Beiträge willkommen: suedasien.info versteht sich als vorwiegend deutschsprachiges Informationsportal für die Region Südasien. Wir freuen uns über externe Beiträge zu allen Aspekten der Gesellschaft, Politik, Geschichte und Kultur des Subkontinents bzw. auf die gesamte Bandbreite des vielfältigen und vielschichtigen Lebens in der Region überhaupt. ... [mehr ...]
Call for Papers: Liebe Leserinnen und Leser, in loser Folge möchten wir Spezialisten vorstellen, die langjährig in der und über die Region gearbeitet haben - sowohl im akademischen als auch im nicht-akademischen Bereich - und daher fundierte Einblicke eröffnen können. Ziel ist es dabei entgegen den Trends einer oft schnelllebigen Mediengesellschaft das zumeist Jahre und Jahrzehnte umfassende Schaffen von Wissenschaftlern und Fachleuten in möglichst umfassender Bandbreite sichtbar zu machen, d.h. ein Werk durchaus mit unterschiedlichen Akzentsetzungen, Brüchen oder theoretischen Ansätzen vorzustellen. Die Redaktion freut sich wie immer auf Ihre Vorschläge, Ideen, Anregungen und Mitarbeit an dieser Reihe! ... [mehr ...]
M | D | M | D | F | S | S |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | 2 | 3 | 4 | |||
5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 |
12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 |
19 | 20 | 21 | 22 | 23 | 24 | 25 |
26 | 27 | 28 | 29 | 30 | 31 |
Die Parsi-Community hat weltweit geschätzte 90.000 Anhänger, von denen etwa 35-40.000 in Mumbai leben (Zensus 2001 noch 69.601 für Gesamtindien) und etwa 20-25.000 in den USA, insbesondere in Chicago. Die Parsen folgen der religiösen Lehre des Zoroastrismus, zu der man nicht konvertieren kann. Im achten Jahrhundert flohen die in ihrer islamisierten Heimat Persien verfolgten Parsen in das religiös tolerante Indien. Berühmte Parsen sind neben der Tata-Familie, Indira Gandhis Ehemann Feroze Gandhi, der Dirigent Zubin Mehta und Queen-Sänger Freddie Mercury.
Da die Elemente Erde, Feuer und Wasser im Zoroastrismus als heilig angesehen werden, sollen diese mit den "unreinen" Leichen nicht in Verbindung kommen. In der Religion der Parsen bezeichnet dokhma die sichere Stätte der als nasu, unrein, betrachteten Leichen. In Indien wird parallel zu dokhma der Begriff doongerwadi benutzt, nachdem ein solcher dokhma in Form eines Turmes, des sogenannten Tower of Silence, in Mumbai auf dem gleichnamigen Hügel, Doongerwadi Hill, erbaut wurde. Ein zweiter bekannter Tower of Silence steht in Karachi. Auf der oberen Plattform der Türme werden Leichen etwa ein Jahr lang erst den Vögeln dargebracht, die idealtypischerweise das Fleisch abnagen, und die Knochen dann dem Sonnenlicht ausgesetzt, das die natürliche Verwesung beschleunigt.
Da die Geierpopulation aufgrund der Urbanisierung, der drastisch gestiegenen Umweltverschmutzung und der Verwendung des für Vögel giftigen medizinischen Wirkstoffes Diclofenac (seit 2006 in Indien in der Viehhaltung verboten) in den Metropolen Mumbai und Karachi mittlerweile dramatisch dezimiert wurde, dauert der Verwesungsprozess der Leichen in den Towers of Silence mittlerweile zu lange. Zur Lösung dieses Problems brachte man an den Türmen zusätzliche Spiegel an, die das Sonnenlicht bündeln sollen, um den Zerfall der Leichen zu beschleunigen, das Problem der vom Aussterben bedrohten Aasfresser aber nicht beseitigen können.
Während des Kitab Festivals im Februar 2008 wurde Meher Pestonjis zweites Theaterstück "Feeding Crows" in einer Inszenierung von Dolly Thakur in Mumbai aufgeführt. Das Stück hat siebzehn Szenen, spielt im Mumbai der Gegenwart und porträtiert ein aufsteigendes Parsi-Ehepaar in seinen 30ern. Man kann die Handlung grob in zwei Teile untergliedern: Im ersten Teil führt das Krähenfüttern zu einem Konflikt zwischen der Parsi- und einer Hindu-Familie sowie den Ehepartnern innerhalb beider Familien, da die Männer aus geschäftlichem Interesse einen Kleinkrieg ihrer Frauen zu vermeiden suchen, während das Krähenfüttern in der zweiten Hälfte zum Konflikt zwischen den amerikanischen und indischen Familienangehörigen der Parsi-Familie führt.
Der Protagonist Farhad (gespielt von Arif Zakaria) versucht auf jedwede Weise seine Geschäftsaktivitäten auszudehnen, während seine Ehefrau, die extravagante Hundeliebhaberin Zenobia (Meher Acharia-Dar), sich ganz der Inszenierung ihres neuen gesellschaftlichen Status widmet. Dabei wird sie immer wieder von ihrer wichtigsten Hausangestellten Savitri (Bharati Achrekar), erzogen von ihrer Schwiegermutter aus Maharashtra, in die Grenzen der Realität verwiesen. Savitri pflegt aus religiösen Gründen am Küchenfenster die Krähen mit nichtvegetarischen Essensresten zu füttern, die unglücklicherweise immer wieder auf das Auto der hindu-konversativen und streng vegetarischen Nachbarin, der Bonsai-Züchterin Malti (Minakshi Advani), fallen, mit deren Ehemann, dem Bankdirektor Sudhir (Riyaz Makaney), Farhad gerne Geschäfte machen würde. Zwischen Malti und der Hausangestellten Savitri entbrennt bald ein bitterer Nachbarschaftskrieg ("Raw flesh on a vegetarian car! [...] There are only three non-veg families in this building. I did not want non-vegetarians but my husband has modern ideas after his American education"), der darin seinen Höhepunkt findet, dass Malti Savitris Sari zerschneidet, der zum Trocknen aus dem Küchenfenster gehängt in Maltis Wohnung weht und Savitri Zenobias Promenadenmischung Flossie drängt, an die zentrale Bonsaizüchtung Maltis zu urinieren ("Urea is fertilizer. Everyone knows that.")
Da die Ehemänner an einem Geschäftsabschluss miteinander interessiert sind, versuchen beide ihre Ehefrauen zur Räson zu bringen, was deren Konflikt in die Familie hinein verlagert (Beispiel Sudhir und Malti: "You have to fit the profile of a bank chairman's wife. A chairman's wife does not cut up neighbour's sarees. - I didn't cut Mrs Dubash's saree. Only her servants'. - They were being so hospitable but you had to kick up a scene [...] Didn't you see the dog was wagging its tail? - It was barking like a tiger. - Tigers don't bark. - It was ferocious.")
Das Motiv des Krähenfütterns tritt plötzlich von einer ganz anderen Seite an den Zuschauer heran: Farhads Mutter stirbt in Amerika, wo die amerikanischen Verwandten, insbesondere Farhads Cousin Rustom (Firdausi Jussawalla), sich dagegen wehren, dass die Leiche nach Mumbai übersetzt und dort dem natürlichen Lauf der Natur zugeführt, d.h. im dokhma von Tieren aufgefressen wird und verwest. Rustom schickt Farhad Bilder vom Tower of Silence auf dem Doongerwadi Malabar Hill, wo halbverweste Leichen von Ratten und Hunden zernagt werden, und versucht Farhad zu erklären, dass eine gegenwartsorientierte Interpretation der Parsi-Vorschriften die Verbrennung der Leiche verlange. Farhad, selbst nicht sehr religiös, ist bei der Bestattungsfrage seiner Mutter aber zu keinem Kompromiss bereit und beschuldigt seine amerikanischen Verwandten der übelsten Glaubensabkehr.
Der dargestellte Konflikt basiert auf der tatsächlich die Parsi-Community in Mumbai spaltende Debatte um skandalöse Bilder aus den dokhmas, der letzten Ruhestätte der Leichen im Doongerwadi Malabar Hill, im Stück auch genannt khodaiji ni phool ni wadi, der Blumengarten Gottes, wo Leichen "natürlich" verwesen. Auch im Theaterstück prallen fundamental verschiedene Auffassungen aufeinander, was zu Befremdungen bei den Hindu-Nachbarn führt, die mittlerweile zu Freunden geworden sind ("I thought Parsis were so modern.").
Hier ein Auszug aus einem Streit zwischen dem aus Chicago angereisten Rustom und Farhad:
Rustom: Doongerwadi is the place, dokhmenshin is the custom. Retain the place. Why not build a crematorium for Parsis at Doongerwadi?
Farhad: We don't need it! If things were really bad the khandiyas should have reported it. Instead as soon as prayers are over they get drunk.
Rustom: If you had to enter a place full of rotting bodies day after day you'd be drunk too. Their work is inhuman.
Farhad: They're pallbearers by profession.
Rustom: Lack of choice, I'd say. Maybe they don't report all they see because they're scared of losing their jobs.
Farhad: Maybe they respect customs. Like our elders.
Rustom: 'Our elders' (sarcastically) should be better informed. How many know that the kings Parsis are so proud of - Cyrus, Darius - did not practice dokhmenshin. They were entombed in rock-cut tombs with their arms, coronets and emblems of royalty.
Farhad: They were kings, dammit! [...]
Rustom: Doongerwadi is a time bomb that could trigger off an epidemic.
Farhad: You're getting carried away by canards spread by outsiders. Doongerwadi is prime property, acres and acres of the most prestigious land in Bombay. Builders can't wait to get their hands on it. I've told you they're behind the controversy. [...]
Rustom: When the world has changed why should religious practice lag so far behind. Prophet Zoroaster was a visionary, progressive for his time in history. Would he have propagated dokhmenishin in today's Bombay? No. Dokhmenishin was for an age without pollution, without cars, without computers. It's incompatible with a modern technological age.
Farhad: You know something, Rustom. Living in America you've become alienated from your roots.
Pestonjis Theaterstück überrascht insbesondere in der ersten Hälfte mit einem Wortwitz, der bisweilen an Oscar Wilde erinnert (Malti: "Things are changing but I prefer old ways. They're more graceful. Like long black hair."), während der humoristische Höhepunkt wohl der Lachanfall Savitris in der siebten Szene ist, als Malti mit ihrer Auslandserfahrung prahlend die Hundeliebe Zenobias kritisiert ("London dogs behave so well. If they mess on the road their owners have to clean up."), worauf die Hausangestellte der kritisierten Nachbarin sie ungläubig schenkelklopfend unterbricht: "Big-big saheb-memsaheb clean kutta-ka-chhee-chhee [...] In Lon-don.... Big-big...saheb-memsaheb ...cleans chhee-chhee.... from road."
Während somit die translokalen Anknüpfungen an Europa und die USA im ersten Teil entweder der Legitimation eigener Argumente oder der Selbstinszenierung und -erhöhung bezüglich Status, Ausbildung und Geschäftsverbindungen dienen, wird die transnationale Anbindung an die USA im zweiten Teil als möglicherweise bedrohende, übermächtige Kraft der Modernisierung diskutiert, die stets mit einem bösartigen Kapitalismus vereint scheint.
Kommentare
Als registriertes Mitglied können Sie einen Kommentar zu diesem Beitrag verfassen.