Beiträge willkommen: suedasien.info versteht sich als vorwiegend deutschsprachiges Informationsportal für die Region Südasien. Wir freuen uns über externe Beiträge zu allen Aspekten der Gesellschaft, Politik, Geschichte und Kultur des Subkontinents bzw. auf die gesamte Bandbreite des vielfältigen und vielschichtigen Lebens in der Region überhaupt. ... [mehr ...]
Call for Papers: Liebe Leserinnen und Leser, in loser Folge möchten wir Spezialisten vorstellen, die langjährig in der und über die Region gearbeitet haben - sowohl im akademischen als auch im nicht-akademischen Bereich - und daher fundierte Einblicke eröffnen können. Ziel ist es dabei entgegen den Trends einer oft schnelllebigen Mediengesellschaft das zumeist Jahre und Jahrzehnte umfassende Schaffen von Wissenschaftlern und Fachleuten in möglichst umfassender Bandbreite sichtbar zu machen, d.h. ein Werk durchaus mit unterschiedlichen Akzentsetzungen, Brüchen oder theoretischen Ansätzen vorzustellen. Die Redaktion freut sich wie immer auf Ihre Vorschläge, Ideen, Anregungen und Mitarbeit an dieser Reihe! ... [mehr ...]
M | D | M | D | F | S | S |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | 2 | 3 | 4 | |||
5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 |
12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 |
19 | 20 | 21 | 22 | 23 | 24 | 25 |
26 | 27 | 28 | 29 | 30 | 31 |
Politiker beider Länder erleben einen zunehmenden internationalen Einigungsdruck, dennoch übertrafen sie sich in ihren gegenseitigen Schuldvorwürfen; der Chefminister von Jammu & Kashmir forderte gar einen umfassenden militärischen Vergeltungsangriff.
Bei dem von Medien als "schwersten Attentat in Kashmir seit Jahren" bezeichneten Anschlag kamen unterschiedlichen Angaben zufolge mindestens 38 Menschen – meist Zivilisten - ums Leben. Es war muslimischen Untergrundkämpfern gelungen, vor dem bewachten Eingang des Parlamentsgebäudes in der Sommerhauptstadt Srinagar ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug zur Explosion zu bringen. Weitere Militante nutzten die Situation, um in der Versammlungshalle durch eine Schießerei ein Blutbad anzurichten. Die islamistische Gruppe Jaish-e-Mohammad, die von Maulana Azhar geführt wird (dieser wurde bei der Entführung eines Indian Airlines-Airbuses im Dezember 1999 aus indischer Haft freigepresst und fand daraufhin in Pakistan Asyl) bekannte sich der Täterschaft. Kurz nach dem Attentat forderte Dr. Farooq Abdullah, Chefminister des indischen Unionsstaates Jammu & Kashmir, Pakistan militärisch zu bekämpfen mit dem Ziel, die Ausbildungslager der Separatisten zu zerstören und ihnen damit ihre Operationsbasis zu nehmen.
Der indische Außenminister Jaswant Singh, der sich zu dem Zeitpunkt in den USA zu Gesprächen aufhielt, schloss in ersten Reaktionen einen Angriff auf Pakistan nicht aus. Er übergab dem Weißen Haus eine gefaxte Mitteilung des indischen Premierministers A. B. Vajpayee. Dieser forderte die USA auf, zukünftig Pakistan als Stütze des internationalen Terrorismus zu sehen und die separatistisch-muslimischen Untergrundgruppen als Terroristen zu behandeln. Zudem appellierte an die USA, den Terror in Kashmir in ihren globalen "Anti-Terror-Krieg" einzubeziehen. Dieser letzten Forderungen kam US-Außenminister Colin Powell nach, indem er dies seinem indischen Amtskollegen in Washington bestätigte. Indien wirft Pakistan die aktive Förderung des Terrors vor. Indiens Innenminister L. K. Advani forderte Pakistan während eines eintägigen Besuchs in Srinagar auf, den als "Top-Terrorristen" eingestuften Azhar der indischen Justiz zu übergeben.
Islamabad versteht den Widerstand in Kashmir, der vom Geheimdienst Inter Services Inteligence (ISI) und Armee unterstützt wird, als Befreiungskrieg. Azhar gilt in weiten Kreisen Pakistans als Volksheld. Dennoch verurteilte Pakistan schnellstmöglich und erstmalig eine "Befreiungsorganisation": Diese Taten würden "der Sache Kashmirs großen Schaden zufügen", erklärte ein Regierungssprecher.
Als die Jaish-e-Mohammad sich in den folgenden Tagen von ihrem Bekenntnis zum Anschlag wieder distanzierte, spiegelte sich darin nicht nur der Druck Islamabads wieder. Beobachter meinen, das Attentat richte sich auch gegen die pakistanische Regierung, deren Kooperation mit den USA von den militanten Kashmir-Gruppen mit ihren Verbindungen nach Afghanistan heftig kritisiert wird. Die NZZ mutmaßte: "ein solcher Akt soll Präsident Musharraf bei seinen amerikanischen Verbündeten in Misskredit bringen".
Laut der indischen Tageszeitung The Hindu versuchte Musharraf bei einem Telefonanruf mit Vajpayee, diesen von der Dringlichkeit einer persönlichen Aussprache zu überzeugen, zu der er Indiens Premier nach Islamabad eingeladen haben soll. Dieser lehnte jedoch ab und verschob das Treffen, das an den Gipfel von Agra anschließen soll, auf einen späteren Zeitpunkt.
Die Serie von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den staatlichen Sicherheitskräften und muslimische Extremisten im indisch verwalteten Teil Kashmirs riss nicht ab. Am 7. Oktober starben vier indische Soldaten, als ihr vollbesetzter Wagen südlich von Srinager auf eine Landmine fuhr. Drei Zivilisten und ein Angreifer wurden bei Kämpfen in Kupwara getötet. Acht Extremisten und zwei Polizisten kamen offiziellen Angaben zufolge bei Kämpfen in den folgenden Tagen um. Mindestens zwanzig Zivilisten wurden nach Augenzeugenberichten verletzt, als eine Granate an einer Bushaltestelle in Anantnag, rund 50 Kilometer südlich von Srinagar, einschlug. Knapp zwei Wochen nach dem Anschlag auf den Landtag von Jammu & Kashmir kam es erneut zu einem Anschlag von Separatisten: Militante feuerten mit Granaten auf Unterkünfte der Central Reserve Police Force. Daraufhin kündigte die indische Armee ein härteres Vorgehen gegenüber den "Terroristen" an.
Kurz nachdem die USA die Jaish-e Mohammed auf die Liste der Terrororganisationen setzte, drohte ihnen Osama Bin Ladens Al-Qaeda-Organisation am 15. Oktober mit Konsequenzen, falls sie sich in den "Freiheitskampf" Kashmirs einmischen sollten. Währendessen kam es zu dem ersten Feuerwechsel zwischen indischen und pakistanischen Truppen seit elf Monaten. Dabei wurden gleichzeitig mehrere Militante in Kashmir erschossen und entlang der Grenzlinie belegte die indische Armee gegnerische Militärposten mit Sperrfeuer. Die pakistanischen Soldaten hätten mit Abwehrfeuer reagiert. Indien bezeichnete die Übergriffe als Vergeltungsschläge auf die Zerstörung dreier Transformatoren durch pakistanische Truppen auf indischem Gebiet. Indischen Angaben zufolge diente die "Strafaktion" der Zerstörung von elf pakistanischen Stellungen. Pakistan behauptete dagegen, der Beschuss, bei dem ein Kind getötet und vier Personen verletzt worden seien, sei ohne Provokation erfolgt.
Der amerikanische Außenminister Colin Powell pries – zeitgleich mit den Auseinandersetzungen an der LoC - in Islamabad den bisher als Militärdiktator geächteten Pervez Musharraf. Er nannte ihn sogar "kühn und mutig" und bezeichnete Pakistan als guten Freund bezeichnet, "mit dem die USA über die gegenwärtige Militärallianz hinaus eine dauerhafte Beziehung herstellen wollen, die in den nächsten Jahren aufblühen wird". Daher werde sich Amerika nach der jüngsten Umschuldung für einen Schuldenerlass für Pakistan einsetzen. Powell bezeichnete in der pakistanischen Hauptstadt Kashmir als "zentrales Thema in den bilateralen Beziehungen zwischen Indien und Pakistan".
Beobachter interpretieren den Feuerwechsel in Kashmir als Signal New Delhis an den Besucher aus Washington, was Indien vom "engen Freund" der USA hält. In diesem Zusammenhang ist auch die Äußerung des kurz zuvor wieder eingesetzten Verteidigungsministers George Fernandes zu sehen. Er verteidigte noch kurz vor Powells Ankunft in Indien die Aktion und drohte, dass sein Land in Zukunft "ohne Rücksicht" gegen Infiltrationsversuche vorgehen werde.
Im Rahmen von Powells Besuch in Indien, den beide Seiten als "ein Treffen zwischen Freunden" bezeichneten, seien alle bilateralen Beziehungen besprochen worden. Powell bewies diplomatisches Geschick in Indien. So wendete er seine Aussage aus Pakistan bezüglich Kashmir von "dem zentralen Thema" zu "einem zentrales Thema". New Delhi versicherte er, dass Kaschmir ein bilaterales Problem darstelle. Powell bot als Freund von Indien und Pakistan an, eine vermittelnde Rolle zu spielen, sofern beide Seiten dies wünschten. Es gelang dem Amerikaner zu verdeutlichen, dass er sich für eine politische Lösung des Kashmir-Konflikts einsetzt, und gleichzeitig New Delhi Hilfe beim Anti-Terror-Kampf zusagte. Gemeinsam bezeichneten die Außenminister der beiden Länder sich als "natürliche Alliierte". Bei dem Besuch wurde Premierminister Vajpayee eine Einladung von Präsident Bush nach Washingtons am 9. November übergeben. Das Thema Afghanistan und dessen zukünftige politische Gestalt war ebenfalls Gegenstand des Gedankenaustauschs. Nach Ansicht von Beobachtern in Pakistan und Indien ist es Powell gelungen, zwei der wichtigsten Alliierten wieder stärker in die amerikanische Anti-Terror-Kampagne einzubinden.
Trotz der Mitgliedschaft Indiens und Pakistans in der von den USA geführten Allianz gelang es im weiteren Verlauf des Monats nicht, Kashmir zu beruhigen. So versetzte Pakistan seine Armee bereits am 17. Oktober in erhöhte Alarmbereitschaft, da es in Indien Truppenbewegungen gegeben habe. Daraufhin kam es am folgenden Tag zu schweren Gefechte entlang der Waffenstillstandslinie in Kashmir. Über Opfer wurden nur unzureichende Angaben gemacht.
Insgesamt gab es erneute Gefechte zwischen den beiden Armeen, die sich durch gegenseitigen Schuldzuweisungen charakterisieren. Vajpayee lehnte ein Treffen mit Musharraf ab, von dem es allerdings hieß, er strebe eine Aussprache weiterhin ernsthaft an.
Kommentare
Als registriertes Mitglied können Sie einen Kommentar zu diesem Beitrag verfassen.