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Gewählt wurde in 272 Wahlkreisen. Daneben sind 60 Mandate für Frauen reserviert sowie weitere 10 für religiöse Minderheiten. Insgesamt werden also 342 Abgeordnete in dem neuen Parlament sitzen.
Die Stimmauszählung in den Wahlkreisen ergab folgendes Ergebnis: Die dem Militärregime nahe stehende Pakistan Muslim League (Qaid-e-Azam), PML-Q, wurde mit 77 Mandaten stärkste Fraktion. Sie ist eine Abspaltung von der PML-N des gestürzten Ex-Premiers Nawaz Sharif. Die Pakistan People's Party (PPP) der im Exil lebenden Ex-Premierministerin Benazir Bhutto erlangte mit 63 Mandaten den zweiten Platz. Die als "religiöse Allianz" angetretene MMA wurde mit 45 Sitzen zur drittstärksten Fraktion im Parlament. Beachtenswert war das Abschneiden der PML-N, die mit nur 14 Mandaten nicht über einen vierten Platz hinauskam. Die in der südlichen Provinz Sindh und dort vor allem in den Städten beheimatete Muttahida Qaumi Mahaz (MQM - Vereinigte Nationale Bewegung) erreichte 13 Sitze. Auch die National Alliance, ein Konglomerat von Kleinparteien, gewann immerhin noch 13 Sitze. Weitere Kleinparteien erhielten 14 Mandate, während 29 unabhängige Kandidaten gewählt wurden. In einigen Wahlkreisen werden Nachwahlen stattfinden.
In den vier Provinzparlamenten von Baluchistan, der North Western Frontier Province (NWFP), dem Punjab und in Sindh standen mehr als 5.000 Kandidaten für die knapp 700 Sitze zur Wahl. In der bevölkerungsreichsten Provinz, dem Punjab, gewann die PML-Q. Die Provinz stellt über die Hälfte aller Abgeordneten in Nationalparlament. Die zweite "bürgerliche" Kraft, die PPP, gewann die Wahl im Sindh.
Insgesamt haben die "bürgerlichen" Parteien, die im wesentlichen die Interessen der grundbesitzenden Oberschicht und der städtischen Eliten vertreten, aber schweren Verluste zugunsten der religiösen Parteien hinnehmen müssen.
In allen Parteiprogrammen war die Beziehung zur Armee der wichtigste Richtpunkt zur politischen Positionierung. Die Wahlbeteiligung lag unter 40 Prozent. Die erwarteten Anschläge militanter religiöser Organisationen blieben aus, zur Vorbeugung wurden mehr als 200.000 Sicherheitskräfte eingesetzt. Die Zusammenstöße von Anhängern verschiedener Parteien in der Provinz Sindh mit insgesamt sechs Toten und 42 Verletzten veranlassten Innenminister Moinuddin Haider nicht, von schweren Zwischenfällen zu sprechen.
Der heimliche Wahlsieger MMA ist ein Zweckbündnis der sechs wichtigsten islamistischen Parteien, die sich anläßlich der Parlamentswahlen zusammengeschlossen hatten, um ihre Chancen zu erhöhen: die Jamaat-e-Islami (JI), die Jamiat Ulema-e-Pakistan (JUP), die beiden Flügel der Jamiat Ulema-e-Islam (JUI) sowie die Islami Tehreek Pakistan (ITP) und die Jamiat Ahl-e-Hadith (JAH). In den konservativen Hochburgen ging die Strategie der Islamisten, Stimmen zu bündeln, eindeutig auf. Als einzige bedeutende Gruppierung stach die MMA im Wahlkampf mit antiamerkanischen Argumenten und Lobpreisungen der Taliban hervor. Präsidentengeneral Musharraf warfen ihre Vertreter Verrat an Afghanistan, Kashmir und der islamischen Staatsidee vor.
Kommentare in pakistanischen Zeitungen machten auf den heterogenen Charakter des MMA-Bündnisses aufmerksam, das sich "durch scharfe Spaltungen in Form und Inhalt" auszeichne. Trotz ihrer sehr unterschiedlichen Vorstellungen über die Rolle des Islam in Pakistan scheinen sie von der durch die Irak-Debatte geprägte Stimmung profitiert zu haben.
In den beiden an Afghanistan angrenzenden Westprovinzen NWFP und Baluchistan wurde die MMA stärkste Kraft, wo sie nun die Regierungen stellen. In ersten Reaktionen kündigten Vertreter an, die Zusammenarbeit mit den Amerikanern zu beenden, die in den Grenzprovinzen nach geflohenen Taliban- und Al-Qaida-Kämpfern suchen. Die Präsenz und das Vorgehen der US-Truppen war in der Vergangenheit auf erhebliche Widerstände gestoßen.
Zu einem ersten Konflikt zwischen den Partnern der MMA war es bereits bei der Suche nach einem Chefministers für die NWFP gekommen. Zwar setzte sich die JUI-F mit ihren Vorstellungen durch und benannte Akram Khan Durrani. Sein fehlendes Barthaar entsprach aber nicht den Vorstellungen eines Koalitionspartners.
Auch im nationalen Parlament ist die MMA nun ein wichtiger Faktor bei der Regierungsbildung. Qasi Hussain Ahmed der Vorsitzende der islamistischen Jamaat-e-Islami und Vizevorsitzender der MMA forderte nach der Wahl alle Gläubigen auf, in den Moscheen für das gute Wahlergebnis zu danken.
Ahmad nannte das Wahlresultat eine Revolution, da sie der Verwestlichung Pakistans einen Riegel vorgeschoben habe. Nun werde der islamische Geist der Verfassung endlich durchgesetzt werden. Gleichzeitig versicherte er, die MMA-Parteien seien keine Taliban und garantierten den Frauen das Recht auf Erziehung und Jobs.
Doch für Musharrafs amerikanische Verbündete stellen sich nun einige wichtige Fragen. Werden die Bemühungen zum Aufspüren von Flüchtigen aus Afghanistan durch Islamisten in den Provinzregierungen in Peshawar und Quetta erschwert? Musharraf hatte den amerikanischen Streitkräften erlaubt, in und von Pakistan aus zu operieren. Die Islamisten sind gegen die Unterstützung von US-Präsident Bushs "Krieg gegen den Terror". Wie sollen die Madrassas genannten Religionsseminare von extremen Elementen gesäubert werden, wenn die dafür zuständige Provinzregierung sich aus eben diesen Kreisen rekrutiert?
Bei genauerer Betrachtung der Stärkeverhältnisse innerhalb der Sechs-Parteien-Allianz zeigt sich, dass die Jamiat-e-Ulama-e-Islam von Fazlur Rehman (JUI-F) am meisten Sitze gewonnen hat. Sie beherrscht mehrere tausend Madrassas und gilt als eigentliche Geburtshelferin der Taliban.
Ahmad sprach unverblümt die Vorstellungen der MMA aus: "Wir werden amerikanische Basen und die westliche Zivilisation nicht akzeptieren." Das dürfte auch Auswirkungen für Hamid Karzais Regierung in Kabul haben.
Dennoch ist der Erfolg der religiösen Parteien mit Vorsicht zu interpretieren. Die Mehrheit der Bevölkerung ist dem Islam vor allem religiös verpflichtet und kann mit dessen politischer Ideologisierung wenig anfangen. Als Musharraf nach seiner Machtübernahme den islamistischen Extremisten im Land den Kampf ansagte, stieß er bei weiten Teilen der Bevölkerung auf Zustimmung. Auch nach dem Beitritt zur amerikanischen "Allianz gegen den Terror" vor einem Jahr und der Abwendung von den geförderten Taliban im Nachbarland wusste er eine Mehrheit hinter sich.
Präsident General Pervez Musharraf sicherte sich bereits im Vorfeld der Wahlen seine Macht. Er erhoffte sich durch den Wahlgang eine demokratische Legitimation der von ihm geführten Regierung. Durch das Referendum von Ende April und durch die 29 bisherigen Verfassungsänderungen hat Musharraf das Recht, das Parlament aufzulösen, den Regierungschef zu entlassen und Richter oder Korpskommandeure zu ernennen und abzuberufen.
Musharrafs Militärregime veranlasste im Vorfeld der Wahlen, dass zahlreiche öffentliche Plätze für Wahlkampfauftritte geschlossen blieben. Unter dem Vorwand der Korruptionsbekämpfung wurden die Finanzen der Kandidaten streng kontrolliert. Zahlreiche bekannte Politiker wurden so aus dem Rennen geworfen. Bereits unbezahlte Stromrechnungen konnten zu einem Kandidaturverbot führen. Um zu verhindern, dass die je zweimaligen Ex-Premiers Benazir Bhutto und Nawaz Sharif aus dem Exil kandidieren, hatte Musharraf mit der Legal Framework Order festgelegt, dass mehr als zwei Amtsperioden nicht möglich sind. Außerdem stand den beiden eine Regelung im Weg, die ein Amtsverbot für Korruptionsverurteilte vorsah.
Die Wahlkommission verlangte von den Kandidaten einen Nachweis eines Universitätsabschlusses - eine Regelung, die auch im Ausland angesichts der über 55-prozentigen Analphabetenquote auf Unverständnis stieß. Dadurch konnte sich beispielsweise über ein Drittel der Mitglieder des letzten Parlaments nicht mehr zur Wahl stellen, da sie nicht den geforderten in Pakistan erworbener Bachelor of Arts nachweisen konnten. Die Regelung, die rund 90 Prozent der Bevölkerung von der Bewerbung für ein Amt ausgeschlossen hatte, führte dazu, dass manche Anwärter ihre Frauen und Töchter ins Rennen schickten.
Der Urnengang kann kaum als frei und fair bezeichnet werden. Die EU-Wahlbeobachter-Mission (EUOM) warf in ihrer Erklärung der pakistanischen Wahlkommission Versagen vor. Sie habe die Beeinflussung der Wähler durch Regierungsstellen nicht verhindert, was ernsthafte Zweifel an der Unabhängigkeit der Kommission aufkommen ließe.
EU-Chefbeobachter John Cushnahan bezeichnete den Wahlprozess als gekennzeichnet von "ernsthaften Fehlern". So lauten die Hauptvorwürfe der EU: Parteinahme der Behörden, Ausschluss missliebiger Kandidaten und eine Gesetzgebung, die die Befugnisse des Parlaments stark beschneidet.
Aus den USA war, wie schon bei dem Referendum, Kritik kaum zu vernehmen. Washingtons so genannter "Kampf gegen den internationalen Terrorismus" hat offensichtlich Vorrang vor den Lippenbekenntnissen zur Demokratie.
Die Erfolge der Islamisten und die geringe Beteiligung an den Wahlen in Pakistan zeigen, dass die Zustimmung zur Militärregierung Pervez Musharrafs schwindet. Auch wenn sein Militärregime als gemäßigt gilt, hat er jedoch die Herrschaft des Offizierskorps fester verankert als jeder pakistanische Militärherrscher vor ihm.
Während sich seine Vorgänger die Macht mit dem zivilen Beamtenapparat häufig teilten, verfolgt das Regime momentan eine andere Linie. Allein 700 hohe Offiziere sind in wichtigen Schlüsselpositionen plaziert worden. Neben der Vizekanzlerschaft von Offizieren an sechs Universitäten werden wichtige private und staatliche Wirtschaftsbereiche vom Militär kontrolliert.
Doch Pakistan bleibt auch nach der Wahl was es ist. Schließlich sind sich ungeachtet aller Meinungsverschiedenheiten und Machtkämpfe die Militärregierung, die Islamisten und die bürgerliche Opposition über vieles einig. Ein nationalreligiöser Patriotismus, die Atomrüstung und der militärische Konfrontationskurs gegenüber Indien werden weiterhin nicht ernsthaft in Frage gestellt. Kurz vor den Wahlen testete das Militär erfolgreich die Hatf-4-Mittelstreckenrakete, die einen Atomsprengkopf bis nach Bombay befördern kann. Der zentrale Vorwurf der islamistischen Opposition gegen Musharraf lautet, er habe durch sein Bündnis mit den USA nationale und islamische Interessen verraten. Da schien der Test ein geeignetes Mittel, um zu demonstrieren, dass die Militärregierung die Kritik der USA an ihrem militärischen Atomprogramm ignoriert und gegenüber Indien eine harte Haltung bewahren wird.
Musharrafs Strategie, die zwei Volksparteien PPP und PML zu marginalisieren hat Pakistan einen Alptraum beschert. Auch Benazir Bhutto warf in ihrer Erklärung aus London der Armee vor, die Islamisten gefördert zu haben, "damit der Westen die Militärherrschaft akzeptiert".
Ungeachtet dessen scheute das Sammelbecken der "bürgerlichen" Parteien sich nicht mit der MMA in Koalitionsverhandlungen zu gehen. Der Machtwille der Opposition scheint ausgeprägter als die ideologischen Gegensätze. Vor der ursprünglich für den 8. November geplanten ersten Sitzung des Parlaments wurde bereits Maulana Fazul Rehman von der MMA als potentieller Premier gehandelt. Bisher aber wusste Präsident Musharraf die Konstituierung des Parlaments zu verhindern. Offensichtlich ist er eifrig bemüht, die politische Landschaft im neuen "demokratischen" Pakistan nach seinen Vorstellungen zu ordnen.
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