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31. Mai 2003. Nachrichten: Natur & Umwelt - Südasien Über 1.000 Tote durch landesweite Hitzewelle

Seit Mitte Mai herrscht eine ungewöhnliche Hitze in Indien. Am stärksten sind der Süden und Osten betroffen, und der erlösende Monsunregen ist noch nicht in Sicht. Der BBC zufolge lagen die Höchsttemperaturen am 23. Mai 2003 bei knapp über 47 Grad Celsius. Anfang Juni bei 50 Grad im Schatten. Die Opferzahlen der Hitze schnellten innerhalb von zwei Wochen auf über 1.000 Menschen.

Am schlimmsten ist der südindische Bundesstaat Andhra Pradesh betroffen, von dort werden die meisten Todesopfer gemeldet. Die lokalen Behörden appellierten vorsorglich an die Bevölkerung, möglichst in Räumen zu bleiben und viel Flüssigkeit aufzunehmen. Erstaunlicherweise stammen die meisten der über 1.000 Opfer aus dem Küstengebiet. Dort dämpfen normalerweise feuchte Meereswinde die hohen Sommertemperaturen. Meteorologen erklären das Phänomen mit den konstant trockenen Nordwest-Winden, die ein Aufkommen der frischen Meeresbrise aus dem Osten verhindern. Die Landesregierung von Andhra Pradesh sicherte den Familien der Hitzeopfer Kompensationszahlungen zu. Demnach werden den Angehörigen eines Opfers 10.000 Rupien ausgezahlt, was etwa 200 Euro entspricht. Man erhofft sich von den Niederschlägen des erwarten Monsuns eine Verbesserung der Lage, doch zeichnet sich eine Verspätung der Ankunft der Regenzeit ab. Bereits im Mai letzten Jahres kamen bei einer Hitzewelle und der damit zusammenhängenden Dürre in Andhra Pradesh mehr als 1.000 Menschen um.

Ähnliche Temperaturen in weiten Teilen Südasiens

Hitze und damit zusammenhängende Trockenheit sind eine jährlich wiederkehrende Erscheinung. Sie sind das Resultat des Anstiegs der Temperaturen über der indischen Landmasse, bevor die Winde über der Arabischen See sich mit Feuchtigkeit aufladen und in Wolkenbrüchen über dem Subkontinent abregnen können. Allerdings haben die immer häufiger werdenden Dürren der letzten Jahre zahlreiche Seen, Brunnen und andere Wasserstellen austrocknen lassen, was auch die üblichen Winterregen nicht ausgleichen konnten.
Mittlerweile kommen aus dem ganzen Land Meldungen über Vorbereitungen zur Rationierung von Trinkwasser. Der Osmansagar, ein See bei Hyderabad, der Hauptstadt von Andhra Pradesh ist inzwischen völlig ausgetrocknet. Die Ortschaft Kottagudem in Telengana, im Norden von Andhra Pradesh gilt als landesweiter Spitzenreiter: Wissenschaftler haben dort über eine Woche Temperaturen von mehr als 52° gemessen. Das Zentrum und der Süden Pakistans, der Punjab und Sindh, leiden ebenso unter hohen Temperaturen, die bisher 50 Leben forderten. In anderen Regionen Südasiens ist die klimatische Situation ähnlich.

In Bangladesch waren bis Ende Mai mindestens zehn Menschen aufgrund der Hitze gestorben. In Indien herrscht gleich in mehreren Bundesstaaten extreme Dürre – auch im Westen und Norden. Rajasthan, das bereits das vierte Jahr in Folge unter Trockenheit leidet, ist wieder einmal heftig betroffen. Alle 32 Distrikte wurde zu Dürre-Gebieten erklärt. Ähnliche Probleme hat der benachbarte Unionsstaat Gujarat. Dort sei die bereits seit zehn Jahren unter Wasserknappheit leidende Halbinsel Saurashtra gravierend betroffen. Die BBC zitierte einen Bewohner von Nawagam Ghed in Jamnagar, der resigniert berichtete, dass man dort absolut hilflos sei und es mittlerweile alltäglich sei, sich mit "stinkendem und verschmutzten Wasser zu waschen".

Hitze als Politikum

Aus Verzweiflung strömen überall Menschen in Tempeln zusammen, um die Götter um Mäßigung anzurufen. In Hyderabad versammelten sich am 2. Juni über 100.000 Muslime, um durch die Rezitation von Koran-Versen Regen zu beschwören. Allah oder Götter sind aber nicht ausschließlich Schuld an dieser Naturkatastrophe. Der Tod durch Austrocknung ist meist ein Resultat schwacher Konstitution, die durch Mangelernährung und schlechte medizinische Versorgung verursacht wird. Die Aufforderung mancher Behörden, das Haus in der Zeit der intensivsten Sonnenbestrahlung zwischen 10 und 17 Uhr nicht zu verlassen, muss daher vielen lebensfremd erscheinen. Die mehreren hundert Millionen Armen, die im informellen Sektor als Tagelöhner, Rikshafahrer, Bauarbeiter, Gemüseverkäufer und Holzsammler ihren knappen Lebensunterhalt verdienen, haben gar keine andere Wahl, als sich der prallen Sonne auszusetzen. Nur dieser dürftige Tagesverdienst hilft ihnen, das Überleben zu sichern - gerade dieses gefährden sie aber, indem sie im Freien arbeiten müssen.

Und so ist die Bevölkerung Südasiens gegenwärtig in ihrer Aufmerksamkeit gegenüber dem täglichen Wetterdienst vereint. Schließlich berichtet er über die näher kommenden Wolken vor der Malabar-Küste, wo der Monsun zuerst auf den Subkontinent trifft.

Zum Politikum wurden die Klima-Umstände letztendlich doch noch, als die Congress(I)-Landesregierung von Rajasthan die BJP-Bundesregierung in New Delhi anklagte, dem Wüstenstaat ungenügend Hilfe zukommen zu lassen. Chefminister Ashok Gehlot zufolge erhielten seine Behörden von den beantragten 1,5 Mrd. Euro bisher nur 130 Millionen Euro. New Delhi meint, bereits mehr als drei Millionen Tonnen Getreide geliefert zu haben. Gehlot zufolge hat davon bisher nichts die betroffenen Menschen erreicht.

Quellen

  • "India heat wave 'kills 430'", in: BBC News, 27.5.2003
  • "India heat wave death toll rises", in: BBC, 29.5.2003
  • "Über 500 Tote bei Hitzewelle in Indien und Bangladesh", in: Neue Zürcher Zeitung, 30.5.2003
  • "Heat wave toll rises to 1,045", in: The Hindu, 3.6.2003
  • Bernhard Imhasly: "Bereits über tausend Hitzeopfer in Indien", in: Neue Zürcher Zeitung, 4.6.2003, S.43

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