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Anlass war der Versuch der BSF, eine Gruppe von 213 Schaustellern, meist Schlangenbeschwörer, und ihren Familien nach Bangladesh abzuschieben. Indien betrachtet sie als Staatsbürger des Nachbarlandes, Bangladeshs Regierung bestreitet das. Einige der Festgehaltenen bezeichneten sich als Inder. Der Vorfall ereignete sich zwischen den Städten Cochbihar und Lalmonirhat im äußersten Norden der gemeinsamen Grenze, am so genannten chicken’s neck, dem wenige Kilometer schmalen Streifen, der Assam mit Westbengal und Bihar verbindet.
Nach sieben Tagen im Niemandsland, waren die Familien am 7. Februar plötzlich verschwunden. Zurückgelassener Hausrat zeugte von einem hastigen Aufbruch. Bangladeshs Behörden teilten mit, keine Informationen bezüglich ihrer Einreise zu haben. Vermutlich haben die indischen Sicherheitskräfte die neblige Nacht genutzt, um sie über die Grenze zu drängen. Möglicherweise sind die Betroffenen nach einer Woche bei feuchtem Wetter und kalten Nächten im Freien auch selbst geflohen. Schon zwei Tage zuvor hatte einer der Schlangenbeschwörer einem BBC-Reporter mitgeteilt, dass in ihrer derzeitigen Lage selbst die Aussicht, von den Schüssen der beiden Grenztruppen getroffen zu werden erträglicher sei, als weiter im Niemandsland festgehalten zu werden.
Die indische Regierung berief sich bei der Aktion auf ein so genanntes Rückführungsabkommen, dass vom Nachbarland die Aufnahme abgeschobener Einwanderer verlangt, sofern diese direkt beim Grenzübertritt verhaftet worden waren. Bangladeshs Regierung warf der indischen vor, allein im Januar die Abschiebung von mehr als 2000 Bengalis versucht zu haben. Diese seien ganz überwiegend jedoch Muslime aus dem - noch unter britischer Herrschaft abgetrennten - indischen Bundesstaat West Bengal. Nicht oft wird die Willkürlichkeit kolonialer Grenzziehungen und die Absurdität "nationaler" Grenzregime derart offenkundig.
Zwar nutzen die politischen Klassen beider Länder jede Möglichkeit, sich mit dem Thema der Inneren Sicherheit zu profilieren, doch diesmal war schon am 15. Februar, nach einem Besuch des Außenministers Morshed Khan in New Delhi, das öffentliche Interesse erloschen. 213 umherziehende Gaukler gaben deutlich weniger her, als der Auftritt des amerikanischen Außenministers im Sicherheitsrat oder die mehrtägigen Grenzgefechte mit 19 Toten in derselben Region vor knapp zwei Jahren.
So endete die Auseinandersetzung zunächst damit, dass Morshed Khan mitteilte, keiner dürfe vor der endgültigen Klärung seiner nationalen Identität ausgewiesen werden. Damit rückte er vom bisherigen Standpunkt der Regierung ab, dass es in Indien überhaupt keine illegalen Einwanderer aus Bangladesh gebe. In Bangladesh fanden von Mitte Januar bis Ende Februar Wahlen zu den Distriktversammlungen statt, im März stehen Wahlen zu mehreren Stadtverwaltungen an. Um den Besuch in Delhi nicht als Abbitte erscheinen zu lassen, und um eine harte Haltung zu zeigen, durfte deshalb ein Verweis auf die in Bangladesh lebenden "Biharis" nicht fehlen. Als Biharis werden in Bangladesh urdusprachige Muslime bezeichnet, von denen viele (oder meist deren Eltern) im Zuge der Teilung aus Nordindien eingewandert waren.
Auf Seiten der indischen Regierung war das Ganze wohl in erster Linie Teil der Kampagne zu den Landtagswahlen in vier Bundesstaaten, darunter den an Bangladesh grenzenden Staaten Meghalaya und Tripura. In beiden Staaten gibt es eine wachsende Zahl von Einwanderern aus Bangladesh. Ursprünglich waren sie angeworben worden, um schlecht bezahlte Arbeiten zu verrichten. In allen Nordoststaaten bekämpfen militante Bewegungen die indische Regierung, der sie vorwerfen, ihre Rohstoffe auszuplündern und im kolonialen Stil zu regieren. Die dort zugewanderten Bangladeshis dienen in dieser Situation als gemeinsamer Feind, oder vielmehr: Fußabtreter von Einheimischen und zugewanderten Indern.
Ende Januar war der indische Innenminister und stellvertretende Premierminister L.K. Advani, ein Experte martialischen Auftretens, schon mal vorgeprescht: 20 Millionen illegale Bangladeshis würden in Indien leben. Diese müssten schrittweise ausgewiesen werden. Selbstverständlich ist da auch der pakistanische ISI im Spiel. In Wiederholung seiner Anschuldigungen vom Herbst 2002 erklärte Advani, Bangladesh (das sich in einem blutigen Bürgerkrieg vor 32 Jahren seine Unabhängigkeit von der Dominanz Westpakistans erkämpft hatte) gewähre Islamabads Geheimdienst und anderen Terroristen Stützpunkte auf seinem Territorium. Da schrieb selbst die sonst eher regierungsfreundliche Times of India am 4. Februar: "Es war von Anfang an klar, dass die 'Operation illegale Einwanderer' politisch motiviert ist." Den 213 Schlangenbeschwörern hatte es jedenfalls nichts geholfen, in keinem der beiden Wählerverzeichnisse eingetragen zu sein.
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