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Dem offiziellen Wahlergebnis vom 25. Mai 2008 zufolge gewann die Bharatiya Janata Party (Indische Volkspartei, BJP) 110 Mandate (2004: 79) und wird mit Unterstützung von fünf "unabhängigen" Abgeordneten erstmals allein diesen wichtigen Südstaat mit seinem 224 Abgeordneten zählenden Parlament regieren. Der große Verlierer dieser Wahl ist vor allem die Janata Dal/Secular (JD/S) des früheren Premierministers Dewe Gowda mit nur noch 28 Mandaten (2004: 58). Trotz eines Zugewinns von 15 Mandaten gegenüber der Wahl 2004 blieb die Congress-Partei mit 80 Sitzen weit hinter seinen Erwartungen zurück. Die BJP, traditionell eine nordindische Partei, stieß mit diesem überzeugenden Sieg das Tor nach Südindien auf. Welche Konsequenzen wird dieses Ergebnis für die nationale Politik haben?
Der Sieg der BJP kommt keineswegs überraschend. Nachdem das Bündnis von Congress und JD/S nach den Wahlen 2004 scheiterte, führte die JD/S als schwächerer Partner danach eine Koalitionsregierung mit der BJP. Die JD/S hielt sich jedoch nicht an die Absprache, nach 20 Monaten 2007 das Amt des Ministerpräsidenten (Chief Minister) an den BJP-Führer B. S. Yeddyurappa zu übergeben. Er gab damals nach wenigen Tagen sein Amt als designierter Ministerpräsident noch vor der Vertrauensfrage zurück.
Danach verhängte die Congress-geführte Zentralregierung in Delhi das President’s Rule in Karnataka, auch in der Erwartung, dass dies ihrer Partei in Karnataka zugute kommen würde. Der Congress rechnete jedoch erst im September mit Wahlen und hatte seine internen Wahlkreisanalysen nach Bekanntgabe des Wahltermins noch nicht abgeschlossen.
Der 65-jährige Yeddyurappa, der sich als Vertreter bäuerlicher Interessen versteht, überzeugte während seiner Amtszeit als BJP-Finanzminister in der Koalition mit der JD/S u. a. durch die Kürzung der Zinsraten für Kredite an Bauern, sowie durch das Wahlkampfversprechen kostenloser Stromversorgung - nicht ohne Bedeutung in einem Staat mit beträchtlichen semi-ariden Gebieten, wo die Wasserversorgung oft auf elektrische Pumpen angewiesen ist. Der Congress hingegen versprach u. a. Farbfernseher für Familien unterhalb der Armutsgrenze.
Im Wahlkampf setzte die BJP wesentlich auf den "Verrat" der JD/S und bewirkte eine Welle der Sympathie durch ihren Slogan "Gebt uns eine Chance". Nach dem Terroranschlag in Jaipur thematisierte die BJP verstärkt das Thema innere Sicherheit. Die Verbesserung der Infrastruktur in Bangalore mit seinen zahlreichen nationalen (Infosys und WIPRO) sowie internationalen Unternehmen bestimmte den dortigen Wahlkampf ("Save Bangalore"). Der Partei gelang es, ihre Oberkasten-Stimmenbasis zu konsolidieren und auch eine Linie "sozialer Inklusion" (Mahesh Rangarajan) zu verfolgen, während der Congress es nicht vermochte, eine wirklich wirksame Allianz der Other Backward Castes (OBCs), Dalits und religiösen Minderheiten zu schmieden.
Die BJP verfügte gegenüber dem sichtlich in Fraktionen gespaltenen Congress über eine weitaus bessere Wahlkampfmaschinerie. Neben der richtigen "Kasten-Arithmetik" spielte in diesem Wahlkampf der enorme Einsatz von Geldmitteln, u. a. durch Besitzer von Bergwerken in dem an Bodenschätzen reichen Staat, auf beiden Seiten eine wichtige Rolle und unterstrich die zunehmenden plutokratischen Tendenzen der Herrschaft der in demokratischen Wahlen legitimierten Staatsklasse auf nationaler und regionaler Ebene.
Die Beteiligung der knapp über 40 Millionen Wahlberechtigten lag bei 65,11 %. Die BJP verbesserte sich auf 33,9 % der Stimmen, das entspricht einem Stimmengewinn von 5,6 %. Der Congress kam auf insgesamt 34,6 % der Stimmen und lag damit knapp vor der BJP, was sich jedoch unter den Bedingungen des Mehrheitswahlrechts und der üblicherweise ungleichmäßigen Stimmenverteilung keineswegs in einer Mehrzahl der Mandate niederschlagen muss. Die JD/S fiel gegenüber 20,8 % in Jahr 2004 auf 19,1 %.
Die Wähler in Karnataka wollten offensichtlich klare Verhältnisse und keine erneuten Unsicherheiten mit wechselnden Mehrheiten. Die BJP trat von Anfang an mit B. S. Yeddyurappa, der zur politisch und sozial einflußreichen Kaste der Lingayats gehört, als Anwärter für das Amt des Ministerpräsidenten an, während der Congress ohne einen erkennbaren Spitzenkandidaten antrat. Genauere Auswertungen der Ergebnisse werden darüber Aufschluß geben, inwieweit das Auftreten der Bahujan Samaj Party (BSP), die mit einem Stimmenanteil von 2,9 % (2004: 1,7 %) - ebenso wie alle 28 außerdem noch angetretenen Parteien - keinen einzigen Sitz erringen konnte, trotzdem dem Congress in einzelnen Wahlkreisen geschadet haben dürfte. Zudem kam es zu keinen Sitzabsprachen zwischen Congress und JD/S.
Nach einer Neuaufteilung der Wahlkreise siegte die BJP in Bangalore, dem indischen Silicon Valley, in 18 der 27 Wahlkreise. Die Partei gewann 29 der 51 für Scheduled Castes (SC‘s) und Scheduled Tribes (ST’s) reservierten Wahlkreise. Recht gut schnitt die BJP auch in den von der, nach den Lingayats, zweitwichtigsten Bauernkaste der Vokkaligas dominierten Gebieten sowie an der Grenze zu Maharashtra (Belgaum) ab.
Der charismatische Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, griff auf Seiten der BJP zusammen mit der BJP-Generalsekretärin Sushma Swaraj als "star campaigner" intensiv in den Wahlkampf ein. Congress-Hoffnungsträger Rahul Gandhi vermochte es, ebenso wie bereits in Uttar Pradesh und Gujarat in 2007, offensichtlich nicht, durch sein Auftreten und seinen angeblich neuen Führungsstil die wohl überwiegend lokal geprägten Wahlentscheidungen zu beeinflussen. Die hohe landesweite Inflationsrate von ca. 8 % dürfte dem Congress allerdings auch stark geschadet haben. Die Communist Party of India/ Marxist, die der von Premierminister Dr. Manmohan Singh geführten Minderheitsregierung der United Progressive Alliance (Vereinte Fortschrittliche Allianz/UPA) in den letzten vier Jahren in Delhi das parlamentarische Überleben sichert, ihr aber auch viele Steine in den Weg legt, sieht als eine wesentliche Ursache für den BJP-Sieg die „gegen die Interessen der Bevölkerung gerichtete Politik“ der Zentralregierung.
Der BJP gelang es, fünf der sogenannten "unabhängigen" Abgeordneten, darunter vier Congress-Rebellen, mit dem Versprechen auf ein Ministeramt auf ihre Seite zu ziehen. "Es ist weitaus lukrativer Minister in einer Einzelstaatsregierung als Abgeordneter im indischen Parlament zu sein", meint der Unionsminister für Stadtentwicklung Jaipal Reddy. Obwohl die Congress-Zentrale in Delhi erklärte, die Partei würde in der Opposition sitzen, versuchte der Congress in Karnataka in letzter Minute eine Koalition mit der JD/S und den "unabhängigen" Abgeordneten zu zimmern. Wie in Indien üblich sollen hohe Geldbeträge angeboten worden sein. Nach gegenwärtigem Stand kann die BJP mit einer hauchdünnen Mehrheit regieren. Analytiker schließen nicht aus, dass die Partei versuchen könnte, die angeschlagene JD/S zu spalten und einen Teil der Abgeordneten auf ihre Seite zu ziehen, um klare Mehrheitsverhältnisse zu schaffen.
Mit dieser Wahl setzte sich die Niederlagenserie des Congress in verschiedenen Staaten der Indischen Union (Punjab, Uttarakhand, Himachal Pradesh, Gujarat, Meghalaya, Tripura) fort. In den neunziger Jahren leitete die Niederlage des Congress in Karnataka, traditionell eine Hochburg der Partei auch in schweren Zeiten, den Sturz der Regierung von P. V. Narasimha Rao bei der Unterhauswahl 1996 ein. Wird sich die Geschichte 2008/09 wiederholen?
Noch ist es zu früh, darüber zu spekulieren, schließlich stehen in diesem Jahr noch wichtige Wahlen u. a. in Madhya Pradesh, Chhattisgarh, Rajasthan, dort regiert die BJP, sowie in Delhi und Jammu & Kashmir an, bevor es zur spätestens 2009 fälligen Unterhauswahl kommen wird. Fest steht jedoch, dass der Congress nur noch in wenigen bedeutenden Staaten wie in Andhra Pradesh alleine bzw. in Maharashtra in Koalition regiert und die BJP in mehreren wichtigen Staaten die Macht ausübt. Sie regiert in acht Staaten alleine und in vier als Allianzpartner.
Die BJP befindet sich nach diesem überzeugenden Sieg auch national im Aufwind. L. K. Advani, BJP-Kandidat für das Amt des Premierministers, sieht in diesem Erfolg seiner Partei einen entscheidenden Wendepunkt. Droht die Regierung von Premiermnister Dr. Manmohan Singh nach bislang vierjähriger Amtszeit zu einer "lame duck"-Regierung in den Zwickmühlen der indischen Poltik zu werden? Verfügt sie überhaupt noch über die Kraft, wichtige Entscheidungen der Außen- und Innenpolitik gestalterisch zu bestimmen oder hängt sie stattdessen zunehmend am Tropf der Kommunisten bzw. anderer regionaler Verbündeter? Die Handlungsmöglichkeiten des Congress verengen sich nach diesem Wahlausgang entscheidend.
Der an der Universität von Delhi lehrende Mahesh Rangarajan, einer der führenden innenpolitischen Analytiker, meint: “Es wäre verfrüht zu argumentieren, dass Bangalore einen Vorgeschmack auf die Zukunft in New Delhi gibt. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass dieses Ergebnis ein Erdbeben aus dem Süden ist."
Mahesh Rangarajan: BJP win in Karnataka may well shake India. Mail Today, 26. 5. 2008, S. 10.
Congress pips BJP in vote share. The Times of India online, 26. 5. 2008.
Sowmya Aji: Lotus blooms on its own in Karnataka. Mail Today, 26. 5. 2008, S. 2.
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