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Call for Papers: Liebe Leserinnen und Leser, in loser Folge möchten wir Spezialisten vorstellen, die langjährig in der und über die Region gearbeitet haben - sowohl im akademischen als auch im nicht-akademischen Bereich - und daher fundierte Einblicke eröffnen können. Ziel ist es dabei entgegen den Trends einer oft schnelllebigen Mediengesellschaft das zumeist Jahre und Jahrzehnte umfassende Schaffen von Wissenschaftlern und Fachleuten in möglichst umfassender Bandbreite sichtbar zu machen, d.h. ein Werk durchaus mit unterschiedlichen Akzentsetzungen, Brüchen oder theoretischen Ansätzen vorzustellen. Die Redaktion freut sich wie immer auf Ihre Vorschläge, Ideen, Anregungen und Mitarbeit an dieser Reihe! ... [mehr ...]
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Wer denkt, einen Erzählband in der Hand zu halten wird enttäuscht, jedoch mit einer herausragenden Aufsatzsammlung belohnt. Das vorliegende Werk ist kein Märchen-, sondern ein Sachbuch, das neben den nacherzählten Epen aus Sicht der Draupadi beziehungsweise der Kriemhild tiefgreifende und wissenschaftliche Beiträge zur Situation der Frauen im alten Indien und zur Erzählstruktur der epischen Literatur enthält.
Nicht umsonst ist dieses Werk im Draupadi Verlag erschienen. Für den Verlagsgründer Christian Weiß war es die von Mahasweta Devi 1978 auf Bengali veröffentlichte Geschichte der Draupadi, die ihn zur Namensgebung seines Verlages inspirierte. Gerade deshalb ist es besonders gelungen, Devis Erzählung an das Ende des Werkes zu stellen.
Vielleicht bildet Devis Interpretation der Draupadi einen runden Abschluss des Bandes, weil sie in ihrer Brutalität die kämpferischste und somit die eindringlichste Gestalt aller Frauenfiguren ist. Mahasweta Devi braucht nicht viele Worte um Leserinnen und Lesern deutlich zu machen, welche Kraft in ihr steckt, obwohl sie von ihren Gegnern geschunden wird. Am Ende ist sie es, die durch ihre Willenskraft erhobenen Hauptes vor ihren Peinigern steht, und diese "einem unbewaffneten Ziel gegenüber Angst, entsetzliche Angst" (S.193) empfinden läßt. Ihr Mut und ihre Kraft erinnern an die Banditen-Königin Phoolan Devi, die auf ihre Art durch Überfälle für Gerechtigkeit kämpfte und auf Rache an ihren Peinigern sann.
Zum Anfang zurück: Das Werk läßt zwei Schwerpunkte erkennen. Zum einen werden fundierte Informationen zur Rolle der Frau in den Epen selbst gegeben. Zum anderen wird gezeigt, wie sich die gesellschaftlichen Normen über die Jahrhunderte verändert haben.
An den Anfang stellt die Herausgeberin und Autorin Melitta Waligora kurze, aber prägnante inhaltliche Zusammenfassungen des Mahabharata und des Nibelungenliedes. Der Einstieg wird auf diese Weise auch Leserinnen und Lesern ermöglicht, die sich vorher noch nicht mit der Thematik beschäftigt haben. Anliegen ist, dem Lesepublikum die Figur der Draupadi bekannt zu machen, um vergleichend zu Kriemhild über "die unterschiedlichen Frauenbilder Indiens nachzudenken." (S. 13).
Im zweiten Kapitel beschäftigt sich Nabaneeta Dev Sen mit dem Gender-Aspekt, der Moral und der Erzählstruktur der Epen. Erstaunlich ist die Tatsache, dass diese kulturübergreifend die gleichen Werte, sowie eine ähnliche Erzählstruktur aufweisen. Es wird deutlich, nicht nur Moralvorstellungen haben sich in der Zeit zwischen der "frühen heroischen und der späten zivilisierten Gesellschaft" verändert, auch die Werte der Männer. "Für die Frauen der Epen gibt es nichts zu gewinnen, sie bleiben die Verlierer, egal was sie tun." (S.62).
Um dieses zu ändern, folgen "Draupadis Mahabharata" von Sylvia Stapelfeldt und von Melitta Waligora "Das Nibelungenlied, erzählt von Kriemhild". Beide Texte stellen Bilder und Ideale dar, nicht Realitäten. Das im Hinterkopf behaltend lesen sich die Erzählungen genussvoll wie kleine Epen. "Ich empfand nur noch Verachtung für diese Männer, die dieses himmelsschreiende Unrecht wortlos und tatenlos mit ansahen." (S.85). Neu ist hier die Stimme der Frau, denn alle Epen stammen aus der Feder von Männern.
Abschließend gewährt Fred Virkus Einblicke in die gesellschaftlichen Verhältnisse Indiens zwischen dem 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung und dem 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, der Entstehungszeit des Mahabharata. Die intensive Betrachtung der Quellenlage zeigt detailiert und analytisch nachvollziehbar, welche Stellung der Frau zukam beziehungsweise wie sich die Machtverhältnisse zwischen Mann und Frau, und innerhalb der Familie gestaltet haben. Dabei geht der Autor neben dem Mahabharata auf weitere Texte ein, unter anderen das Rechtsbuch des Manu, das Manavadharmasastra oder das Rechtsbuch des Kautilya.
Alles in allem ist der vorliegende Sammelband eine Mischung aus Sachbuch und Erzählung, die jedem Leser Raum für eigene Gedanken läßt. Die Autorinnen und der Autor haben den Vergleich eines deutschen und eines indischen Epos in den Mittelpunkt gestellt. Nicht nur die kulturübergreifenden Gemeinsamkeiten beider Epen werden anschaulich dargestellt, sondern auch die Erzählungen aus Frauenperspektive fesseln. Geschuldet ist dieser Verdienst der Herausgeberin Melitta Waligora, die Leserinnen und Leser mit ihrer interessanten und durchaus unkonventionellen Zusammenstellung von Beiträgen in ihren Bann zieht. Gerade diese Mischung macht deutlich, wie die beiden starken Charaktere, Kriemhild und Draupadi, durch ihre Macht und Ehre das jeweilige Epos beeinflusst haben.
Melitta Waligora (Hrsg.) (2008): Draupadi und Kriemhild. Frauen, Macht und Ehre im Nibelungenlied und Mahabharata, Heidelberg: Draupadi Verlag, 204 Seiten, ISBN: 978-937603-26-1.
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