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Call for Papers: Liebe Leserinnen und Leser, in loser Folge möchten wir Spezialisten vorstellen, die langjährig in der und über die Region gearbeitet haben - sowohl im akademischen als auch im nicht-akademischen Bereich - und daher fundierte Einblicke eröffnen können. Ziel ist es dabei entgegen den Trends einer oft schnelllebigen Mediengesellschaft das zumeist Jahre und Jahrzehnte umfassende Schaffen von Wissenschaftlern und Fachleuten in möglichst umfassender Bandbreite sichtbar zu machen, d.h. ein Werk durchaus mit unterschiedlichen Akzentsetzungen, Brüchen oder theoretischen Ansätzen vorzustellen. Die Redaktion freut sich wie immer auf Ihre Vorschläge, Ideen, Anregungen und Mitarbeit an dieser Reihe! ... [mehr ...]
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Die einzigartige Formensprache traditioneller Hauswandmalerei aus Hazaribagh (Jharkhand), die das vorliegende Heft durchzieht, geht auf uralte Vorlagen zurück, die sich sogar in der überraschend reichhaltigen Überlieferung vorzeitlicher Felsmalereien der Region wieder finden lassen (vgl. Artikel Susanne Gupta). Die so genannten Adivasis (wörtlich: Ureinwohner) sind die letzten Vertreter einer Kultur, die noch einmal viel älter ist als die klassischen südasiatischen Hochkulturen der Antike.
Die Sprachverwandtschaft der Munda-Sprachen mit mit den Mon-Khmer Sprachen Süd- und Südostasiens ("austroasiatische Sprachfamilie") ist ein wichtiges Indiz dafür, dass Adivasis die Nachkommen einer uralten Besiedlungsschicht darstellen. Die Vorfahren der Munda-sprachigen Adivasis sind möglicherweise in vorgeschichtlicher Zeit von Osten her nach Südasien eingewandert - ähnlich wie später ab ca. 1500 v. Chr. die so genannten "Arier", die allerdings von der anderen Seite, nämlich von Süd-Afghanistan aus in die nordindische Tiefebene gekommen sind.
Die Dokumentation der Malereien aus Hazaribagh auf Papier, wie sie seit den 1990er Jahren durch Workshops betrieben wird, ihre Ausstellung im indischen Ausland und ihr Weg in internationale Kunstsammlungen gehen an den Künstlerinnen, die bis heute mit diesen Bildern ihre Häuser innen und außen bemalen, sicher nicht spurlos vorbei. Bleibt die Hoffnung, dass diese Rückwirkungen helfen, das Überleben dieser Kunstform der Adivasi-Frauen aus Hazaribagh zu sichern.
Noch bis in die Neuzeit gab es das Adivasi-Königreich der Gonds in Zentralindien oder Fürstentümer der Minas in Rajasthan. Doch dies ändert nichts an der Tatsache, dass mit der Einwanderung der "Arier" eine lange und leidvolle Geschichte der Unterdrückung der Adivasis begonnen hat – so sehen es viele intellektuelle Adivasis. Nirmala Putul bringt es in ihrem Gedicht "Auf der Suche nach meinem Zuhause" auf den Punkt: "Nirgendwo habe ich ein Zuhause".
Die Kultur und die traditionellen Lebensformen, viele Sprachen (vgl. Artikel Peterson) und die wirtschaftlichen Grundlagen der Adivasis werden im 21. Jahrhundert vielleicht mehr denn je von allen Seiten bedrängt. Sogar die bloße Existenz des Adivasi-Landes ist bedroht – von skrupellosen Geldverleihern und Großgrundbesitzern, von Stauseen (vgl. Artikel Hörig), vom Bergbau und gigantischen Industrieprojekten, neuerdings in Form von "Sonderwirtschaftszonen" (vgl. Dokumentation Kalinganagar).
Die indische Verfassung und zahlreiche Gesetze schreiben die Förderung der marginalisierten Bevölkerung vor – darunter auch die Adivasis. Vor einigen Jahren ist sogar ein neuer Bundesstaat entstanden, in dem Adivasis die Mehrheitsbevölkerung stellen (Jharkhand), das von sechs Millionen Menschen gesprochene Santali wurde in die Liste der derzeit 22 indischen Nationalsprachen aufgenommen. Haben Adivasis somit nicht allen Grund, sind zumindest im modernen Indien zuhause zu fühlen?
Für Hindu-Nationalisten sind die eigentlichen Adivasi-Kulturen Teil des hinduistischen Kulturraums, den es gegen ausländische Einmischung zu verteidigen gilt. "Ghar vapasi" ("Heimkehr") – dieses Motto hat sich die hinduistische Mission unter den indischen Adivasis gegeben: Rückkehr ins Haus des Hinduismus. Doch in diesem Haus herrscht eine gnadenlose Hierarchie, in der die Adivasis immer ganz unten stehen. Adivasi-Intellektuelle legen Wert darauf, dass ihre ursprüngliche Religion nichts mit dem Hinduismus gemein hat. Ähnlich wie viele Dalits setzen sie sich gegen die Inklusivierung in den Hinduismus zur Wehr und bestehen auf einer eigenen kulturellen und religiösen Identität.
Christliche Missionare haben Adivasi-Kulturen erforscht, ihnen Stimme und den Geist der Selbstbehauptung vermittelt (vgl. Artikel Roeber), sie haben aber auch gleichzeitig völlig fremde Vorstellungen und Werte von außen über Adivasi-Gesellschaften gestülpt und damit zum Teil soziale Spannungen verstärkt oder sogar geschürt (vgl. Artikel Bharati). Diese Mission ist heute im Zeitalter eines durchaus aggressiv auftretenden Hinduismus überall in Südasien in der Defensive geraten.
Wenn Adivasis, die über Generationen in den Teeplantagen beschäftigt waren, selbst eine Plantage (Artikel Bursee) übernehmen, wenn sie sich literarisch artikulieren (vgl. z.B. Nirmala Putul), wenn sie eine internationale Solidarisierung anstoßen (vgl. Artikel Rathgeber), darf man darin trotz allem Lichtblicke sehen, dass es Adivasis gelingen kann, ihre Lage zu verbessern, ihre Identität im 21. Jahrhundert zu behaupten und ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.
SÜDASIEN dankt der Adivasi-Koordination für die Kooperation bei der Konzeption des aktuellen Hefts und für die Vermittlung der Abdruckrechte der Bilder aus Hazaribagh. Sie sind bereits mehrfach an verschiedenen Orten in Deutschland ausgestellt worden, zuletzt im Bundesamt für Naturschutz in Bonn und übrigens auch käuflich zu erwerben (nähere Informationen über die Adivasi-Koordination, vgl. www.adivasi-koordination.de ).
Heinz Werner Wessler
Editorial
Tendenzen der Gegenwartsliteratur
Nirmala Putul - Gedichte
Moderne Volkslieder der Irular
Lieder der indischen Santal
Mahadev Toppo - Tragödie
Pradeep Prabhu - Eine Geschichte der Warlis von Dahanu
Ram Dayal Munda - Die Qual des Fortschritts
Renata v. Hoessle/ Christian Weiß - Tagung des Literaturforum Indien e.V.
Indien
Thomas Bärthlein - Im Überblick
Bernd Basting - Der neue islamistische Terrorismus in Indien
Rainer Hörig - Eine Geschichte des Widerstands
Hans Escher - Assams Adivasis nach dem 24.11.2007
George Bharati -Was ist los in Kondhamal?
Erklärung von Kalinganagar
Nano-Dokumentation
Martina Claus -"Adivasi Domestic Workers"
Susanne Gupta - Spiegelbilder europäischer Moderne?
Ulrike Niklas - Die Küsten-Irular, Tamil Nadu
Klaus Roeber - 100 Jahre Chotanagpur-Landrechtsgesetz
Petra Bursee - Gudalur, Nilgiris, Tamil Nadu
Nepal
Thomas Döhne -Im Überblick
Bhutan
Sri Lanka
Bangladesh
Patrizia Heidegger - Im Überblick
Patrizia Heidegger - Bangladesch – nur Land der Bengalen?
Felix Kolbitz - Interview mit Shaheen Dill-Riaz
Afghanistan
T. Ruttig/ H.W. Wessler - Im Überblick
Adelbert Reif - Tödliche Mission
Max Klimburg -Mehr Krieg als Frieden im Hindukush
Pakistan
Thomas Bärthlein - Im Überblick
AITPN, New Delhi - Abgekoppelt vom Reformprozess
Christian Lorenz - Volkszählung im Oktober
Südasien
Theodor Rathgeber - Sisyphos und déjà-vu
Christina Kamp - Filmfestival Bollywood & Beyond
Martin Kämpchen - Vom Dorf in die Welt hinaus
John Peterson - Die Sprachen Jharkhands
Hans-Jürgen Findeis - B.R Ambedkars "Buddha oder Karl Marx"
Karl-Heinz Golzio - Serie Religionen: Der frühe Buddhismus
Buchrezensionen
Gelbe Seiten
Adivasi-Rundbrief
Info: Dalit-Solidarität
(Das Einzelheft kostet 6,50 Euro, weitere Informationen auf der Homepage des Südasienbüro e.V. )
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