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16. Dezember 2001. Nachrichten: Politik & Recht - Südasien Indien fordert Vorgehen Pakistans gegen Terroristen

Die Tonart zwischen New Delhi und Islamabad verschärft sich nach dem Anschlag auf das indische Parlament. New Delhi macht die von Pakistan aus operierende Lashkar-e-Toiba für das Selbstmordkommando am 13. Dezember 2001 verantwortlich. Diese Organisation beharrt darauf, vom pakistanisch besetzten Teil Kashmirs und nicht von Pakistan aus zu operieren.

New Delhi. Außenminister Jaswant Singh, Verteidigungsminister George Fernandes und Innenminister L. K. Advani trafen nach dem Anschlag den amerikanischen Botschafter Blackwill in New Delhi. Von Pakistan wird gefordert, die Büros der Lashkar-e-Toiba und der Jaish-e-Mohammad, die sich jetzt Al-Furqan nennt (The Hindu, 16.12.2001, S.15), zu schließen und ihre finanzielle Unterstützung zu unterbinden. George Fernandes unterstellte, der pakistanische Geheimdienst Inter Services Intelligence (ISI) habe seine Hand beim Anschlag in Delhi im Spiel gehabt. Es wird erwartet, dass Indien den Vorfall im UN-Sicherheitsrat im Einklang mit der Resolution 1373 des Sichheitsrates vom 12. September 2001 vorbringen wird.

Gefahr der Eskalation: Forderung nach Vergeltungsschlägen

Premierminister Atal Behari Vajpayee sagte, die Grenzen der Toleranz seien erreicht. Innerhalb der regierenden Bharatiya Janata Party (BJP/ Indische Vokspartei) und ihres fundamentalistischen Umfeldes fordern bestimmte Kräfte - auch unter Verweis auf Israels Vorgehen in Palästina - ein militärisches Vorgehen ('hot pursuit') gegen Ausbildungslager der Terroristen im pakistanischen Teil von Kashmir. Auch Mulayam Singh Yadav, ehemaliger Verteidigungsminister (1996-98) und Anwärter auf das Amt des Ministerpräsidenten von Uttar Pradesh nach den dortigen Wahlen im Februar/März 2002, fordert solche Schläge und unterstellt der BJP eine zu schwache Reaktion. Die Times of India (16.12.2001 berichtet von angeblichen Plänen, Ausbildungslager in Pakistan zu treffen, ohne die Line of Control zu überqueren. Pakistans Präsident Pervez Musharraf warnte Indien vor "Abenteurertum". Beobachter unterstellen, damit würde New Delhi in die Hände der islamischen Fundamentalisten in Pakistan spielen. Diese klerikalen Kräfte wollten Musharrafs Regime destabilisieren. 24 religiöse Parteien hätten deshalb einen gemeinsamen "Pakistan-Afghanistan Defence Council" eingesetzt, um gegen Musharraf und den afghanischen Interims-Premier Hamid Karzai vorzugehen.

Perspektiven

Innenminister L. K. Advani, der starke Mann der indischen Regierung, vertrat die Ansicht, falls der Anschlag im Sinne der Terroristen erfolgreich gewesen wäre, "so hätte dies die größte Demokratie der Welt zerstören können." Damit wäre ein Ausnahmezustand in Indien möglich geworden. K. Subrahmanyam, der Nestor der indischen Sicherheitspolitik, kritisiert, dass es der indischen politischen Klasse immer noch an einem ausreichenden Sicherheitsbewusstsein mangele - z. B. kein Zusammentreten des Nationalen Sicherheitsrates - und sie damit indirekt Fehlannahmen der Terroristen über ein Auseinanderbrechen der Indischen Union bzw. ein Ende der indischen Demokratie (Stillstand des Parlaments) ungewollt begünstige. Nur wenn das diplomatische Vorgehen der indischen Regierung versage, so C. Raja Mohan, Strategic Editor der Tageszeitung The Hindu, dann seien Vergeltungsschläge gegen Ausbildungslager der Terroristen im pakistanischen Teil von Kashmir nicht auszuschließen. Allerdings schwebe darüber auch das Damokles-Schwert einer möglichen nuklearen Eskalation. Nach dem Ende des muslimischen Fastenmonats, ein gesetzlicher Feiertag in Indien, wird es interessant sein zu beobachten, wie und mit welchen Auseinandersetzungsformen die politische Auseinandersetzung über den Anschlag, die Gesetzesinitiative der Regierung über die "Prevention of Terrorism Ordinance" (POTO) und die Forderung der Opposition nach dem Rücktritt von Verteidigungsminister George Fernandes verlaufen wird.

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