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Die Abwahl der TDP in Andhra Pradesh (A.P.) hat die Hoffnungen der Regionalpartei und ihres technologiebegeisterten Vorsitzenden N. Chandrababu Naidu auf eine dritte Amtsperiode und die Verwirklichung ihrer "Vision 2020" endgültig zu Fall gebracht. Die Wahlbeteiligung lag bei 69 Prozent. Am 14. Mai wurde Kongressführer Y.S. Rajasekhara Reddy, ein ehemaliger Arzt, in Anwesenheit von 30.000 begeisterten Anhängern für die nächsten fünf Jahre als Chefministers vereidigt.
Reddy tourte in den vergangenen Jahren zweimal Tausende Kilometer durch Andhra Pradesh. Auf diesen Wahlkampfreisen, die in Indien als Yatras (Hindi für Prozession oder Pilgerreise) bezeichent werden, gelang es Reddy 2002 (Padayatra) und 2003 (Jaitra Yatra) das Bild der innerlich zerstritten regionalen Kongresspartei durch das Image einer geschlossenen politischen Kraft zu ersetzen.
In Koalition und Sitzabsprache mit einigen Linksparteien und der Telengana Rashtra Samithi (TRS) gelang dem INC der durchschlagende Erfolg. Von den 294 Mitgliedern der Vidhan Sabha in der Zwillingsstadt Hyderabad/Secunderabad gehören insgesamt 229 der Congress-Koalition an, die damit über eine zwei Drittel Mehrheit verfügen. Der Debütantin TRS, die für einen eigenen Unionsstaat Telengana eintritt, erhielt 26 Mandate. Die Communist Party of India - Marxist (CPI -M) neun und die Communist Party of India (CPI) konnte sechs Sitze im Parlament erobern.
Für die TDP war es die schwerste Niederlage in der Parteigeschichte. Selbst bei der Wahlschlappe von 1989 unter dem damaligen Parteiführer N.T. Rama Rao erhielt sie 74 Mandate. Nur zwei Kandidaten der verbündeten hindunationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) wurden gewählt.
Während das Wahlbündnis aus TDP und BJP in den letzten Wahlen von 1999 mit 47 Prozent aller abgegebenen Stimmen noch 191 Mandate errang, büssten die Koalitionäre dieses Mal 7,8 Prozentpunkte ein. Allein 31 der 38 Minister wurden in ihren Wahlkreisen abgewählt, wie z.B. P. Ashok Gajapathi Raju, sechsmaliger Landtagsabgeordneter und Mitglied der Königsfamilie von Vizianagaram, der von einem unabhängigen Kandidaten geschlagen wurde. Chandrababu Naidu siegte hingegen im prestigeträchtigen Kampf um ein Mandat in Kuppam im Chittoor-Distrikt aufgrund einer komfortablen Mehrheit von ca. 60.000 Stimmen über Subramanyam Reddy vom Congress (I).
Die Stimmabgabe zur 14. Lok Sabha fiel aus Sicht der Vajpayee-Regierung in Andhra Pradesh besonders ungünstig aus: 1999 gewann die BJP dort noch sieben und die mit ihr verbündete TDP 29 Sitze für das indische Unterhaus, während die TDP nun nur noch fünf Mandate sichern konnte und die BJP alle Sitze verlor.
Der INC gewann mit 41 Prozent der Stimmen in dem Unionsstaat 29 Sitze, die maßgeblich zum Regierungswechsel beigetragen haben dürften. Der TRS gelang es aufgrund der Sitzabsprache mit der Kongresspartei, mit ihren 6,8 Prozent genauso viele Mandate zu gewinnen wie die TDP bei über 33 Prozent des Stimmenanteils. Zudem werden jeweils ein Lok Sabha Abgeordneter der CPI (M), der CPI und der All-India Majlis Ittehadul Muslimeen (AIMIM) aus Andhra Pradesh ins indische Unterhaus entsandt.
Naidus Wahlniederlage und damit letztendlich auch einer von vielen Rückschlägen für die BJP auf Unionsebene ist nicht ausschließlich auf ökonomische Diskrepanzen zwischen Stadt und Land zu reduzieren. Wenngleich sich der "Modernisierer" aus Hyderabad der BJP-Kampagne India Shining anschloss, die sich nicht der weniger leuchtenden Realität der ländlichen Gebiete widmete, war es u.a. eine Abwahl seiner Regierung und noch immer ungenügender Reformen.
Naidu verdankte seine Macht einem Klüngel von Politikern und Bürokraten, der den Fokus auf die Verdienste der Informationstechnologie und den enormen Entwicklungen der modernen Landeshauptstadt lenkte. Es wurde der Eindruck erweckt, die realen Verhältnisse des Agrarstaates lägen woanders. Chandrababu Naidu selbst stellte die groteske These auf, dass zu viele Bauern zu wenig Getreide erwirtschaften und sie sich daher mehr produktive Beschäftigung suchen müssten. Das begünstigte den Vorwurf Naidu habe den Bezug zum einfachen Volk zunehmend verloren. Zudem wurde er von Delegationen der Weltbank, ausländischer Würdenträger und den internationalen Medien zum "IT-Minister" oder "Vorstandsvorsitzenden von Andhra Pradesh" stilisiert. Dabei wurden ökonomischen Defizite völlig übersehen. Die durchschnittliche Kaufkraft ist zurückgegangen, das Bruttosozialprodukt verschlechterte sich, die Zahl neuer Arbeitsplätze ist niedrig, die Situation in der regionalen Gesundheitsversorgung ist im Gegensatz zu Hyderabad, das Naidu als "Gesundheitshauptstadt Indiens" beschrieb unbefriedigend, und die Bauern fühlten sich bei der Bewältigung von Dürreproblemen und gleichzeitigem Preisverfall ihrer Erzeugnisse allein gelassen.
Zur Bewältigung dieser Probleme und der Verwirklichung hochtrabender Modernisierungspläne nahm Naidu vermehrt Kredite der Weltbank und anderen internationalen Geldgebern auf. Kritik der Opposition an den Konditionen der Kredite wies er barsch zurück und spottete, dass er die Kredite auch von seinen Gegnern nehmen würde, wenn sie ihm bessere Bedingungen einräumen könnten. Um wieder Geld in die hoch verschuldete Staatskassen zu spülen, wurden die Strompreise angehoben. Der Congress (I) setzte bei diesen unbeliebten Reformen an, indem er in seinem Wahlmanifest versprach, kostenfrei Strom an die Bauern zu liefern. Tatsächlich unterschrieb Reddy dann auch als eine der ersten Amtshandlungen als neuer Chefminister die Verfügung, 2,3 Millionen Landwirtschaftspumpen auf Staatskosten mit Strom zu unterhalten - unabhängig von der Getreidesorte, den Besitzverhältnissen und der Pumpenkapazität.
Aufgrund von Dürren und daraus folgenden finanziellen Nöten vieler Bauer nahmen sich innerhalb der vergangenen sechs Jahre ca. 3.000 Farmer das Leben. Die TDP-Regierung zeigte sich gegenüber den Angehörigen finanziell wenig hilfsbereit aus Sorge, durch Hilfszahlungen weitere Suizide heraufzubeschwören.
Auf 14 weitere Selbstmord-Fälle reagierten Reddy und der INC mit der Auflage eines Entschuldungsprogramms zu Gunsten von Angehörigen um weitere Fälle von Selbsttötung zu verhindern. Demnach werden Angehörige von Opfern von Menschen, die sich zwischen 1999 und 2004 umbrachten zur Tilgung der Schulden 50.000 Rupien (ca. 1.000 Euro) erhalten. Zur finanziellen Rehabilitation der Familien will die neue Regierung je 100.000 Rupien zahlen.
Mit Spannung darf auch erwartet werden, wie der nun 14. Chefminister Rajasekhara Reddy sich dem Problem der Naxaliten stellen wird. Während der neunjährigen Amtszeit verfolgte die TDP eine unnachgiebige Politik gegenüber der maoistischen Bewegung People’s War. Gespräche zwischen der Regierung Naidus und den Naxaliten, wie die maoistischen Guerilleros genannt werden, scheiterten zuletzt im Sommer 2002 an staatlichen Forderungen nach einseitiger Waffenniederlegung und der Androhung weiterer staatlicher Verfolgung. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung mit den Naxaliten in Form eines missglückten Anschlages auf Naidu in Tirupati am 1. Oktober vergangenen Jahres.
Es gibt auch hier Anlass zur Hoffnung, da Reddy andeutete, das Verbot des People’s War und seiner Unterorganisationen aufzuheben, sollten sie bereit sein, die Gewalt zu beenden.
Dietmar Rothermund (2000): Chandrababu Naidu: Vom „Königsmacher“ zum Hoffnungsträger, in: Draguhn, Werner (Hrsg.): Indien 2000, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. – Hamburg: Institut für Asienkunde, S. 33-43
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