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In den folgenden Tagen wurden weitere Verdächtige verhaftet. Nach Ermittlungen des CBI war der Verkauf der Prüfungsunterlagen kein lokal begrenzter Einzelfall, sondern lukrative Einkommensquelle eines landesweit operierenden Netzwerkes. Von den fünf in Pune verhafteten Studenten und einer Studentin, allesamt Anfang zwanzig, berichtete die Times of India, dass sie pro Person und Prüfungsbögen zwischen 3.000 bis 6.000 Euro zahlen mußten. Unter den vier in Delhi verhafteten Verdächtigen, von denen drei einen Doktor-Titel tragen, befand sich auch der vermeintliche Drahtzieher Dr. Ranjit Singh, der scheinbar seit Jahren von diesen Betrügereien lebte.
Die Affäre weitete sich aus, nachdem bekannt wurde, dass Ranjit Singh jährlich mindestens zwei Mio. Euro einnahm. Die Gewinne aus dem Verkauf der Prüfungsunterlagen der Management-Institute sollen nur einen Bruchteil seines Einkommens ausgemacht haben. Zudem wurden die Dimensionen des Betrugs deutlich: Über 1.000 Beteiligte - vom Postbeamten, der die Prüfungsbögen überbrachte, bis zu mehreren Dozenten an den renommierten Bildungseinrichtungen selber – haben an dem Schwindel mitverdient.
Die Berichterstattung der Medien konzentrierte sich im Folgenden auf den Kopf der Bande. Geschichten und Gerüchte, die sich um Ranjit Singh rankten, füllten tagelang die Titelseiten und Nachrichtenbeiträge der meisten Fernsehsender. Unter anderem hieß es, dass Singh zur nächsten Wahl eine Kandidatur zur Lok Sabha, dem Bundesparlament, angestrebt hatte. In diesem Fall wäre er zum direkten Herausforderer um das Mandat des amtierenden Verteidigungsministers George Fernandez geworden. Für einen Großteil der Bevölkerung in seiner Heimatstadt Hilsar im ländlichen Bihar ist Singh – der von der Presse bereits zu Dr. Don umgetauft wurde – dennoch ein Held. Er habe nicht nur Hunderten von Leuten Arbeitsplätze gegeben, sondern nach Meinung seines ehemaligen Oberschulen-Lehrers auch den kleinen Ort in Indiens "Wildem Osten" auf der Weltkarte berühmt gemacht.
Die Affäre ist nicht zuletzt deshalb so brisant, weil sie den guten Ruf einer ganzen Branche bedroht. Von Elite-Hochschulen wie dem IIM wurde bisher angenommen, dass korrupte Strukturen und unerlaubte Einflussnahme weniger verbreitet seien als in anderen Bildungseinrichtungen. Zudem garantieren die hohen wissenschaftlichen Standards bei Abschluss des Studiums eine finanzielle Sicherheit. Weite Teile der indischen Mittelklasse träumen davon, ihren Kindern diese hervorragende Ausbildung zu ermöglichen. So hatten sich in diesem Jahr 127.000 Bewerber zur Aufnahmeprüfung für einen der 1.500 Studienplätze in den IIM angemeldet. Viele Kandidaten bereiten sich ein ganzes Jahr für die Aufnahmeprüfungen vor und reisen am Tag der Prüfung von weither an. Die Times of India sprach von einem "rare island of merit, excellence and hope in what is otherwise a vast sea of venal mediocrity".
Das CBI gab unterdessen bekannt, dass es prüfe, ob auch andere höhere Bildungseinrichtungen von dem Skandal betroffen sind. Das wirft auch einen Schatten auf die weit über Indiens Grenzen hinaus bekannten Schulen des Institut of Information Technology (IIT), den Vorzeigeschulen des Landes und Brutstätten des indischen IT-Booms. Kritische Stimmen fragen nun, inwieweit indische Ansprüche nach einer globalen Führungsrolle im Bildungssektor realisierbar sind. Indische Politiker haben die Elite-Hochschulen stets als Vorbild angepriesen. Bildungsminister Murli Manohar Joshi (von der hindunationalistischen Bharatiya Janata Party – BJP) kündigte jedenfalls an, dass alle Beteiligten "hart zu Rechenschaft gezogen werden".
Politisch wird erwartet, dass der Bildungsminister den Skandal nutzen wird, um seine seit Jahren verfolgte Politik voran zu bringen, stärkeren Einfluss auf die Prüfungen zu nehmen. Nach Meinung der Times of India sei jedoch klar geworden, dass "nicht entscheidend ist, wer die Prüfungen durchführt, sondern vielmehr wie das System von checks & balances angewandt wird". So fordert das Blatt in Konsequenz aus dem Skandal keine größere staatliche Einflußnahme. Eine größere Sicherheit vor Betrug während sämtlicher Prüfungen sei zu erreichen, indem von dem als überholt angesehenen bisherigen System eines einheitlichen landesweiten Tests Abstand genommen werde. Eine weniger zentralisierte Prüfung, die womöglich online absolviert werden kann, ist allerdings eine Forderung, die sich kurzfristig nicht umsetzen läßt, auch nicht für die IITs. Die nächsten Aufnahmeprüfungen werden sicherlich keine derartigen Sicherheiten beinhalten.
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