Inhalt

16. Februar 2005. Nachrichten: Politik & Recht - Nepal Alle Macht dem König

Nun hat Nepals Regierungssystem auch den letzten Rest demokratischer Legitimation verloren. Am 1. Februar hat König Gyanendra das Kabinett entlassen und den Ausnahmezustand verhängt. Premierminister Deuba habe im Kampf gegen die aufständischen Maoisten versagt. Einen Tag später stellte Gyanendra eine neue Regierung vor, in der er selbst die Aufgaben des Premierministers übernehmen werde. Mit seinen Vertrauten (die Kabinettsmitglieder sind durchweg aus den engsten Zirkeln des Palastes) will er in den kommenden drei Jahren Frieden schaffen und eine "effiziente Demokratie" aufbauen. De facto hat der Monarch jegliche parlamentarische Herrschaft für die kommenden Jahre suspendiert.

Ein konstitutioneller Monarch, wie es die Verfassung vorsieht, war Gyanendra auch bisher nicht. Seit seiner Thronbesteigung im Gefolge des ungeklärten Palastmassakers im Juni 2001 hat Gyanendra die Macht schrittweise an sich gezogen. Nur wenige der von ihm eingesetzten Regierungen repräsentierten die Kräfteverhältnisse im seit drei Jahren aufgelösten Parlament. Kein Kabinett konnte ernsthaft die Kriegsführung der unter königlichem Oberbefehl stehenden Streitkräfte beeinflussen. Mit dem Putsch findet die Machtübernahme des Königs nun einen vorläufigen Abschluss.

Nach dem 1. Februar war das Land mehr als eine Woche lang weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten. Telefon- und Internetverbindungen wurden gekappt, der Flughafen geschlossen und eine Nachrichtensperre verhängt. Die Armee hat die Kontrolle auf Kathmandus Straßen übernommen. Die Führer der wichtigsten Parteien stehen unter Hausarrest, mindestens 150 Journalisten, Intellektuelle und Aktivisten der parlamentarischen Parteien wurde verhaftet. Mit der Verhängung des Ausnahmezustands wurden Grundrechte wie die Versammlungs- und Meinungsfreiheit außer Kraft gesetzt.

Gleichzeitig greift die Armee offenbar verstärkt die Hochburgen der Aufständischen an. So wurden nach einer Phase relativer Ruhe in den letzten Wochen nun wieder Gefechte gemeldet. Auch Angriffe mit Hubschraubern wurden beobachtet. Allerdings verhindert die Zensur eine unabhängige Berichterstattung. Tageszeitungen wie Kantipur berichten zwar wieder über politische Ereignisse, doch wachen die Behörden darüber, dass nichts veröffentlicht wird, was "das Ansehen der königlichen Regierung und der Armee schädigen könnte". Noch stärker unter Aufsicht steht nach Angaben von Human Rights Watch der Rundfunk, die wichtigste Informationsquelle außerhalb des Kathmandu-Tals.

Die Zensur verhindert nicht nur eine unabhängige Meinungsbildung, sie birgt vor allem die Gefahr, dass die massiven Menschenrechtsverletzungen weiter um sich greifen. Schon seit 2003 fühlt sich die Armee kaum noch rechenschaftspflichtig in Bezug auf die Verhaftung und Tötung mutmaßlicher Sympathisanten. Viele Inhaftierte tauchen nie wieder auf. Richterliche Anordnungen, über den Verbleib der Inhaftierten Auskunft zu geben, bleiben ohne Konsequenz. In keinem Land der Welt "verschwanden" in den letzten beiden Jahren mehr Menschen als in Nepal.

Noch wenige Tage vor Gyanendras Machtübernahme hatten die Vereinten Nationen versucht, ein Abkommen zur Aufrechterhaltung humanitärer Mindeststandards unter Kontrolle einer gestärkten nepalischen Menschenrechtskommission zu erreichen. So warnte am 24. Januar Louise Arbour, die Hochkommissarin für Menschenrechte, beide Parteien könnten sich eines Tages vor einem UN-Kriegsverbrechertribunal wiederfinden. Zudem könnten Peacekeeping-Einsätze nepalischer Soldaten - bisher eine wichtige Einnahmequelle der Regierung - suspendiert werden.

Für die Armeeführung wies Brigade-General Deepak Gurung daraufhin die gut dokumentierten Vorwürfe der Vereinten Nationen rundweg zurück: Die Königlich-Nepalische Armee sei sich der Bedeutung der Menschenrechte bewusst und habe ihre Kompetenzen noch nie überschritten. Grund für den Zynismus der Streitkräfte dürfte die Tatsache gewesen sein, dass sie sich der direkten Unterstützung des Palastes für ihre Art der Kriegsführung sicher ist. Zudem tragen Peacekeeping-Einsätze immer weniger zum Verteidigungsbudget bei. Mitte Januar 2005 erhöhte die nepalische Regierung die Mehrwertsteuer um drei Prozent. Ein Drittel der Einnahmen soll zur Anwerbung von weiteren 13.000 Soldaten verwendet werden.

Vor allem jedoch sehen die Regierungen der USA und Großbritanniens seit Juni 2002 die Unterstützung von Nepals Monarchie als Teil ihres weltweiten Kampfes gegen den Terror. Seither lieferten beide Länder Ausrüstung und Logistik, beachtliche Teile der Entwicklungshilfe wurden zur Militärhilfe umdeklariert. Kaum weniger deutlich war die Parteinahme anderer Regierungen für die Monarchie: So forderten die Botschafter Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands noch im vergangenen August in einer gemeinsamen Erklärung die parlamentarischen Parteien auf, sich der vom König eingesetzten Regierung anzuschließen statt gegen dessen Machtfülle zu demonstrieren.

Die Staaten, die die vom König eingesetzten Regierungen und die unter seinem Oberbefehl stehenden Streitkräfte aufgerüstet haben, müssen nun ihrer Verantwortung gerecht werden - insbesondere vor dem Hintergrund, dass seit dem königlichen Putsch auch die letzten Reste einer unabhängigen Zivilgesellschaft zu "verschwinden" drohen.

Erste Schritte sind getan. Die mit Botschaftern vertretenen EU-Staaten Großbritannien, Frankreich und Deutschland haben ihre Vertreter vorläufig abgezogen. Die indische Regierung sagte ihre Teilnahme an dem für Anfang Februar in Dhaka geplanten SAARC-Treffen ab, um mit der Anreise ihres Premierministers nicht Gyanendras neue Rolle zu legitimieren. Nach der Schweiz hat auch Dänemark seine Entwicklungszusammenarbeit vorerst eingestellt.

Gemeinsam mit Indien und den USA muss die EU die Bemühungen der Vereinten Nationen mit einer Initiative im Sicherheitsrat unterstützen. Nur die UNO kann sich Hoffnungen machen, auch von den Maoisten als neutraler Vermittler anerkannt zu werden. Ziel muss die Vereinbarung eines humanitären Abkommens unter ihrer Aufsicht mit der längerfristigen Perspektive entmilitarisierter Zonen sein. Nur so können sich zivile Kräfte als Gegenpol zu den zwei militarisierten Machtblöcken bilden und behaupten.

Kommentare

Als registriertes Mitglied können Sie einen Kommentar zu diesem Beitrag verfassen.