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Bei ihren Protesten gegen den Afghanistankrieg konnten die Islamisten selten mehr als 10.000 Demonstranten auf die Straße bringen. Doch bei den Wahlen im Oktober der vergangenen Jahres errangen sie ein Fünftel der Stimmen und die Regierungsmacht in zwei Provinzen. Es scheint der islamistischen Bewegung gelungen zu sein, weit über den harten Kern ihrer Anhänger hinaus unzufriedene Teile der Bevölkerung zu mobilisieren.
Während die US-Armee in Afghanistan ihren Krieg gegen Al-Qaida und die Taliban fortsetzt, wird nun im pakistanischen Grenzgebiet deren rigider Kulturkampf mit der Verbrennung "gottloser" Konsumgüter und der Durchsetzung der Sharia fortgesetzt. Diese widersprüchliche Konstellation könnte die US-Regierung ignorieren, gäbe es nicht eine Reihe von Hinweisen darauf, dass sich die Verbindungen zwischen pakistanischen Islamisten und Al-Qaida nicht auf ideologische Gemeinsamkeiten beschränken.
Anfang März wurde in Rawalpindi Khalid Sheikh Muhammad verhaftet, nach Angaben der US-Behörden der Hauptverantwortliche für die Anschläge vom 11. September. Zu Gast war er bei Farzana Qadoos, die für die Jamaat-e-Islami (JI), die einflussreichste islamistische Partei des Landes, im Distriktrat der Stadt sitzt, und ihrem Sohn, der ebenfalls ein Mitglied der JI ist. Bereits bei früheren Verhaftungen von Al-Qaida-Mitgliedern in Pakistan wurden Verbindungen zur JI nachgewiesen.
Die pakistanischen Ermittlungsbehörden sind nun bemüht, diese Verbindungen herunterzuspielen. Auch die Regierung in Washington zeigt wenig Interesse an der Suche nach pakistanischen Verbündeten von al-Qaida, die brisante Entwicklungen in Gang setzen könnte. Denn nicht nur die JI hat Verbindungen zum islamistischen Terrorismus. Vor allem der Geheimdienst ISI gilt als islamistisch infiltriert, aber auch das Militär und die großen Parteien der zivilen Oligarchie haben die Taliban unterstützt. Und die JI hat zahlreiche Anhänger in Bürokratie, Militär und Geheimdienst.
In Pakistan könnte sich nun eine Entwicklung wiederholen, die bereits mehrere islamische Staaten in tiefe politische Krisen oder sogar Bürgerkriege gestürzt hat. Auch diesmal verdanken die Islamisten ihre Erfolge weniger der Zugkraft ihrer Argumente als den Schwächen ihrer Gegner. Seine Kehrtwende zugunsten der USA verband Präsident Pervez Musharraf mit dem Versprechen, es werde eine "Kriegsdividende" in Form wirtschaftlicher Verbesserungen in Pakistan geben. Die Bevölkerung merkt davon bis heute nichts. Und Musharraf gestattete zwar relativ freie Wahlen, behielt sich und dem Militär aber die Kontrolle über die Regierung vor. Seine repressive Politik wird von der US-Regierung unterstützt, die beim Umgang mit Al-Qaida-Verdächtigen selbst sämtliche Rechtsnormen ignoriert.
In dieser Konstellation kann die islamistische Bewegung auf die Heuchelei des Westens verweisen und sich als Opposition gegen staatliche Willkür hervortun. "Osama bin Laden ist ein Held", meint der JI-Sprecher Ameerul Azeem, schließlich gebe es "keinen Beweis" gegen ihn. "Das wirklich Beängstigende", kommentiert der Autor und Analytiker Ahmed Rashid, "ist, dass dies eine gemäßigte islamische Partei in Pakistan ist".
Quelle: Dieser Artikel erschien am 12. März 2003 in der Wochenzeitung Jungle World (Nr. 12/2003 - 12. März 2003).
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