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26. Juni 2000. Indien Die dravidischen Parteien Tamil Nadus

Zur Entwicklung der dravidischen Parteien

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstand in Südindien eine dravidische Nationalbewegung. Sie richtete sich gegen das brahmanistische Kastensystem, das als Dominanz des "arischen" Nordens empfunden wurde. Aus dieser Bewegung ging die Justice Party unter Ramaswamy Naiker hervor, der in den 1940er Jahren die Gründung eines eigenen südindischen Staates propagierte, sich aber gegen den INC nicht durchsetzen konnte. Der sozialreformerische Flügel der Bewegung trat seit den 40er Jahren unter Periyar als Dravida Kazhagam auf.

Dessen Schüler C.N. Annadurai gründete 1949 die Dravida Munnetra Kazhagam (DMK), die nun eher die Interessen der Tamilen als die ganz Südindiens vertrat. Mit der sprachlichen Neugliederung der Staaten wurde sie zur wichtigsten Oppositionspartei in Tamil Nadu. 1967 gewann die DMK die Wahlen und Annadurai wurde Ministerpräsident.
Parteisymbol der AIADMK

Als er zwei Jahre später starb, brachen Konflikte um die Führung der Partei aus, die 1972 zur Spaltung führten. Seitdem existiert neben der DMK die All-India Anna Dravida Munnetra Kazhagam (AIADMK). Der AIADMK gelang es schnell, ihre Mutterpartei zu überflügeln, und 1977 wurde ihr Vorsitzender "M.G.R." Ministerpräsident. Die AIADMK regierte Tamil Nadu bis zum Tod von "M.G.R.".

Der Nachfolgestreit zwischen der Witwe von "M.G.R." und seiner Geliebten, der ehemaligen Filmschauspielerin Jayalalitha Jayaram, führte zu einer Regierungskrise, die Neu Delhi beendete, indem es Tamil Nadu der President´s Rule unterstellte. Bei anschließenden Wahlen kehrte die DMK zurück an die Macht, wurde aber 1991 ebenfalls durch Neu Delhi abgesetzt, als die Tamil Tigers ihren Terror von Sri Lanka aufs Festland ausgedehnten. Fünf Monate später wurde Jayalalitha ins Ministerpräsidentenamt gewählt - sie hatte sich beim Streit um die Führung der AIADMK durchgesetzt. Der Personenkult um sie kannte kaum Grenzen, so daß es wenig verwundert, daß sie 1996 nach schweren Korruptionsvorwürfen abgewählt wurde. Seitdem wird Tamil Nadu wieder von der DMK unter Führung des Ministerpräsidenten M. Karunanidhi regiert. Gegen Jayalalitha laufen seitdem zahlreiche Korruptionsverfahren. Nachdem die AIADMK 1998 als Koalitionspartner in die Regierung Vajpayee eingetreten war, drohte Jayalalitha regelmäßig mit Koalitionsbruch, um die DMK-Regierung in Tamil Nadu absetzen zu lassen. Schließlich machte sie ihre Drohung wahr, entzog Vajpayee im April das Vertrauen und war damit die eigentliche Verantwortliche für die Neuwahlen vom Herbst 1999.

Der Vajpayee-Regierung gelang es, für die anstehenden Wahlen die DMK als Koalitionspartner für die National Democratic Alliance zu gewinnen. Seitdem beschleunigten die Gerichte die Korruptionsverfahren gegen Jayalalitha. Ein Special Court verurteilte sie bereits zu einem Jahr Haft, während die Ermittlungen in anderen Verfahren noch laufen. Auf nationaler Ebene spielt die DMK insbesondere hinsichtlich der indischen Politik gegenüber dem Bürgerkrieg auf Sri Lanka eine wichtige Rolle, da sie ein scharfer Gegner jeder Intervention zugunsten der Regierung in Colombo ist.

Trotz aller Konflikte treten beide dravidischen Parteien für eine Stärkung des Föderalismus ein, bekämpfen die Durchsetzung von Hindi als Nationalsprache und betonen die Rolle des Staates bei der Armutsbekämpfung und als Motor der Entwicklung.

Quellen

  • Marguerite Ross Barnett (1976): The Politics of Cultural Natonalism in South India, Princeton: Princeton University Press
  • Robert L. Hardgrave (1965): The Dravidian Movement, Bombay
  • Jakob Rösel (1997): Die Gestalt und Entstehung des Tamilischen Nationalismus, Berlin: Duncker & Humblot

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