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17. Dezember 2000. Pakistan Bevölkerung, Kultur und Gesellschaft

Demographie

Im Jahre 1947, dem Jahr der Unabhängigkeit, lebten 32,5 Millionen Menschen in Pakistan. Heute wird von einer Einwohnerzahl um 140 Mio. ausgegangen. Das jährliche Bevölkerungswachstum liegt bei etwa 2,7%.

Mit durchschnittlich 185 Einwohnern pro km² hat Pakistan im Vergleich zu Deutschland eine kleinere Bevölkerungsdichte, die allerdings von Provinz zu Provinz sehr stark variiert. In Belutschistan, der mit 347.190 km² größten Provinz und einem großen Anteil an kargem Land, lebten 1998 laut Volkszählung 6,5 Mio. Einwohner. Dies entspricht einer Bevölkerungsdichte von 19 Einwohnern je km². Demgegenüber steht der 206.190 km² große Punjab, die bevölkerungsreichste Provinz des Landes mit ca. 73,5 Mio. Einwohnern, was etwa 55% der Gesamtbevölkerung ausmacht. Im Gebiet um die Hauptstadt Islamabad leben mehr als 550 Einwohner je km².

Die Bevölkerung Pakistans lebt zu über 35% in Städten. Wie überall in Entwicklungsländern sind auch hier "Megastädte" im Begriff zu wachsen. Mit 12 Mio. Einwohnern ist Karachi die größte Stadt des Landes, in der zu 90% Zuwanderer leben, die aus Indien kamen oder Landflüchtlinge sind.

Die Altersstruktur setzt sich wie folgt zusammen: Die jünger als 15-jährigen machen 41% der Bevölkerung aus, mit 55% liegt der höchste Anteil der Bevölkerung bei den 15- bis 64-jährigen. Fast die Hälfte der Bevölkerung dürften demnach Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sein. Die über 64-jährigen stellen hingegen nur 4% der Gesamtbevölkerung.

Die Benachteiligung der Frauen schlägt sich wie in fast allen südasiatischen Ländern deutlich im Geschlechterverhältnis nieder: 952 Frauen stehen 1.000 Männern gegenüber.

Ethnische Zusammensetzung

Die ältesten Funde menschlichen Lebens in dieser Region der Erde sind ca. 50.000 Jahre alt und stammen aus dem Soantal bei Rawalpindi. Die ersten Belege für die Kultivierung von Land in Belutschistan, der North Western Frontier Province (NWFP) und des Punjabs sind etwa 9.000 Jahre alt.

Pakistan ist ein Vielvölkerstaat.

Die größte Bevölkerungsgruppe sind die Punjabis, die auch im indischen Teil des zwischen Indien und Pakistan geteilten Punjab leben.

Die Provinz Sindh im Süden des Landes ist die Heimat der Sindhis. Die Pashtunen (Pathanen) leben in den nordwestlichen Gebieten und auf der afghanischen Seite der gemeinsamen Grenze.

Die ethnischen Gruppen in Belutschistan lassen sich in Beluchen, Pakhtunen und Brahui gliedern.

Die aus Indien immigrierten Muslime und ihre Nachfahren werden als Mohajirs bezeichnet. Sie sind vor allem in den an Indien angrenzenden Provinzen ansässig, insbesondere in Karachi.

In jeder Provinz gibt es Bevölkerungsminderheiten.

Aufgrund des anhaltenden Bürgerkrieges im Nachbarland Afghanistan ist ein Großteil der Flüchtlinge von dort in die NWFP, aber auch nach Belutschistan, die Northern Areas und vereinzelt in anderen Provinzen immigriert.

Die Angaben zu Zahlen über die Muttersprache können als Bezugsgröße für die ethnische Zusammensetzung verwendet werden.

Sprache

In Pakistan werden mehr als 20 Sprachen gesprochen, die indischen, iranischen und drawidischen Sprachfamilien zugeordnet werden.

Offizielle Nationalsprache ist das Urdu, eine indoarische Sprache, die sich aus dem Aufeinandertreffen des nach Südasien kommenden Arabisch und Persisch und den lokalen Sprachen entwickelte. Die genauere Bezeichnung Zaban-e-Urdu ist mit "Heerlagersprache" übersetzt und weist auf ihren Ursprung in den Heerlagern der muslimischen Eroberer hin.

Das Urdu, seit dem 16. Jahrhundert Hauptverkehrssprache Nordindiens, ist dem heutigen Hindi sehr nahe, aber die arabischen und persischen Einflüsse sind offensichtlich. Die frühere Verwaltungssprache der islamischen Herrscher wird in persischer Schrift geschrieben. Die gilt mit Ausnahme des Englischen auch für alle anderen in Pakistan gesprochenen Sprachen. Dennoch wurde Urdu vor der Unabhängigkeit Pakistans nicht im Gebiet des modernen Staates gesprochen. Heute ist lediglich für ca. 8% der Bevölkerung Muttersprache.

Punjabi, das der indischen Sprachfamilie entstammt, wird von mehr als der Hälfte der pakistanischen Bevölkerung gesprochen.

Es folgen die Sprachen Sindhi, das für mehr als 20% der Pakistaner die Muttersprache ist und, die offizielle Sprache der Provinz Sindh.

Ferner das Siraiki, einer Mischvariante von Punjabi und Sindhi, das von ca. 10% der Bevölkerung im Grenzgebiet zwischen Punjab und Sindh gesprochen wird.

Die Volksgruppe der Pashtunen spricht vor allem Pashtu - ca. 8% der Gesamtbevölkerung. Weitere lokale Sprachen und Dialekte machen ca. 8% aus.

Die Namensgleichheit der Sprachen mit den Provinznamen ist jedoch nicht immer deckungsgleich; so wird Urdu vor allem in Karachi (Sindh) gesprochen.

Englisch fungiert als "lingua franca" der pakistanischen Elite und wird als Geschäfts- und Bildungssprache sowie in den staatlichen Ministerien angewandt. Die Verfassung sieht eine Ablösung durch das Urdu vor. Als Bildungssprachen sind durch den Islam auch Arabisch und Persisch als Literatursprache verbreitet.

Religion

Das Gebiet des heutigen Pakistan ist reich an religiöser Geschichte. Hier entstand der Brahmanismus, der sich zum Hinduismus weiterentwickelte. Der Buddhismus erlebte im Industal eine Blütezeit und die Schule der Mahayana (Großer Wagen) wurde dort gegründet. Vor knapp 500 Jahren entstand im Punjab unter Guru Nanak die Religion der Sikhs.

97% der pakistanischen Bevölkerung sind Muslime. Zwei Drittel bekennen sich zum Islam sunnitischer Prägung, das andere Drittel gehört der schiitischen Glaubensrichtung und kleineren Sekten an, wie z.B. den Ahmadiyya.

Christen, Hindus, Sikhs sowie wenige Parsen, die Anhänger Zarathustras, und Buddhisten bilden mit 3% die "anderen Religionen".

Der erstmals im 8. Jahrhundert von Arabien auf den Subkontinent gelangte Islam ist Staatsreligion und das islamische Recht, die Sharia, stellt die Grundlage des Justizsystems dar. Offiziell besteht Religionsfreiheit, doch werden die bereits erwähnten Ahmadiyya vom Staat nicht als Muslime anerkannt und sind Repressalien ausgesetzt. Bei Parlamentswahlen wird nach Religionen getrennt gewählt.

Zentrum des religiösen Lebens sind die Moscheen. Die größten Moscheen des Landes sind die Faisal Moschee in Islamabad, sowie die aus der Mogul-Zeit stammende Badshahi-Moschee in Lahore. Beide Moscheen gehören zu den größten der Welt. Die moderne Faisal-Moschee, wurde mit finanzieller Hilfe aus Saudi Arabien und der Türkei erbaut.

Die mystische Richtung des Islam, der Sufismus, nimmt im religiösen Leben vieler Pakistaner eine wichtige Rolle ein. Die unzähligen Schreine überall im Land, die den "Heiligen Männern" gewidmet sind und Pilgerer von überall anziehen, sind als soziale Zentren etabliert.

Familie und Sozialstruktur

Der Kern des sozialen Lebens ist die Familie, die im allgemeinen eine Großfamilie ist. So bekommt eine pakistanische Frau im Durchschnitt 4,91 Kinder (1998), womit das Land weit über dem südasiatischen Durchschnitt liegt.

Die Regierung verdeutlicht durch Familienplanungsprogramme, die auch eine verbesserte Bildung miteinbeziehen, die Dringlichkeit einer Senkung der Geburtenzahlen.

Traditionell ist der Mann in einer Großfamilie Familienoberhaupt. Pakistanischer Auffassung zufolge ist eine Hochzeit nicht nur die Verbindung zweier Menschen sondern auch zweier Familien. Beide Familien sind an den Vorbereitungen zur Hochzeit beteiligt und schließen einen Heiratsvertrag ab. Die Hochzeitsrituale gestalten sich sehr traditionell.

Der tonangebende, zumeist älteste Mann der Familie spielt eine wichtige Rolle. Er nimmt entscheidenden Einfluß auf das Leben seiner Familienmitglieder, auch wenn Frauen durch die Modernisierung mehr und mehr Mitspracherecht und am öffentlichen Leben, zumindest in vielen Städten, teilhaben.

Nach islamischem Recht ist es einem Mann erlaubt bis zu vier Frauen zu heiraten, sofern er alle gleichwertig behandeln kann; doch nur sehr wenige Männer in Pakistan haben mehr als eine Ehefrau.

Noch in jüngster Vergangenheit kam es zu sog. "honour killings", bei denen Ehefrauen von ihren Familien zur "Rettung der Familienehre" ermordet wurden.

Alte Menschen sind sehr geachtet und werden mit Respekt behandelt. Obwohl die Modernisierung der vergangenen Jahrzehnte die gesellschaftlichen Unterschiede zum großen Teil verändert hat, sind weiterhin Mitglieder der traditionell einflußreichen Großgrundbesitzerfamilien in allen wichtigen Schlüsselstellungen des Landes vertreten.

Bildungs- und Gesundheitswesen

Zur Unabhängigkeit konnten nur etwa 15% der Menschen lesen und schreiben. Heute sind es nicht mehr als 40%, dabei gibt es bei der Alphabetisierungsrate ein enormes Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen. So liegt die der Männer mit 50 % doppelt so hoch wie die der Frauen.

Der Unterschied zwischen Stadt und Land ist von Bedeutung, so besteht bei Frauen auf dem Land oft eine unter 5% liegende Alphabetisierungsrate. Der staatlichen Definition zufolge gilt derjenige nicht als Analphabet, der es versteht, seinen Namen zu schreiben und zu lesen.

Nur etwas mehr als 2% des pakistanischen Haushaltes werden für Bildung ausgegeben, obwohl das Land im südasiatischen Vergleich eine überdurchschnittlich hohe Analphabetenrate aufweist. Wenngleich die Verfassung allgemeine und kostenlose Bildung garantiert, ist die Realität doch weit entfernt von einer allgemeinen Schulpflicht.

Sofern überhaupt Schulen vorhanden sind, decken diese, insbesondere in den ländlichen Gebieten, im Hinblick auf Ausstattung und Wissensvermitlung allenfalls Grundbedürfnisse. Lehrer sind oft schlecht ausgebildet. Viele Schulen bestehen lediglich auf dem Papier um in den Genuß staatlicher Mittel zu kommen.

Weniger als ein Drittel der Jungen und sogar nur ein Fünftel der Mädchen besuchen nach dem Abschluß der Grundschule weiterführende Schulen. Das Berufsschulwesen steht mit 94.000 (1995) Schülern auf den 687 Secondary Vocational Institutions noch am Anfang seiner Entwicklung.

Insgesamt ist es kaum verwunderlich, daß wohlhabendere Familien Privatschulen den staatlichen Schulen vorgeziehen, obwohl sich die soziale Polarisierung dadurch noch verschärft.

Die größten wissenschaftlichen Einrichtungen sind die jeweils zwei Universitäten in Lahore und Karachi, die beiden Hochschulen in Hyderabad und die Landwirtschaftliche Universität von Faisalabad.

Trotz aller Schwächen des Bildungswesens wird in Pakistan Bildung als wichtigster Aspekt im Hinblick der Öffnung für neue Möglichkeiten und das Anheben des Lebensstandards betrachtet.

Auch im Gesundheitswesen steht Pakistan im internationalen Vergleich als eines der Schlusslichter da. Nur ein 1% des Staatshaushaltes fließen in die medizinische Versorgung der Bevölkerung.

Einige Zahlen veranschaulichen den Zustand des Gesundheitswesens: Auf einen Arzt fallen ca. 1.900 Einwohner, auf eine Krankenschwester kommen ca. 5.700 Menschen, und ein Zahnarzt ist für ca. 50.000 Pakistaner zuständig.

Der Unterschied zwischen städtischer und ländlicher Versorgung ist auch hier gravierend. Es fehlt insbesondere auf dem Land an Ärzten. Die Bevölkerung ist daher noch in hohem Maße auf die Selbstversorgung durch traditionelle medizinische Praktiken angewiesen.

Durch unsaubere Lebensmittel, verschmutztes Trinkwasser, unhygienische Verhältnisse sowie mangelnde gesundheitliche Aufklärung und den akuten Mangel an Ärzten ist Unterernährung weitverbreitet. Pakistan erreicht eine der höchsten Kindersterblichkeitsraten weltweit.

Bei 85% aller Geburten handelt es sich um Hausgeburten, die oft von ungelernten und unerfahrenen Helfern begleitet werden. Landesweit stirbt jedes zehnte Kind innerhalb des ersten Lebensjahres.

Herz- und Kreislaufkrankheiten, Tuberkulose, Krebs, Hepatitis, Durchfallerkrankungen und Cholera sind weitere Folgen der genannten Mißstände. Die durchschnittliche Lebenserwartung lag 1999 bei 59 Jahren.

1995 gab es offiziellen Angaben zufolge 823 Krankenhäuser mit 85.552 Betten. Darüber hinaus gab es etwa 4.600 "Basic Health Units" sowie 500 ländliche Gesundheitszentren (1994). Von diesen verfügen nahezu die Hälfte nicht über fließendes Wasser oder über eine Kanalisation.

Während viele pakistanische Ärtze nach ihrer Ausbildung ins Ausland gehen, finden sich manche doch zu gemeinnützigen Initiativen zusammen, wie z.B. der bekannten Edhi Foundation, ohne deren Arbeit das Gesundheitssystem wahrscheinlich längst zusammengebrochen wäre.

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