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06. Februar 2008. Analysen: Weltweit - Wirtschaft & Soziales Die Spätzünder

Indische Geschäftsleute fassen auf thailändischem Markt Fuß

Die indische Wirtschaft mag vor den 1990er Jahren verschlossen gewesen sein, hat inzwischen jedoch seine damalige Introversion wettgemacht. Indische Firmen und Privatpersonen spüren eifrig neue Märkte und Ressourcen in ganz Südostasien auf.

Die indische Regierung selbst war besonders aktiv und möchte mehrere Ziele verwirklichen: Erstens steht sie mit China im Wettbewerb um dauerhafte Lieferungen von Öl und Gas. Kürzlich entdeckte Kohlenwasserstoffvorräte, besonders in Burma und Kambodscha, reizen beide Regierungen, die hier um Einfluss buhlen. Ein zweites Ziel ist die Ausweitung des indischen Einflusses in der Region allgemein, um die Beziehungen und Anbindungen zwischen Indien und Südostasien zu verbessern. Dies soll beizeiten durch multilaterale und bilaterale Freihandelsabkommen (FTAs) unterstützt werden, die der aufkeimenden Mittelklasse Indiens einen verlockenden Einstieg und zahlreiche unerschlossene Ressourcen bieten.

Die Sicherstellung der Stabilität Burmas ist ein drittes Ziel. Es gab Anzeichen, dass sich der eiserne Griff der burmesischen Militärjunta lockert, und es ist möglich, dass ein totaler Zusammenbruch der Ordnung folgen wird. Es befinden sich bereits etwa 20.000 burmesische Flüchtlinge in Bangladesch, wo sie offenbar hungern, plündern, sich prostituieren und niedrige körperliche Arbeiten erledigen müssen, um zu überleben. Die burmesischen Flüchtlinge, die sich zu Tausenden entlang der thailändischen Grenze aufhalten, sind dagegen natürlich recht gut dokumentiert, wenn auch noch nicht statistisch erfasst. Sollte Burma vom Chaos erschüttert werden, gibt es möglicherweise Flüchtlingsbewegungen viel größeren Ausmaßes; Unruhen und Gewalt würden sich wahrscheinlich ausweiten. Zu den Problemen der öffentlichen Ordnung kommt, dass die indische Regierung gerne den Ost-West-Teil der asiatischen Schnellstraße (Asian Highway) fertig stellen würde, um den Gütertransport per LKW zwischen den beiden Märkten zu fördern. Der Asian Highway soll als Teil eines größeren Verkehrsnetzwerks Kunming (China) im Norden mit Singapur im Süden sowie Da Nang (Vietnam) im Osten mit Rangun (Burma) im Westen verbinden. Das vierte Ziel ist die notwendige Entwicklung der schmerzhaft armen Nordostregion Indiens. Sie beherbergt zahlreiche verschiedene ethnische Minoritäten, von denen viele mit den Taivölkern verwandt sind. In dieser Region befindet sich beispielsweise Assam, das einstige Zentrum des Staates Tai Ahom, welcher ab Mitte des 13. Jahrhunderts für 600 Jahre weite Teile des heutigen Assam umfasste und inzwischen fast völlig in Vergessenheit geraten ist. Aus Sicht der indischen Regierung tragen thailändische Unternehmen maßgeblich zur Entwicklung dieser Region bei; eigene Bemühungen der Regierung waren aufgrund des Widerwillens zumindest eines Teils der lokalen Bevölkerung, die Legitimität der indischen Regierung zu akzeptieren, aber auch wegen des Unmuts gegenüber jeglicher Regierungsaktivitäten in dieser Region, wenig erfolgreich.

Diese politischen Zielsetzungen werden auf allen Ebenen von indischen Firmen unterstützt, die sich vermehrt in der Region, insbesondere in Thailand, engagieren. Tatsächlich gab es im Laufe der Jahre einen kleinen, aber bedeutsamen Strom an Investitionen in Thailand durch indische Geschäftsführungen, obwohl diese meist durch Inder, die schon lange in Thailand leben oder mit einem solchen Langzeit-Ansässigen verbunden sind, getätigt wurden. Inder kommen seit über 1.000 Jahren in das Königreich. Ihre Bedeutung – beispielsweise für das Königreich Ayutthaya – ist in zeitgenössischen Aufzeichnungen und Erzählungen gut dokumentiert. Indische Baumwolle kleidet Südostasiaten seit Jahrhunderten. Dank der langen Geschichte der Wechselbeziehungen zwischen beiden Kulturen ist es für Inder vergleichsweise praktisch in Thailand Geschäfte zu machen. Es gibt nicht nur eine sehr große indische Gemeinschaft, die im Wesentlichen – schon seit der Zeit des Reiches Ayutthaya – in Bangkok lebt, über Netzwerke verfügt und Zugang zu indischen Nahrungsmitteln und Gebrauchsgütern bietet. Es gibt darüber hinaus auch bedeutende Ähnlichkeiten was den religiösen Glauben betrifft, oder auch den Gebrauch von Sanskrit (oder Pali) als Wurzel vieler Wörter und Konzepte. Nicht zuletzt scheinen die Thais verschiedensten Ausländern gegenüber sehr tolerant zu sein.

Die vielen Inder in den verschiedensten Ländern haben zur Schaffung eines modernen Bankensystems beigetragen, das eine zumeist effiziente Durchführung internationaler Geldtransfers ermöglicht. Eine der größten und bedeutendsten indischen Banken, die ICICI, hat im September 2006 ein Büro in Bangkok eröffnet, um indische Firmen, die sich im thailändischen Markt engagieren möchten, zu unterstützen. Ferner sollen auch Fachwissen und Ressourcen für thailändische Firmen bereitgestellt werden, welche den umgekehrten Weg beschreiten möchten und nach Indien wollen.

Daneben wird ICICI von ihrem High-Tech-Zweig 3i-Infotech unterstützt. Dieser bietet IT-Lösungen für Organisationen in der Region an und erschloss vor kurzer Zeit erfolgreich den kambodschanischen Versicherungsmarkt. 3i-Infotech ist ein Ableger von ICICI und repräsentiert einen Teil des Versuchs der indischen Regierung, die immer noch Einfluss in diesen Angelegenheiten hat, eine kohärente, integrierte Reihe von Dienstleistungen für potentielle wirtschaftliche Partner zu bieten.

Ultra-Spätentwickler

Was die Internationalisierung angeht, können indische Firmen als Ultra-Spätentwickler bezeichnet werden. Dies ist etwas paradox, da die indischen Inlandsgeschäfte von einem sehr alten Rechtssystem sowie politischen und wirtschaftlichen Institutionen, die eher ehrwürdig als nützlich sind, dominiert werden. Das Image des modernen Indien, ein Indien der High-tech Computersoftwareentwicklung, mit Call-Centern, die von ausländischen Unternehmen hierher ausgelagert wurden sowie anderen Repräsentanten der modernen globalisierten Wirtschaft, macht in Wahrheit immer noch lediglich einen winzigen Teil der gesamten indischen Wirtschaft aus. Der Großteil der Wirtschaftsaktivitäten ist noch traditioneller Art, mit einem Mangel an Wertschöpfungspotential und kaum Innovationen oder Erforschung neuer Produkte oder Dienstleistungen. Trotzdem gibt es einen Sektor innerhalb der indischen Wirtschaft, der viel bessere Perspektiven hat und durch das oft hervorragende indische Bildungssystem, das viele hochkarätige Management- und Technik-Absolventen hervorbringt, unterstützt wird. Die internationale Ausrichtung dürfte die beste Eigenschaft der neuen Art indischer Firmen sein. (Einige indische Firmen sind bereits seit den 1970er Jahren, bevor der indische Markt geöffnet wurde, in Thailand aktiv. Die Idee der Ultra-Spätentwickler bezieht sich auf die Firmen, die sich seit der Öffnung international orientieren.)

Der Fokus auf Humankapital und der effektive Einsatz jeglicher Art von Ressourcen sind die Kennzeichen dieser indischen Firmen. Indische Firmen in Thailand neigen dazu einem ähnlichen Modell zu folgen, indem zunächst eine beträchtliche Anzahl indischen Personals den anfänglichen Investitionszeitraum begleitet und die thailändischen Angestellten anschließend intensiv einarbeitet, mit dem Ziel, sich selbst zum frühestmöglichen Zeitpunkt zurückzuziehen. Dies unterscheidet sich beispielsweise vom japanischen Modell, das sich auf das bedeutsame japanische Managementteam, das langfristig in Thailand verbleibt, verlässt. Es unterscheidet sich auch von europäischen Investmentmodellen, zum Beispiel dem deutschen, das gewöhnlich von einem sehr kleinen deutschen Managementteam geleitet wird. Obgleich die Deutschen in Übersee ihr Bestes geben, die lokalen Arbeiter anzulernen, stellt der Mangel an Arbeitskräften ein Hindernis dar. Ungeachtet der Anzahl beteiligter Personen, sind alle Investoren besorgt angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels in Thailand und der Schwierigkeiten junge Thais mit geeigneten Sprachkenntnissen zu finden, die für Führungspositionen in Frage kommen würden. Diese Probleme sind tief in den Unzulänglichkeiten des thailändischen Bildungssystems verwurzelt und würden den Rahmen dieses Artikels überspannen.

Indische Firmen sind auch kostenbewusst, sowohl im Bezug auf Geld als auch auf andere Ressourcen. Beispielsweise sind ihre Büros ruhig und "ernst" gehalten, im Gegensatz zu der lauten und eher chaotischen Atmosphäre an vielen Thai-Arbeitsplätzen. Dies kann zu Streit führen, wenn thailändische Angestellte ihre indischen Arbeitgeber für nicht freigebig halten – eine ernste Anschuldigung in der thailändischen Gesellschaft. Andererseits könnte das indische Management die thailändischen Arbeitskräfte als unseriös ansehen. Ungeachtet der langen Geschichte der Interaktion zwischen Indien und Thailand gibt es also noch immer reichlich Spielraum für Verständigungsprobleme und Missverständnisse.

Indische Firmen können beobachten, was andere Firmen in der Region versucht haben und was funktioniert hat und was nicht. Stärke aus den Erfolgen zu gewinnen und die Fehler zu vermeiden, bietet ihnen die Chance, derart wettbewerbsfähig zu sein, wie es Firmen, die in ihrem Weg der Internationalisierung bereits festgelegt sind, nur schwer werden können. Gestärkt durch einen wachsenden Binnenmarkt und ein exzellentes Bildungssystem sind indische Unternehmen zunehmend in der Lage Skalen- und Verbundeffekte in Anspruch zu nehmen, um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.

Ein Mangel an Wettbewerbsfähigkeit

In den letzten Jahren rückte die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit der thailändischen Wirtschaft erschreckend in den Blickpunkt. Es mag politische Instabilität gewesen sein, die Japan und andere internationale Investoren dazu bewegt hat, ihre Projekte nach Vietnam zu verlegen, aber es gibt zugrundeliegende Faktoren, die, wirtschaftlich betrachtet, vielleicht noch wichtiger sind. Die lang anhaltende Missachtung von Innovation und von Forschung und Entwicklung führte zu einer Abhängigkeit von Aktivitäten von kaum Wert steigernden Originalherstellern (OEM), was auch als exportorientiertes Fabrikzeitalter charakterisiert werden kann. Eine Welle von Fabrikstilllegungen, unter anderem in der Textil- und Gummiindustrie, enthüllte den Mangel an Wettbewerbsfähigkeit, der durch steigende Lohnkosten (insbesondere verglichen mit regionalen Konkurrenten) und moderate Produktivitätsgewinne verursacht wurde – trotz der nicht erfolglosen Bemühungen der abgesetzten Thai-Rak-Thai-Regierung. Dies ist ein Resultat des langen, vielleicht gelenkten Abstiegs des US-Dollars und der gleichzeitigen Stärke des Bahts.

Wenige einheimische Thai-Unternehmen haben sich als fähig erwiesen, den nächsten Schritt zu neuen Formen von Wettbewerbsfähigkeit zu machen. Die Anwesenheit indischer Betriebe mit langfristigem Bekenntnis zu Thailand und mit neuen Managementideen könnte dazu beitragen, die entstandene Blockierung zu überwinden. Anderenfalls könnte eine anhaltende Instabilität Thailands die indischen Investoren überzeugen ihre Regionalzentren anderswo zu platzieren. An geeigneten Bewerbern hierfür mangelt es nicht.


Übersetzung aus dem Englischen von Raphael Göpel.

 

 

(Der Beitrag ist Bestandteil der in einer Kooperation des Südasien-Informationsnetz mit der südostasien-Informationsstelle am Asienhaus Essen erschienen Ausgabe der Zeitschrift südostasien 4/2007).

Dieser Beitrag gehört zum Schwerpunkt: Südasien und Südostasien .

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