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38 Prozent der Bevölkerung leben in den 242 Siedlungen, die als "Städte" klassifiziert werden. Fast die Hälfte davon, etwa neun Millionen Menschen, konzentrieren sich in den Großstädten und industriellen Zentren Ahmedabad (3,7 Mio. Einwohner), Surat (2,6 Mio.), Vadodara (1,4 Mio.) und Rajkot (1,0 Mio.). Die ländliche Bevölkerung verteilt sich nach offiziellen Angaben auf mehr als 18.600 Dörfer. Im Jahr 2001 hatte Gujarat 25 Distrikte sehr unterschiedlicher Größe und Bevölkerungszahl. Die Hauptstadt ist Gandhinagar, ein auf dem Reißbrett entworfenes Verwaltungszentrum am nördlichen Rand der Metropole Ahmedabad.
Wie alle indischen Flächenstaaten ist auch Gujarat von landschaftlicher und kultureller Vielfalt geprägt. Drei naturräumliche Regionen prägen das Land und seine Leute: Das Kernland Gujarats ist der Osten mit seinen fruchtbaren Flussebenen um die Großstädte Ahmedabad, Vadodara und Surat sowie den angrenzenden hügeligen Ausläufern der Aravalli-Berge und der Westghats. Südwestlich davon liegt die trockene Halbinsel Kathiawar zwischen dem Golf von Khambat und dem Golf von Kutch. Nördlich des Golfes von Kutch erstreckt sich bis zur pakistanischen Grenze der Rann of Kutch, ein arides Salzsumpfgebiet, das Teil der Wüste Thar ist.
Zwei Drittel der Bevölkerung leben im östlichen Kernland, das von den Einheimischen auch "Arnatalat" genannt wird. Es ist durchzogen von den großen Flüssen Sabarmarti, Mahi, Narmada und Tapi. Sie bahnen sich ihren Weg aus den angrenzenden Bergregionen, von wo sie den Schwemmsand mitbringen, aus dem sich die Schwemmsandböden der Ebenen gebildet haben, und münden schließlich in den Golf von Khambat. Die Ablagerungen des Schwemmsandes haben den Golf im Laufe der Jahrhunderte verlanden lassen und so zu einer Verlagerung des Seehandels von den einstmals wichtigen Häfen Surat und Khambat (Cambay) ins heutige Mumbai (Bombay) geführt.
Entlang der Flüsse werden großflächig Weizen und Hirse sowie Cash Crops wie Baumwolle, Zuckerrohr, Tabak und Erdnüsse sowie andere Ölsamen angebaut. Etwa ein Fünftel der indischen Baumwoll- und Erdnussernte und fast ein Drittel der Tabakernte werden hier erzielt. Von Bedeutung ist auch die Milchwirtschaft: Amul, Indiens gigantische Milchkooperative, hat ihre Zentrale in Anand südlich von Ahmedabad. Der Süden der Region mit seiner Küstenebene und den Hängen der nördlichen Westghats ist eine Regenfalle, in der sich die feuchten Winde vom Arabischen Meer abregnen. Bei einem jährlichen Niederschlag von 200 Zentimeter ist hier auch extensiver Reisanbau möglich. Im südlichen Distrikt Valsad wurde angesichts des günstigen Klimas ein großflächiges Gartenbauprojekt verwirklicht, das Gemüse, Obst und Schnittblumen für den Export produziert. In den hügeligen bis bergigen Grenzgebieten zu den benachbarten Unionsstaaten finden sich die wenigen Laubwälder Gujarats, deren Existenz aber vom Raubbau der Holzindustrie bedroht ist, die Bau- und Brennholz für die Millionenstädte liefert.
Die Großstädte der östlichen Küsten und Ebenen sind auch die wirtschaftlichen Zentren des Landes. Am Golf von Khambat werden Erdöl und Erdgas gefördert, neben Assam ist Gujarat Indiens wichtigster Rohöllieferant. Bedeutende Zentren der Exploration und Weiterverarbeitung sind Ankleshvar und Khambat, und bei Koyali befindet sich der größte petrochemische Industriekomplex Indiens. Insbesondere in den Ballungsräumen der Millionenstädte Ahmedabad und Vadodara werden zahlreiche Arzneimittel, aber auch Stahl, Maschinen und Baustoffe für den indischen Markt produziert. Die beiden Städte sind auch die Dienstleistungsmetropolen Gujarats, und neuerdings wird auch versucht, nach dem Vorbild Bangalores und Hyderabads Informationstechnologie anzusiedeln. Traditionell ist Ahmedabad ein Zentrum der Baumwoll-verarbeitenden Industrie, die allerdings seit der wirtschaftlichen Öffnung Indiens im Niedergang begriffen ist, so dass zahlreiche Textilfabriken im "Manchester Indiens" schließen mussten.
Auf der Halbinsel Kathiawar lebt ein knappes Drittel der Bevölkerung Gujarats. Kathiawar, auch Saurashtra genannt, erhebt sich von der Küste bis zu den Hügellandschaften und Mittelgebirgen im Innern, die in den Girnar-Bergen bei Junagadh auf 1.117 Meter ansteigen. Die Region ist karg, und die Böden sind wenig ertragreich: Angesichts jährlicher Niederschläge von nur etwa 100 Zentimetern wird die natürliche Vegetation von Buschland dominiert. Gleichwohl ist Kathiawar eine agrarische Region. Angebaut werden Hirse, Weizen, Erdnüsse und Baumwolle.
Die größte Stadt ist Rajkot, ehemals Hauptstadt eines der zahlreichen Fürstentümer der Halbinsel, die auch während der britischen Kolonialherrschaft formal selbständig blieben. Der wichtigste Hafen ist Bhavnagar am Golf von Khambat. In der Hafenstadt Porbandbar an der Südwestküste wurde Mohandas Karamchad Gandhi geboren, der seine Jugend in Rajkot verbrachte und später als "Mahatma" ("Große Seele") von seinem Ashram bei Ahmedabad aus gegen die Kolonialherren kämpfte. Porbandar ist auch bekannt für Miliolit, einen seltenen Sandstein, der als wertvolles Baumaterial gilt. Südöstlich von Porbandar befindet sich nahe der Hafenstadt Veraval der Tempel von Somnath, ein bedeutender hinduistischer Pilgerort. Der mehrfach von muslimischen Herrschern zerstörte Shiva-Tempel wurde Anfang der 1950er Jahre auf Initiative des damaligen indischen Innenministers Vallabhbhai "Sardar" Patel wiederaufgebaut. Er gilt Hindunationalisten daher als Vorbild für den ersehnten Ram-Tempel in Ayodhya, was BJP-Senior L.K. Advani mit dem Start seiner legendären Rath Yatra in Somnath im Jahr 1990 folgenschwer unterstrich.
Traurige Berühmtheit erlangte der an der Ostküste gelegene Ort Alang, wo unter härtesten Bedingungen Schiffe mit bloßer Hand demontiert und ausgeschlachtet werden. Südlich von Junagadh liegt der 1.300 qkm große Gir Nationalpark, der die Heimat der letzten asiatischen Löwen ist. Junagadh, die ehemalige Hauptstadt des gleichnamigen Fürstentums, ist bekannt für ihre Architektur, muslimische Geschichte und die Rolle während der Wirren der Unabhängigkeit, als ein Beitritt des muslimischen Fürstenstaates zu Pakistan nur durch eine Intervention der indischen Armee verhindert wurde.
An der Südspitze der Halbinsel liegt - nur durch Flachwasser vom Festland getrennt - die kleine Insel Diu, die bis 1961 zusammen mit Goa und Daman zu den Relikten des portugiesischen Kolonialismus in Indien zählte. Diu wird heute zusammen mit Daman, ebenfalls eine Enklave an der Küste des Kernlandes, als Unionsterritorium zentral von Delhi aus verwaltet. Gujaratis bietet Diu vor allem die Möglichkeit, Alkohol in dem ansonsten "trockenen" Unionsstaat zu kaufen.
Kutch, ein einziger riesiger Verwaltungsbezirk, der ein Viertel der Gesamtfläche Gujarats ausmacht, ist vom Rest des Landes durch zwei Salzsümpfe getrennt. Der nördlich gelegene Große Rann von Kutch an der Grenze zum pakistanischen Sindh und der östliche Kleine Rann von Kutch, der in den Golf von Kutch mündet, umschließen das höhergelegene Gebiet um die Distrikthauptstadt Bhuj nahezu vollständig. Wenn die Salzsümpfe in der Regenzeit überflutet werden, wird Kutch buchstäblich zu einer Insel. Nach dem Monsun trocknet das überflutete Flachland langsam aus und zurück bleibt harter Salzschlamm. Teile des Kleinen Rann of Kutch sind Nationalpark, da sie das Habitat einer letzten Population von Indischen Wildeseln sind.
Vegetation und menschliche Siedlungen sind nur auf den Flächen möglich, die über dem Salzniveau liegen. Insofern verwundert es nicht, dass in Kutch mit 1,2 Millionen Menschen nur drei Prozent der Gesamtbevölkerung Gujarats leben. Hauptort und Verwaltungszentrum ist Bhuj, wo aufgrund der Nähe zu Pakistan auch eine der größten indischen Luftwaffenbasen liegt. Westlich von Bhuj wird seit einiger Zeit in größerem Ausmaß Kohle gefördert. Am Golf von Kutch liegt Kandla, das seit den 1930er Jahren als internationaler Tiefseehafen ausgebaut wurde und über den heute ein wichtiger Teil der indischen Erdölimporte abgewickelt wird.
Schätzungsweise 70 Prozent der Bevölkerung Gujarats sind Kastenhindus. Wie in den anderen nordindischen Unionsstaaten stellen die Oberkasten mit etwa 14 Prozent einen bedeutenden Anteil. Wirtschaftlich einflussreich sind nach wie vor die Mahajans, die traditionsreichen Gilden der Bania-Händlerkasten, während die Rajputen-Dynastien der ehemaligen Fürstenstaaten mit der Unabhängigkeit an Macht verloren haben.
Profitiert vom postkolonialen Wandel haben insbesondere die aufstrebenden Mittelkasten der Patidars, die etwa 12 Prozent der Bevölkerung stellen. Überwiegend Mittel- und Großbauern, waren sie Hauptnutznießer der "Grünen Revolution" und hatten mit Indiens erstem Innenminister Vallabhbhai "Sardar" Patel einen mächtigen Fürsprecher in New Delhi. Nahezu die Hälfte der Bevölkerung gehört zu den "Backwards", unter ihnen sogenannte "Lower Kshatriyas" und Handwerkerkasten.
Etwa sieben Prozent der Gujaratis gehören zur Gruppe der Kastenlosen oder "Scheduled Castes", von denen jeder Vierte im Großraum Ahmedabad lebt. Weitere 15 Prozent werden den Adivasis oder sogenannten "Scheduled Tribes" zugerechnet, deren überwältigende Mehrheit in den östlichen und südöstlichen Berglanden an den Grenzen zu Madhya Pradesh und Maharashtra lebt. Im südöstlichen Distrikt Dang stellen die "Scheduled Tribes" sogar mehr als 90 Prozent der Bevölkerung. Zur größten Gruppe unter den "Tribals" gehören die Bhil. Insbesondere sie sind von den Zwangsumsiedlungen im Narmada-Tal betroffen, wo der Bau des gigantischen Sardar Sarovar Staudamms und bis nach Kutch reichender Kanäle Strom und Wasser für den Rest Gujarats liefern sollen.
Bei der vorletzten Volkszählung 1991 nach ihrer "Religion" befragt, gaben 90 Prozent der Gujaratis an, Hindus zu sein, unter ihnen auch die große Mehrheit der "Scheduled Castes and Tribes". Knapp zehn Prozent bekannten sich zum Islam. Neben der mehrheitlich sunnitischen Muslimbevölkerung konzentriert sich in Gujarat neben Mumbai besonders die schiitische bzw. ismailitische Untergruppe und Händlerkaste der Bhoras. Den höchsten Anteil an der Bevölkerung stellen die Muslime im an Pakistan grenzenden Kutch. Doch in absoluten Zahlen ist ihr Schwerpunkt der Ballungsraum Ahmedabad-Vadodara, wo etwa ein Drittel von ihnen lebt. Etwa ein Prozent der Befragten bekannte sich zur alten Religion der Jainas, die in Gujarat mit den Tempeln von Palitana und Girnar in Kathiawar bedeutende Zentren hat. Eine verschwindende Minderheit gab schließlich an, Christen, Sikhs, Parsen oder Buddhisten zu sein. Insbesondere unter den "Scheduled Tribes" finden sich mit sieben Prozent überproportional viele Christen.
Haupt- und offizielle Amtssprache ist Gujarati, eine indo-europäische Sprache mit eigener Schrift, die den Sprachen Rajasthans ähnlich ist. Daneben werden Hindi und lokale Dialekte oder Sprachen gesprochen. Lesen und Schreiben können etwa 70 Prozent der Bevölkerung, wobei die Alphabetisierung der Frauen deutlich hinter der der Männer zurückliegt.
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