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05. Januar 2002. Nachrichten: Politik & Recht - Südasien Kurze Bilanz des Besuchs von Ranil Wickremesinghe in Delhi

Ranil Wickremesinghe, der neue Premierminister des südasiatischen Inselstaates Sri Lanka, weilte über Weihnachten 2001 in Begleitung seines Außenministers Tyronne Fernando für drei Tage zu seinem ersten Staatsbesuch in Indien. Er unterstrich damit die wichtige Rolle, die der südasiatischen Führungsmacht Indien aus Sicht Colombos sowohl als Wirtschaftspartner aber auch als indirekter Mitspieler bei der von Wickremesinghe angestrebten Friedenslösung mit den sezessionistischen Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) zukommt.

New Delhi. Ranil Wickremesinghe traf sowohl mit Premierminister Atal Behari Vajpayee, Außenminister Jaswant Singh und Handelsminister Murasoli Maran als auch mit der Oppositionsführerin Sonia Gandhi zusammen. Er sprach auch mit den früheren Premierministern P. V. Narasimha Rao und Inder Kumar Gujral. Der Gast würdigte ausdrücklich Indiens Haltung, "die territoriale Integrität Sri Lankas zu bewahren und darauf zu bestehen, daß eine Lösung des ethnischen Konflikts für alle Gemeinschaften akzeptabel sein müsse." (Times of India, 27.12.2001, S.9) Die indische Regierung unterstützt die Friedensinitiative der neuen Regierung.

Sri Lankas Hafen Trincomalee als Eingangstor nach Südindien?

Sri Lankas interne und externe Verschuldung beträgt 15,2 Milliarden US-Dollar. Der Gast sprach sich dafür aus, beschleunigt eine Freihandelszone zwischen Indien und Sri Lanka zu schaffen. Er artikulierte sein Interesse an einer subregionalen Kooperation mit den südindischen Staaten Kerala, Tamil Nadu und Karnataka. Sri Lankas Hafen Trincomalee könne dabei als kommerzielles Eingangstor nach Südindien eine wichtige Rolle spielen. Eine gemeinsame Fischerei-Zone könne bestehende Probleme u. a. im Palk Bay, der Meerenge zwischen beiden Ländern, beseitigen.

Der Premier bekundete Interesse an Zusammenarbeit und Expertise u. a. im Informationstechnologiebereich aber auch in der Landwirtschaft mit indischen Institutionen. Der begleitende Minister für Wirtschaftsreformen, Milinda Moragoda, erwähnte außerdem die Bereiche Energie, Transport, Telekommunikation und Petroleumprodukte. Auch die indischen Erfahrungen mit dem wirtschaftlichen Reformprozeß seien für sein Land von Interesse.

Wickremesinghe sprach sich außerdem für intensivere Kontakte zwischen beiden Gesellschaften unterhalb der Regierungsebene und eine Förderung des Tourismus aus, um insbesondere die indischen Mittelschichten anzusprechen. Man prüfe gegenwärtig, Visen bei Ankunft auszustellen. Er plädierte für eine anzustrebende Landverbindung ("Landbrücke") zwischen Tamil Nadu und Mannar in Sri Lanka.

Indien sagte zu, mit 300.000 Tonnen ein Drittel des Weizenbedarfs Sri Lankas zu Vorzugspreisen für zwölf Monate zu liefern. Weizen steht bislang auf der Negativliste des Indo-Lanka Free Trade Agreement. Wichtigste Weizenlieferanten Colombos sind mit Abstand die USA, gefolgt von Kanada, Australien und Argentinien.

Indien als Garantiemacht für eine Friedenslösung?

Im Vorfeld des Besuchs von Ranil Wickremesinghe analysierten Professor S. D. Muni von der Jawaharlal-Nehru-Universität und der frühere Kommandeur der ehemaligen Indian Peace Keeping Force (IPKF) in Sri Lanka, Ex-General Ashok Mehta, im India International Center in New Delhi sowohl die politische als auch sicherheitspolitische Lage auf der Inselrepublik. S.D. Muni, der – ohne dem Indian Foreign Service anzugehören – als Botschafter Indiens in Laos fungierte, stellte die langfristige Stabilität der neuen Regierung in Frage. Der LTTE-Führer Prabhakaran, der in Indien im Zusammenhang mit der Ermordung des ehemaligen Premiers Rajiv Gandhi verfolgt werde, wolle "trotz verbaler Zugeständnisse die totale Autonomie".

Eine Einigung mit anderen politischen Gruppen in Sri Lanka ohne die LTTE sei nicht möglich, so Ashok Mehta, zumal die Regierungen Sri Lankas den gemäßigten Tamilen nie etwas Konkretes angeboten hätten. Ohne eine zentrale Rolle der LTTE sei eine Friedenslösung von vorne herein zum Scheitern verurteilt. Allerdings sei es sehr fraglich, ob Präsidentin Kumaratunga ihrem Erzrivalen erlaube, dort erfolgreich zu sein, wo sie versagte. Ashok Mehta vertrat die Ansicht, Indien könne informell Druck auf Kumaratunga ausüben, um ein ausgehandeltes Friedenspaket zu akzeptieren. Die indischen Streitkräfte könnten beratend dazu beitragen, die militärische Kapazität Sri Lankas zu verbessern, geheimdienstliche Erkenntnisse auszutauschen und den Fall von Jaffna verhindern, d. h. den Status Quo garantieren.

Indien könne, nicht zuletzt aufgrund der Nähe von Tamil Nadu, dessen Küste nur zwanzig Kilometer von Sri Lanka entfernt ist, sowie "seines politischen Verständnisses für die Sensitivitäten aller Seiten innerhalb Sri Lankas" (The Hindu, 26.12.2001, S.10) eine wichtige Schiedsrichterrolle spielen. Der Ex-General, dessen IPKF Ende der achtziger Jahre ihr "kleines Vietnam" gegen die LTTE in Sri Lanka erlitt, riet jedoch davon ab, als alleinige Garantiemacht in die inneren Querelen der Innenpolitik des südlichen Nachbarn hineingezogen zu werden, trotz der indischen Angst in der Vergangenheit, andere könnten den freien Raum in Sri Lanka besetzen.

Grundpfeiler einer anzustrebenden Lösung seien ein Zusammenschluß des Nordens und Ostens, so daß den Tamilen das Gefühl gegeben würde, über ein “Homeland“ zu verfügen. Das Ende der Kolonisation der Ostprovinz und eine lokale Polizei der Tamilen seien wichtige Voraussetzungen für eine Lösung, die von Norwegen und den USA glaubwürdig garantiert werden müsse. Innenpolitisch muß die Vajpayee-Regierung Rücksicht auf ihre Partner in der Nationaldemokratischen Allianz nehmen, so u. a. auf die von Dr. Ramadoss geführte Pattali Makkal Katchi (PMK), die den Premier drängte, die Anliegen der Tamilen gegenüber seinem Gast angemessen zu vertreten.

Perspektiven

Nach Ansicht von V. Suryanarayan, ehemaliger Direktor des Centre for South and Southeast Asian Studies der Universität Madras, "sind die Sinhalesen angesichts der asymmetrischen Machtverhältnisse äußerst mißtrauisch gegenüber den außenpolitischen Zielen Indiens" (K. Suryanarayan: The India-Sri Lanka equation. in: The Hindu, 21.12.2001, S.10). Bereits in der Opposition habe sich Wickremesinghe, der auch den Tamil Nadu-Faktor mitdenke, für bilaterale Beziehung auf einer kooperativen Koexistenz ausgesprochen. Ob mit indischer indirekter Beteiligung ein Devolutionspaket zur Zufriedenheit aller Parteien in Sri Lanka unter norwegischer Federführung geschnürt werden kann, bleibt in dieser krisengeschüttelten südasiatischen Inselrepublik weiterhin eine Frage von höchster Brisanz.

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