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Bookanakere Siddalingappa Yeddyurappa wurde am 30. Mai 2008 in Bangalore in einer beeindruckenden Zeremonie im Beisein von führenden BJP- und NDA- (Nationaldemokratische Allianz)-Politikern, einer großen Öffentlichkeit und circa einhundert hinduistischen Priestern vereidigt. Yeddyurappas organisatorischem Vermögen aber auch seinem glaubhaften Einsatz für die Anliegen der Bauernschaft ist der phänomenale Aufstieg seiner Partei von einem Randgruppendasein zur nunmehr bestimmenden politischen Kraft in diesem wichtigen Südstaat der Indischen Union maßgeblich zu verdanken. Dies ist aber bei dieser Wahl auch speziell auf eine gelungene Kasten-Arithmetik bei der Auswahl der Kandidaten zurückzuführen.
Der 1943 geborene Yeddyurappa stammt aus dem etwa einhundert Kilometer von Bangalore entfernten Dorf Bookanakere im Distrikt Mandhya in Karnataka und gehört sozial zu der politisch einflussreichen Bauernkaste der Lingayats. Yeddyurappa schloss seine schulische Ausbildung mit einem Bachelor of Arts (B.A.) ab. Yeddyurappa, dessen Bruder in seinem Heimatdorf als Bauer lebt, hat seine bäuerlichen Wurzeln bis heute nicht vergessen. Der "hard-core RSS-worker" (Times of India) achtet strikt auf Disziplin und führte mehrere Bauernbewegungen an.
Nach einer ersten beruflichen Tätigkeit 1965 als Sekretär in der lokalen Verwaltung arbeitete er danach in einer privaten Reismühle. Nach seiner Heirat 1967 eröffnete er eine Metallwarenhandlung in Shimoga. 1970 (andere Quellen datieren dies bereits auf den Anfang der sechziger Jahre zurück) trat der Vater von zwei Söhnen und drei Töchtern der hindu-nationalistischen Kaderorganisation Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS/Nationales Freiwilligenkorps) bei, mit der er bereits seit seinem sechzehnten Lebensjahr in Kontakt stand. Der RSS zählt mittlerweile circa fünf Millionen Mitglieder in Indien und verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk in zahlreichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Der RSS ist unter anderem der größte private Schulträger in Indien.
Verschiedene Funktionen innerhalb des RSS und der BJP in Karnataka sowie seine Wahl zum Bürgermeister von Shikaripur 1975 bestimmten seinen langsamen aber stetigen politischen Aufstieg, bevor er, ebenso wie zahlreiche andere indische Oppositionspolitiker des gesamten politischen Spektrums außerhalb der Kongresspartei, während des von der ehemaligen Premierministerin Indira Ghandi verfügten Ausnahmezustands (Emergency) von 1975 bis 1977 in den Gefängnissen von Bellary und Shimoga inhaftiert wurde.
Nach parteipolitischen Führungsfunktionen auf Distriktebene wurde Yeddyurappa 1988 zum Präsidenten der 1980 als Nachfolgepartei des einstigen Jana Sangh gegründeten BJP in Karnataka gewählt. Bereits 1983 wurde er vom Wahlkreis Shikaripur aus erstmals in das Parlament von Karnataka gewählt. Mit Ausnahme der Wahl 1999 – danach nominierte ihn die Partei in den Legislative Council (Oberhaus) von Karnataka – konnte er diesen Wahlkreis immer gewinnen. Yeddyurappa, vor 1999 bereits Führer der Opposition, avancierte zur bestimmenden Führungspersönlichkeit seiner Partei. Er fungierte zweimal als Präsident der BJP in Karnataka und bekleidete 1992 das Amt eines All India Secretary in der BJP-Zentrale in Delhi.
2004 erwog Yeddyurappa jedoch einen Übertritt zur Janata Dal/Secular (JD/S), weil er damals glaubte, dass die BJP in Karnataka keine größeren Wachstumschancen mehr haben würde und er sich innerparteilichen Anfeindungen ausgesetzt sah. Im Nachhinein bezeichnete er diese Überlegungen und die bereits eingeleiteten Gespräche mit der JD/S-Führungsspitze als seinen "größten politischen Irrtum".
Während der 20-monatigen Koalitionsregierung von JD/S und BJP bekleidete Yeddyurappa das Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten und Finanzministers. Der im Rotationsmodell verabredete Führungswechsel mit ihm als Ministerpräsidenten scheiterte daran, dass sich die JD/S im Oktober 2007 nicht an diese Übereinkunft hielt. Nach seiner damaligen Vereidigung als Ministerpräsident trat er nach sieben Tagen zurück, ohne die Vertrauensfrage zu stellen.
Bei der Landtagswahl im Mai 2008 besiegte Yeddyurappa den früheren Congress-Ministerpräsidenten S. Bangarappa, der niemals eine Wahl verloren hatte, mit deutlichem Abstand. Weder der Congress noch die JD/S hatten in seinem Wahlkreis einen Kandidaten gegen ihn aufgestellt, um Bangarappa als Kandidaten der Samajwadi Party zu stärken und zum Sieg zu verhelfen.
Die BJP-Regierung unter B. S Yeddyurappa verfügt, einschließlich sechs "unabhängiger" Abgeordneter, mit 116 Sitzen im 224 Mitglieder starken Parlament (Vidhan Sabha) über eine äußerst knappe Mehrheit. Als erster politischer Preis mussten fünf der sechs "Unabhängigen" zu Ministern ernannt werden. Yeddyurappa erfüllte seine Wahlversprechen, so dass zusammen mit ihm Dr. Mumtaz Ali Khan, ein 73-jähriger früherer Professor für ländliche Soziologie, als muslimisches Aushängeschild der Partei und sechs Abgeordnete mit sozialem Dalit-Hintergrund vereidigt wurden.
Karnatakas BJP, in der nach Angaben der Karnataka Election Watch 25 Abgeordnete vorbestraft sind oder schon einmal angeklagt wurden, ist keineswegs frei von internen Spannungen. In Delhi gilt der frühere Unionsminister Ananth Kumar seit vielen Jahren als Gegenspieler Yeddyurappas. Wichtigste Vertraute des verwitweten Ministerpräsidenten ist die photogene und sehr viel jüngere Shobha Karandlaje, die als Mitglied des RSS-Frauenflügels (Rashtriya Seva Samiti) erstmals in das Landesparlament gewählt wurde. Eine solche enge persönliche und "politische Liaison" wurde einst zur Nemesis von Kalyan Singh, dem früheren BJP-Ministerpräsidenten von Uttar Pradesh, da dieser sich dadurch von der politischen Basis zunehmend isolierte. Außerdem vertraut Yeddyurappa, wie so viele indische Spitzenpolitiker, auf die Ratschläge und Anweisungen von Astrologen, was durchaus auch auf nicht unmaßgebliche irrationale Dimensionen seiner Persönlichkeit schließen lässt. So ließ er das "i" in seinem ursprünglichen Namen "Yeddiyurappa" streichen, da dies ihm laut einem Astrologen Glück bringen würde.
Yeddyurappa erklärte in einem Interview mit der India Today, dass er sich in der praktischen Politik sowohl vom BJP-Parteiprogramm als auch vom 2020 Vision Document des früheren indischen Präsidenten Abdul Kalam leiten lassen wolle. Letzteres sieht eine dezentralisierte Vernetzung von Dörfern und Städten in den ländlichen Gebieten vor. Der neue Ministerpräsident will vor allem die Landwirtschaft und die Bewässerungssysteme fördern. Die Vorteile der Städte müssten den ländlichen Gebieten zugute kommen. Bangalores Infrastruktur werde höchste Priorität genießen und Karnataka soll einer der am weitesten industrialisierten und entwickelten Staaten in Indien werden.
Yeddyurappa sieht in seinem unermüdlichen Wahlhelfer Narendra Modi, dem umstrittenen Ministerpräsidenten von Gujarat, bezeichnenderweise "einen großen Mann". "Gujarat ist ein perfektes Modell", erklärte er gegenüber Tehelka, "der Fortschritt in Gujarat ist unglaublich. Es ist der Staat, der als perfektes Beispiel für Indiens Entwicklung anzusehen ist."
Erste Risse in der neuen Regierung und Parlamentsfraktion zeigten sich bereits unmittelbar nach der Vereidigung Yeddyurappas, als der einflussreiche BJP-Abgeordnete Jagadish Shettar aus dem nördlichen Karnataka die ihm angetragene "zeremonielle Amt" als Parlamentsprecher ablehnte, weil er ein Kabinettsressort anstrebte. Dies wurde ihm aber wegen seiner Nähe zu Ananth Kumar verweigert.
Yeddyurappa, der von sich sagt, dass neben dem RSS auch Mahatma Gandhi sein Bewußtsein geprägt habe, ist gefordert, kommunalistische Auseinandersetzungen in Karnataka zu verhindern, die es während des Aufstiegs der Partei in der Vergangenheit gab. Eine weitere wichtige Herausforderung wird bei der bevorstehenden Unterhauswahl 2009 darin bestehen, der BJP zu einer Mehrheit der Parlamentsmandate zu verhelfen, was bei gleichen Stimmabgaben wie bei dieser Wahl nach Analysen von Wahlforschern keineswegs der Fall wäre. Insofern wird die Arbeit dieser ersten BJP-Regierung in Südindien sowohl wichtige Signale an die lokale als auch an die gesamtindische Wählerschaft ausstrahlen, um der BJP bei ihrer zu erwartenden Offensive bei den übrigen noch anstehenden Landtagswahlen in diesem Jahr und der Unterhauswahl spätestens 2009 zur entscheidenden Schubkraft beim Kampf um die Macht in Delhi zu verhelfen.
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