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11. Februar 2008. Analysen: Indien - Wirtschaft & Soziales Bollywood meets Jollywood

Neue bilaterale Kooperationen zwischen Indien und den Philippinen sorgen nicht nur für neue Filmkulissen

Es war eine wahrlich lohnende Reise für Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo. Sie ging mit leeren Händen und kehrte mit Handelsverträgen und Investitionen im Wert von zwei Milliarden US-Dollar in die Philippinen zurück. Anlässlich ihrer Asienreise stattete Arroyo neben der Volksrepublik China auch Indien einen dreitägigen Besuch ab. Seit zehn Jahren hatte kein philippinisches Staatsoberhaupt mehr in Delhi Station gemacht. Auf ihrer Indien-Visite vom vierten bis zum sechsten Oktober 2007 wurde sie von einer 47-köpfigen Delegation begleitet.

Neben Förmlichkeiten, wie dem ehrenvollen Empfang durch die indische Präsidentin Pratibha Patil sowie dem Premierminister Manmohan Singh in Delhi, standen im Fokus dieser Reise hauptsächlich Treffen mit Unternehmern und Politikern, um die einstigen wirtschaftlichen Bindungen beider Länder wiederzubeleben. Auf diplomatischer Ebene wurden neun bilaterale Abkommen unterzeichnet, die den Grundstein für gemeinsame Kooperationen setzten.

Die neun Verträge beinhalten unter Anderem:

  • eine Kreditvergabe der indischen Bank für Import und Export in Höhe von 50 Millionen US-Dollar zur Finanzierung von Lieferungen von Edelstein- und Schmuckpoliergeräten aus Indien,
  • eine Erklärung zur Zusammenarbeit in der internationalen Terrorbekämpfung, dem Austausch von militärischen Personal sowie die Durchführung gemeinsamer militärischer Manöver,
  • ein Memorandum zu Vereinbarungen im Bereich Gesundheit und Medizin,
  • eine Vereinbarung zwischen der philippinischen Handelsgesellschaft Philippine International Trading Corp. (PITC) und der indischen Handelgesellschaft Indian State Trading Corp. über den Erwerb von qualitativ hochwertigen, aber bezahlbaren Medikamenten für den philippinischen Markt in Höhe von 35 Millionen US-Dollar.

Darüber hinaus wurden zahlreiche Handelsverträge zwischen Unternehmen beider Staaten geknüpft. So zog Präsidentin Arroyo eine Investition im Wert von 1,6 Milliarden US-Dollar seitens Indiens größtem Stahlproduzenten Ispat Industries Ltd. an Land. Ispat wird im Süden der Philippinen ein Stahlwalzwerk errichten, nachdem das Unternehmen 2004 bereits Global Steelworks Philippines, das größte Stahlwerk der Philippinen, erworben hat.

Des weiteren wird auch der am stärksten boomende philippinische Wirtschaftssektor, die Call-Center-Industrie, in Zukunft verstärkt Impulse seitens indischer Unternehmen zu spüren bekommen. Die indische Firma Sutherland Global Services of India weitet ihre Arbeit in den Philippinen aus, indem in den nächsten Monaten bereits vorhandene Call-Center um weitere Mitarbeiter aufgestockt sowie neue Center und Mitarbeiter-Trainingszentren errichtet werden.

Importgut Gesundheit?

Arroyo gab neben der 35 Millionen US-Dollar-Handelsspritze noch vier weitere Vereinbarungen im Gesundheitssektor bekannt, die das Volumen der Transaktionen innerhalb dieses Bereiches auf über 170 Millionen US-Dollar anwachsen lassen. Die zwischen den privaten Pharmaunternehmen beider Länder beschlossenen Handelsverträge sollen Arroyos erklärtes Ziel ermöglichen, die ununterbrochene Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten zum halben Preis sicherzustellen – zur medikamentösen Versorgung der meist armen ländlichen Bevölkerung etablierte die Regierung bereits 1996 die Errichtung von Medikamentenshops, den Botica ng Barangay. Die aus Indien importierten Medikamente sollen nun in diesen Einrichtungen die Versorgungsquote der Armen durch Medikamente zu erschwinglichen Preisen erheblich verbessern.

Ferner wurden Verträge unterzeichnet, die es indischen Pharmaunternehmen ermöglichen, Pharmazeutika unter exklusiven Rechten auf den philippinischen Markt zu vertreiben. Derzeit zählen die philippinischen Medikamentenpreise zu den höchsten Asiens, unter anderem hervorgerufen durch das Fehlen einer eigenständigen Pharmaindustrie.

Die Medikamente werden zwar künftig weit unter Marktpreis verkauft, jedoch bleibt abzuwarten, ob sich die Gesundheitssituation merklich verbessern wird. Schließlich mangelt es dem Großteil der Filipinos und Filipinas in erster Linie an Geld, um ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen, bevor sie an den Kauf von Medikamenten denken können.

Indiens Anbauflächen

Ein weiterer der neun Verträge behandelt die Zusammenarbeit im Bereich erneuerbarer Energien. So schloss beispielsweise Praj Industries mit dem philippinischen Landwirtschaftsministerium einen Vertrag ab, vermehrt Pflanzen wie Sorghum und Kassava zur Agrarkraftstoffgewinnung anzubauen. Ab März 2008 wird in Ormoc die Produktion von Agrarkraftstoffen unter Praj Industries anlaufen.

Die Philippinen wollen insgesamt 400.000 Hektar, etwa vier Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche, privaten ausländischen Investoren zur Verfügung stellen und gemeinsam mit Indien in die Entwicklung von Anlagen zur Umwandlung der Rohstoffe in Treibstoffe investieren.

Befürworter des Anbaus von Agrarkraftstoffen betonen, dass durch die steigenden Investitionen auch die Bauern durch Gewinnbeteiligungen vom erwarteten Boom profitieren würden. Kritiker hingegen sehen eine fatale Verschlechterung der Situation für die ländliche Bevölkerung voraus: Das Land werde durch den Anbau der Agrarkraftstoffe von der Agrarreform ausgenommen und den Bauern entzogen (siehe auch Reese in südostasien 2/07). Passiert dies wirklich wird es zu einer weiteren Verschärfung der Landkonflikte kommen, da die Gewinne aus dem Agrarkraftstoffanbau an den Bauern vorbei, in die Hände der Investoren gehen werden.

Kulissen für Bollywood

Aber auch Verhandlungen der etwas anderen Art fanden statt. Die Präsidentin warb gegenüber Filmproduzenten in "Bollywood", der größten Filmschmiede der Welt, mit weißen Sandstränden sowie mystischen Regenwäldern, um der indischen Filmindustrie die Schönheit der Philippinen nahe zu bringen und ferner die Zusammenarbeit mit dem philippinischen Pendant, "Jollywood", zu fördern. Indische Interessenten werden bereits nächstes Jahr mit Dreharbeiten im Inselstaat beginnen.

Da davon auszugehen ist, dass dort in Zukunft weitere Filme gedreht werden, dürfte dies auch die Tourismusbranche in Aufschwung versetzen. In diesem Bereich hat sich Arroyo ebenfalls um Mithilfe bemüht. Die indische Hotelkette Taj Hotels Resorts and Palaces denkt über den Bau eines exklusiven Hotels im touristischen Ballungszentrum der Philippinen nach.

Sonnige Aussichten – aber nicht für Alle

Obwohl der Aufbau der Traumfabriken sonnige Aussichten verspricht, ist durchaus eine kritische Betrachtung angebracht – liegen doch die Auswirkungen der gefestigten Handelsbeziehungen größtenteils im Dunkeln. Obgleich neben der Regierung und den Unternehmern auch die philippinische Bevölkerung zu den Adressenten der Verträge zählt, wird sie nur teilweise davon profitieren, insbesondere der Eingriff ausländischer Investoren wird aller Erwartung nach zu vielen Spannungen mit den philippinischen Bauern führen.

In bestimmten Bereichen, wie dem IT-Sektor, treten beide Staaten jedoch nicht als Konkurrenten auf, sondern dürften von den Kenntnissen und Erfahrungen ihres Gegenübers profitieren, um eine robuste Partnerschaft aufzubauen.

Aufgrund ihrer Vergangenheit sind in beiden Staaten englische Sprachkenntnisse weit verbreitet und vereinfachen nicht nur die Kommunikation untereinander, sondern erleichtern auch die Anbindung an westliche Märkte. Beispielsweise pflegen die Philippinen, einst ein US-Protektorat, ausgezeichnete wirtschaftliche Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und sind einer der weltweit größten Outsourcing-Standorte mit über 8.000 ausländischen Unternehmen.

Zudem hat Arroyo die Hoffnung, dass ihr Land dank der intensivierten Beziehungen von der treibenden Kraft Indiens profitieren dürfte. Durch die wirtschaftliche Stärke Indiens und dessen Verflechtungen mit Ostasien, infolge seiner 1990 gestarteten "Look East"-Politik, zeigte die Präsidentin sich zuversichtlich, dass ökonomische sowie politische Interessen beider Staaten fortan gemeinsam zum Ziel führen werden.

 

 

(Der Beitrag ist Bestandteil der in einer Kooperation des Südasien-Informationsnetz mit der südostasien-Informationsstelle am Asienhaus Essen erschienen Ausgabe der Zeitschrift südostasien 4/2007)

Dieser Beitrag gehört zum Schwerpunkt: Südasien und Südostasien .

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