Einsickern und einer möglichen Offensive von Kadern der United Liberation Front of Assam (ULFA) und Bodo-Rebellen aus der benachbarten indischen Krisenregion gerechnet worden war.

Die relativ niedrige Wahlbeteiligung wurde mit dem schlechten Wetter erklärt, da im Winter vielen Wählern in entfernten Dörfern der Treck zum nächsten Wahllokal zu lang und mühselig erschienen sei. Für den Urnengang war die nationale Tracht vorgeschrieben. Unter den Kandidaten, viele unter 30 Jahre, befanden sich unter anderem Lehrer, Politologen und auch ein Komödiant, der Politik als Nebenfach studiert hatte. Ihre Wahlversprechen konzentrierten sich auf die wirtschaftliche Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Elf der 15 am 31. Dezember 2007 gewählten Mitglieder des Nationalrates sind jünger als 40 Jahre. Zwei Gewinner sind nur knapp über 20 Jahre alt und frisch vom College. Der älteste Mandatsträger ist 46 Jahre alt. So zeichnet sich ab, dass die Jugend – ganz im Gegensatz zur politischen Gerontokratie im Nachbarland Indien – das neue Parlament dominieren wird. Das Wahlgesetz verfügte, dass die Kandidaten keine Vorstrafen haben durften und ein tadelloses polizeiliches Führungszeugnis vorlegen mussten. Auch dies ein eklatanter Kontrast zu Indien, wo etwa 25 Prozent der gewählten Unterhausabgeordneten diese Voraussetzung nicht erfüllen, von verschiedenen Landesparlamenten ganz zu schweigen.

Von der absoluten Monarchie zur parlamentarischen Demokratie

Das kleine Königreich Bhutan, eingekeilt zwischen den asiatischen Großmächten China und Indien, zählt circa 810.000 Einwohner (Juli 2006) auf einer Fläche von 47.000 Quadratkilometer. Staatsreligion ist der Mahayana Buddhismus in einer lamaistisch-tantrischen Ausrichtung. Die Dynastie von Bhutan blickte 2007 auf ihr 100-jähriges Bestehen zurück, da 1907 Ugyen Wangchuck als erster König mit Erbfolge inthronisiert worden war.

Der Transitionsprozess von einer absoluten Monarchie zu einer parlamentarischen Demokratie begann bereits 1952 mit der Krönung von Jigme Dorji Wangchuck zum dritten König, der als "Architekt des modernen Bhutan" gilt. 1953 rief er die Nationalversammlung (Tshogdu) als Einkammernparlament ins Leben, verzichtete 1968 sogar auf seine Vetomacht gegenüber Gesetzesinitiativen der Versammlung und erklärte sich bereit abzutreten, falls dies von einer Zwei-Drittel-Mehrheit gewünscht würde.

Obwohl die Versammlung seinem Sohn Jigme Singhye Wangchuk nach dessen Thronbesteigung 1972 wieder mehr oder weniger die absolute Macht übertrug, setzte er den Demokratisierungskurs seines Vaters fort. 1998 übertrug er die Regierungsgeschäfte weitgehend einem von der Nationalversammlung gewählten Ministerrat. 2001 folgte die Einrichtung einer verfassungsberatenden Versammlung, die im März 2005 ihren ersten Verfassungsentwurf vorlegte. Nach diversen Änderungen wurde der dritte und letzte Entwurf der Verfassung schließlich im Sommer 2007 beschlossen. Verabschiedet werden soll die Verfassung dann im Laufe dieses Jahres von dem neu gewählten Parlament. Als Zeichen der Zeitenwende dankte der heute 52-jährige Jigme Singhye Wangchuck im Dezember 2006 als König ab und ließ seinen inzwischen 27-jährigen Sohn, den in Oxford studierten Jigme Khesar Namgyel Wangchuck, zum Nachfolger krönen.

Kontrollierte Modernisierung unter schwierigen Bedingungen

In den Jahrzehnten zuvor hatte König Jigme Singhye Wangchuck, der als junger Monarch gleich vier Schwestern auf einmal geehelicht hatte, eine Politik verfolgt, die darauf abzielte, sein Land vor dem Schicksal des ehemaligen Königtums Sikkim zu bewahren. Dessen Bevölkerung mit seinen Volkgruppen der Bhutias und Lepchas wurde durch die Immigration von Zuwanderern aus Nepal und Indien ethnisch in die Minderheit gedrängt und nach Unruhen und dem Einmarsch der indischen Armee 1975 als 22. Unionsstaat der Indischen Union einverleibt.

In Bhutan wurden mehr als 100.000 ethnische Nepalis, für die der Süden des Landes seit mehr oder weniger langer Zeit Heimat war, Anfang der 1990er Jahre nach Unruhen im Zusammenhang mit der staatlichen Bhutanisierungspolitik und Demokratisierungsforderungen vertrieben. Seit dieser Zeit leben sie verarmt in Flüchtlingslagern im südöstlichen Nepal sowie benachbarten indischen Unionsstaaten. Heute fordern sie ihre Rückkehr und reklamieren für sich ein Wahlrecht. Einige von ihnen haben zwischenzeitlich militante Organisationen wie die Bhutan Tiger Force oder die Bhutan Maoist Party gegründet, die z.B. für Bombenanschläge in verschiedenen Distrikten Bhutans in der zweiten Januarhälfte 2008 verantwortlich gemacht werden.

Zudem muss das Königreich seine Souveränität und Identität im Schatten der übermächtigen Nachbarn Indien und China behaupten. Im bilateralen Vertrag von 1949 verpflichtete sich Indien, nicht in die inneren Angelegenheiten Bhutans einzugreifen. Der 2007 abgeschlossene indisch-bhutanesische Freundschaftsvertrag sieht außerdem vor, dass Bhutan Waffen aus Indien und auch aus anderen Staaten durch das indische Staatsgebiet importieren kann, allerdings nur solange diese nicht gegen Indien gerichtet sind oder wieder exportiert werden. Wie weit die Einmischung von außen jedoch gehen kann, zeigte sich, als Brajesh Mishra, Sicherheitsberater und Büroleiter des ehemaligen indischen Premierministers Atal Bihari Vajpayee, vor Jahren den König von Bhutan in dessen Hauptstadt Thimphu ultimativ aufforderte, die in Bhutan liegenden Ausbildungslager der Rebellenbewegung ULFA zu schließen, die seit zwei Jahrzehnten im indischen Unionsstaat Assam operiert. Der indische Auslandsgeheimdienst hatte damals berichtet, dass der König sogar persönlich einige dieser Lager besucht habe. Im Anschluss an die Mahnung Mishras ging die bhutanesische Armee gemeinsam mit indischen Truppen gegen die ULFA und verschiedene andere Sezessionsgruppen aus Assam vor, die Bhutan als Rückzugsgebiet für ihren Kampf gegen den indischen Staat nutzten, und hob ihre Lager aus.

Auch die Volksrepublik China, mit der Bhutan trotz verstärkter Kontakte in den letzten Jahren keine diplomatischen Beziehungen unterhält, nimmt es scheinbar nicht allzu genau mit der Souveränität ihres Nachbarn. Nach indischen Angaben sollen in letzter Zeit Streitkräfte der chinesischen Volksbefreiungsarmee nicht nur die indische, sondern auch die territoriale Integrität Bhutans mehrmals verletzt haben. Ihre auf Indien Druck ausübenden Taktiken in der Gegend des "Chicken Neck", jener schmalen über den Norden Westbengalens und den Westen Assams führenden Landverbindung zwischen dem indischen Kernland und den Unionsstaaten im Nordosten, erregen auch in Bhutan Besorgnis.

Entgegen solchen "externen" Kräften zugeschriebenen Problemen propagierte der ehemalige König das auf interne Harmonie ausgerichtete Konzept der Gross National Happiness, das dem ausschließlich an wirtschaftlichem Wachstum und Konsum orientierten Denken in Begriffen des Bruttosozialprodukts vorzuziehen sei. Einen wichtigen Beitrag für die tatsächlich relativ ausgeglichene Entwicklung dürfte die Tourismus-Politik Bhutans geleistet haben. Gegen Zahlung hoher Tagessätze in US-Dollar ist es einer kleinen und kontrollierten Anzahl von Touristen möglich, die Sehenswürdigkeiten dieses Himalaya-Staates zu besichtigen. Darüber hinaus verkauft das Bergland Strom aus Wasserkraft an Indien.

Die kontrollierte Modernisierung Bhutans, dessen Führung sich den Herausforderungen offensichtlich bewusst ist, könnte eigentlich als Modell für viele Entwicklungsländer dienen, die nach ihrer Unabhängigkeit den Kurs einer "nachahmenden Entwicklung" (Hugo C.F. Mansilla) eingeschlagen haben. Aus europäischer Sicht verdienen vor allem die Projekte von Österreich und der Schweiz in Bhutan Aufmerksamkeit, die u.a. durch die Staatsgrenzen überschreitende Alpen-Initiative hoffentlich einen konstruktiven Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Himalaya-Oase leisten können.

Noch ist es zu früh darüber zu spekulieren, wie sich nach der Unterhauswahl am 24. März 2008 das Zusammenspiel der beiden neuen politischen Parteien, Bhutan Harmony Party (Druk Phuensum Tshogna) und People’s Democratic Party, im Rahmen der konstitutionellen Monarchie gestalten wird. Mehrere Staatsbedienstete und Minister sind bereits von ihren Positionen zurückgetreten, um als Kandidaten an der Wahl teilnehmen zu können. Auch zwei ehemalige Premierminister bewerben sich um einen der 47 Unterhaussitze.

Es wird spannend sein, in den nächsten Jahren zu beobachten, ob das populäre Königshaus unter den Bedingungen der parlamentarischen Demokratie sein Ansehen in Bhutan dauerhaft bewahren kann oder ob es eventuell sogar eines Tages zu einer konstitutionellen Krise kommen wird. Jedenfalls kann sich Bhutan schon heute rühmen, im Oberhaus über die bestausgebildetsten Parlamentarier in Südasien zu verfügen und das höchste Pro-Kopf-Einkommen Südasiens zu erwirtschaften.

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