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05. Oktober 2006. Interviews: Kunst & Kultur - Pakistan "I'm a poet, I'm a feminist, and I'm Muslim"

Ein Interview mit der pakistanischen Dichterin Kyla Pasha

Die Frankfurter Buchmesse bringt dieses Jahr indische Schriftstellerinnen und Schriftsteller nach Deutschland. In Südasien gibt es aber noch mehr zu lesen. In allen südasiatischen Ländern leben und schreiben Autorinnen und Dichter, viele davon sind in Deutschland völlig unbekannt. Wir lenken anlässlich der Buchmesse unseren Blick nach Pakistan und stellen mit einem Interview die junge Dichterin Kyla Pasha vor. Die 27jährige stammt aus Islamabad und arbeitet als Dozentin für vergleichende Religionswissenschaft und Geschichte in Lahore. In ihren Gedichten verbindet sie ihren muslimischen Glauben mit ihrer feministischen Überzeugung. Sie schreibt über Grenzen und Entortungen, dabei überschreitet sie Grenzen und entwickelt neue Perspektiven. Das Interview wurde im Sommer 2006 über einen Zeitraum von drei Wochen per E-Mail durchgeführt.

Kyla, Du hast Dich mir gegenüber wie folgt beschrieben: "Ich bin eine Dichterin, ich bin eine Feministin und ich bin eine Muslima". Sind Dir diese drei ‚Etiketten’ gleich wichtig? Wie sind sie miteinander verbunden?
Ich weiß nicht, ob sie gleich wichtig sind. Ich denke, die Bedeutung von solchen ‚Etiketten’ verändert sich mit jeder Situation, und im Laufe der Zeit. Es gab eine Zeit, da war meine erste Identität Muslima. Ich habe mich darauf konzentriert Muslima zu sein, sowohl in Theorie als auch in Praxis. Ich wollte, dass Leute an mich oder jemanden wie mich denken, wenn sie an eine Muslima denken. Und das war meine Art Änderung zu bewirken, einzugreifen.
Und das ist es immer noch. Aber der Islam ist sehr viel wichtiger für mich geworden, seitdem ich 19, 20 Jahre alt bin, und ich habe aufgehört ihn so sehr als ‚Etikett’ zu tragen. Ich verbringe mehr Zeit damit, darüber nachzudenken wie er im Leben von ‚normalen’ Menschen wirkt als darüber wie ‚normale’ Menschen sich ein Bein ausreißen und hart arbeiten, um eine statische Vorstellung vom Islam in ihre sich sehr stark verändernden und harten Leben einzupassen.
Aber ich bin eine Muslima durch und durch. Ich zitiere Koranstellen in meinen Gedichten, die Bezüge sind muslimische oder islamische Verständnisse von biblischen Geschichten. Mein Glaube ist sehr fest, und ich lebe ihn so weit ich kann.
Eine Dichterin zu sein und Feministin zu sein, ist für mich mehr oder weniger das Gleiche geworden. Auch dies ist mit der Zeit entstanden. Ich bin jetzt 27 Jahre alt, und ich habe gelernt, dass ‚Etiketten’ als Abzeichen getragen nutzlos sind. Aber sie können in bestimmten Situationen nützlich sein. Und wenn es darum geht, meine Gedichte zu beschreiben, sagen mir Freunde und Freundinnen, dass ich eine feministische Dichterin bin. Ich wurde überzeugt. Meine Gedichte sind politisch. Nicht weil ich über Palästina oder Ehrenmorde in Pakistan schreibe – das mache ich nicht. Sondern ich glaube, weil ich sehr persönliche Sachen schreibe, sehr nahe an dem, wer ich bin and wer meine Leser und Leserinnen in meiner Vorstellung sind. Ich schreibe jedes meiner Gedichte als eine Intervention: in einen Diskurs irgendwo, in jemandes Leben. Die amerikanische Liedermacherin Ani diFranco singt "I hoffe eine Frau hört meine Musik und sie hilft ihr durch den Tag." Es ist ein bisschen so wie sie singt. Ich hoffe, dass jemand ein Gedicht liest, innehält, es wieder liest, innehält. Und dann mit dem restlichen Tag weitermacht, überzeugt davon, dass sich die Welt vor allem anderen um andere Menschen dreht.
Das 'Etikett', das ich vergessen habe, Dir anzugeben, ist "Pakistani". Ich bin eine pakistanische Dichterin. Ich trage dies aus einem einzigen Grund: es ist mein Land, was auch immer geschieht. Ich liebe es irgendwie. Es ist besser als "südasiatisch", was schwerfällig ist. Und ich bin definitiv nicht indisch, auch wenn ich meine Inderinnen und Inder liebe. Es ist tatsächlich durch meine indischen Freundinnen und Freunde gekommen: eines Tages habe ich verstanden, dass wir ähnlich sind, aber dass wir nicht wirklich gleich sind. Der linke Mythos ist falsch. Daher werfe ich eine Kusshand über die Grenze und schwenke mein Grün und Weiß.
Kannst Du genauer erklären, was so spezifisch feministisch an Deinen Gedichten bzw. an Dir ist?
Indem ich das aufschreibe, was in dem Moment in meinem Kopf und meinem Herzen ist, werden, denke ich, meine Gedichte feministisch. Ich schreibe über mein Leben oder Dinge, die etwas in meinem Leben auslösen. Nicht alles in meinem Leben dreht sich um Gender [1]. Tatsächlich sind vielleicht 50% der Geschehnisse, die ein Gedicht hervorbringen, mit Gender verbunden. Vielleicht weniger. Ich schreibe über das, was ich sehe und kenne und verstehe, und das was mir nahe ist. Das ist ein grundsätzliches feministisches Prinzip. Ich bin eine Feministin, weil ich in meinen Gedichte Dinge veröffentliche, die privat sind. Ich bin eine Feministin, weil ich das erste Werkzeug aus der feministischen Werkzeugkiste nutze: das Private ist politisch.
Ich schreibe Gedichte, die Du liest und sagst: "Oh, wow, das ist verrückter Frauenkram." Gedichte mit kraftvollen Bildern von – ich weiß nicht – Menstruationsblut oder so was. Das ist der Witz – menstruale Symbolik ist gleich feministische Dichtung. Ich habe etwas davon. Ich sage hin und wieder "Votze" [2]. Aber das sind nur Symbole. Einige der Charaktere meiner Gedichte sind Frauen: entweder ich selbst oder andere Frauen, tatsächliche Frauen, erfundene Frauen, "Frauen" als eine Kategorie. In diesem Sinn können gerade diese Gedichte als feministische Gedichte kategorisiert werden.
Aber am meisten schreibe ich Liebesgedichte. Ich verliebe mich viel. Und ich bin ein religiöser Mensch, also bin ich ständig in einer schmerzhaften Liebesbeziehung zu Gott. Ich möchte ein sinnvolles, nützliches Leben haben, also bin ich in einer Hassliebesbeziehung mit einer kaputten Welt. Daher sind alle meine Gedichte für mich Liebesgedichte. Das macht, für mich, meine Gedichte feministisch.
Jetzt, wo ich sie formuliere, habe ich das Gefühl, dass viele Leute meiner Vorstellung von Feminismus widersprechen würden. Aber trotzdem.
Meine Freundinnen und Freunde sagen mir, dass ich politisch bin. Ich bin diejenige, die sagt, ich bin Feministin. Sie glauben nicht unbedingt, dass ich Feministin bin, da ich nicht hinter jedem Anliegen der pakistanischen Frauenbewegung stehe. Ich meine, es ist nicht so schwarzweiß. Wie ich kategorisiert werde, hängt davon ab, wer mir zuhört und nach was sie suchen.
Du beschreibst Dich als Feministin und Muslima. In der westlichen Vorstellung gehen die beiden ‚Etiketten’ nicht zusammen. Schreibst Du auch für ein westliches Publikum? Willst Du seinen Stereotypen und Vorurteilen entgegentreten?
Ich schreibe nicht ausdrücklich für ein westliches Publikum. Um genau zu sein, meine Schriftstellerinnenfreundinnen und -freunde und ich tauschen uns über den Trend südasiatischer Literatur, eher für das westliche Publikum als unseren eigenen Kontext zu schreiben, aus – und wir sprechen darüber wie unnatürlich sich das langsam anfühlt. Wir möchten die Mangos und Monsune überwinden, verstehst Du? Daher bemühe ich mich, in meinen Versuchen an Literatur (die ich noch nicht einmal versucht habe zu veröffentlichen) an ein pakistanisches Publikum zu denken.
Ein doppeltes Publikum habe ich, wenn ich in meinem Blog schreibe. Den habe ich angefangen, weil ich frustriert war, auf zwei Kontinenten getrennt zu leben, in so vieler Hinsicht gespalten. Meine Mutter ist Amerikanerin und lebt in Amerika. Mein Vater ist Pakistani und lebt in Pakistan. Ich habe damals in Seattle gelebt, war an der Universität und wollte über Islam und Pakistan und Amerika und geographische Distanzen sprechen, und über all das wollte ich an einem Ort schreiben. Ich wollte im gleichen Atemzug über Populärkultur sprechen wie über Religion, im gleichen Atemzug mit den Nachrichten, im gleichen Atemzug über Liebe und Familie. Dadurch dass Bloggen das erlaubt, ist es eine wunderbare Revolution für das Schreiben.
Ich mag das Brechen von Stereotypen nicht wirklich, nicht als meine Haupttätigkeit. Ich habe das Gefühl, wenn man selbst in sich ein gebrochenes Stereotyp ist, dann muss man nicht rum rennen und allen erzählen, dass nicht alle muslimischen Frauen unterdrückt sind.
Und es gibt Fragen, die kann oder will ich nicht beantworten, Fragen, an denen das ‚westliche’ Publikum festhält: z.B. die Frauen und das Kopftuch. Ich interessiere mich schlicht nicht dafür. Frag eine Frau, die das Kopftuch trägt, stattdessen. Du verstehst mich? Ich bin nicht das Sprachrohr, nicht die Wortführerin für jedes Anliegen, dass das 'westliche' Subjekt faszinierend findet an dem, was es für 'islamisch' oder 'orientalisch' - oder welch anderes 'Etikett' es wählt - hält.
Wenn mich jemand mit einem Stereotyp konfrontiert, sicher, dann halte ich dagegen. Aber nur, wenn ich denke, dass ich das wirksam tun kann. Manchmal stellen Dir Leute eine Frage voll stereotyper Vorstellungen und eifernder Borniertheit, obwohl sie eigentlich nur ihre Meinung zum Besten geben wollen. Die wollen nicht zuhören. Es gibt eine Hadith, einen Spruch des Propheten Mohammad: Wenn Du jemanden besuchen willst, dann klopfe einmal. Wenn niemand antwortet, dann klopfe ein zweites mal. Und wenn dann immer noch keiner antwortet, dann klopfe ein drittes mal. Wenn dann immer noch keiner antwortet, dann gehe. Und urteile nicht darüber, weshalb sie nicht geantwortet haben. Ich möchte das auf das Leben anwenden: Wenn es so aussieht, als ob sie zuhören werden, dann spreche ich. Wenn es so aussieht, als ob sie bereits eine feste Meinung haben, dann kann ich Besseres mit meiner Zeit tun, und auch mit meinem Schreiben. Nicht mein ganzes Leben dreht sich darum, eine muslimische feministische Frau zu sein. Feminismus ist ein Werkzeug, nicht eine Ideologie. Andere Menschen müssen ihr Leben leben, und ihre eigenen Urteile bilden.
Was meinst Du, wenn Du sagst, dass Feminismus ein Werkzeug und keine Ideologie ist?
Ich weiß, dass viele Menschen es für eine Ideologie halten. Sie sagen "Ich bin eine Feministin" und "Du bist eine Feministin!" so wie sie sagen "Du bist eine Muslima", "Ich bin eine Marxistin" etc. Aber ich glaube, erstens, dass es zu viele Formen von Feminismus gibt, um an einen großen Feminismus zu glauben. Es ist nicht wie eine Nation oder die queere Bewegung, wir haben keine Fahnen oder Farben.
Zweitens, und viel wichtiger: Feminismus ist eine Intervention. Feminismus bringt Dir bei, wie Du den Alltag lesen kannst und wie Du seine sexistischen Tendenzen, seine rassistischen Tendenzen, seine Klassenunterschiede, seine heterosexistischen Tendenzen, seine nationalistischen Tendenzen, seine religiösen Tendenzen, seine säkularen Tendenzen herausfinden kannst. Feminismus bringt Dir bei, wie Du zwischen den Zeilen lesen kannst, wie Du das entdecken kannst, was fehlt, wie Du die Lücken findest. Feminismus ist ein Werkzeug, dem Schweigen eine Stimme zu geben und das Verborgene aufzudecken.
Aber Werkzeuge benutzt Du nur, wenn Du sie brauchst. Du läufst nicht herum und schwenkst eine Fahne mit einem Schraubenschlüssel, nur weil Du zufällig oft einen Schraubenschlüssel benutzt.
In dem Kontext dieses Interviews ist es aus bestimmten Gründen sinnvoll, mich als Muslima und Feministin zu ‚etikettieren’. So sieht Deine Leserinnenschaft etwas, das sie sonst nicht gesehen hätte, und damit habe ich mein feministisches Werkzeug, dem Schweigen eine Stimme zu geben, etwas Verborgenes zu zeigen, genutzt – und das hast auch Du!
Du hast von Deinem Blog Geography, Telecast gesprochen, verstehst Du das Bloggen als Teil Deines Schreibens?
Um ehrlich zu sein, habe ich mein Bloggen nicht als Teil meines Schreibens verstanden, bis Du mich um dieses Interview gebeten hast. Aber dann habe ich mir gedacht: Ich schreibe und es ist öffentlich, also muss es Teil meines Schreibens sein.
Ich mag das Bloggen, weil es mir viel offener als meine Gedichte erlaubt, die Situation, den Ort, die Zeit, das gesellschaftliche und politische Umfeld, in dem ich lebe, zu kommentieren. Gedichte sind schamhaft, Du kannst Sachen verstecken, selbst wenn es die ehrlichste Form des Schreibens ist, über die ich verfüge. Beim Bloggen kann ich über Politik und geographische Distanzen sprechen, ich kann wie eine Kolumnistin schreibe, ohne jemanden bitten zu müssen, meine Kolumne abzudrucken, und ich habe volle Redefreiheit. (So sehr, dass sowohl Indien als auch Pakistan die Blogspot-Domain gesperrt haben.) Und ja, die potentiell weltweite Leserschaft, ist wahrscheinlich das Attraktivste daran. Ein Blog ist dieser Tage etwas erstaunliches. In den hohen Ligen sind Blogs ehrlicher als Journalismus – mit den hohen Ligen meine ich die Blogs, die am meisten gelesen werden. Der Grund dafür ist, dass die Autorinnen und Autoren sie selber gestalten können, sich damit identifizieren können.
Ich mag das Bloggen, weil sich dort das Private so leicht mit dem Öffentlichen und Politischen vermischt. Es passt wirklich gut zu meiner Person. Es ist ein gutes feministisches Werkzeug.
Du hast vor allem über Deine Gedichte gesprochen, jetzt auch über Deinen Blog, aber bisher hast Du Dein Theaterstück nicht erwähnt. Warum nicht?
Ich vermute, Du meinst "Dost". Ich habe nicht über "Dost" gesprochen, weil es mein erster Versuch war, etwas in Urdu zu schreiben, und ich habe das nicht als ernsthaften Versuch verstanden. Ich habe es aus einer Laune heraus geschrieben. Abends um 23 Uhr habe ich angefangen und einfach eine Nacht durch geschrieben. Auf einmal war es 3 Uhr morgens und ich war fertig. Dann bin ich schlafen gegangen, bin vier Stunden später aufgewacht und bin zur Arbeit gegangen. Das war es dann mehr oder weniger.
Bis ich ein paar Tage später meiner Freundin Ponni Arasu in Indien geschrieben habe - sie hatte mich überhaupt erst zu dem Stück inspiriert - und dabei nebenbei gesagt habe: "Hey, ich habe dieses dumme Ding geschrieben, willst Du es lesen?". Dann habe ich es ins lateinische Alphabet umgeschrieben, damit sie es verstehen kann und es ihr per Email geschickt. Und dann hat sie gesagt, dass sie es aufführen will.
"Dost" bedeutet Freund in Urdu und Hindi. Es ist eine Ein-Frau-Show, ein Monolog, der etwa 20 Minuten läuft. Der Ausgangspunkt ist, dass eine pakistanische Frau nach Indien geht und sich vorstellt. Ich weiß nicht genau, wie ich auf die Idee gekommen bin. Es war keine bewusste Intervention, da ich, wie gesagt, einfach nur zum Spaß geschrieben habe. Es sind viele feministische Anliegen und Agenden in das Stück gewoben. Es hat auch ein anderes bedeutendes Thema: zwischen Indien und Pakistan Grenzen überschreiten und Frieden stiften. Aber, obwohl es Ponni an mehreren kleinen Veranstaltungsorten aufgeführt hat, obwohl ich es für sie zum Aufführen geschrieben habe (in den wenigen Momenten, in denen ich es ernst genommen habe), nehme ich das ganze Stück immer noch nicht ernst.
Ich habe es zum ersten Mal aufgeführt gesehen in Madras im Dezember 2005. Das war sehr eindrücklich. Es hat sich dann echter angefühlt. Ich habe es dann angefangen ernster zu nehmen. Ich habe auch mehr Potenzial für solche Werke gesehen und das ernster genommen. Und vor allem habe ich meine Fähigkeit, in Urdu zu schreiben, ernster genommen. Englisch ist meine stärkere Sprache, daher schreibe ich die meiste Zeit in ihr. Aber ich stelle jetzt fest, dass ich umgangssprachliches Urdu wirksam schreiben kann. Als Halb-"Gori" (Halb-Weiße) hatte ich lange nicht dieses Vertrauen in mich. Meine Umwelt hat das bestärkt, weil – das ist die Wahrheit – mein Urdu wirklich nicht so stark ist wie mein Englisch.
Ich habe nur gerade erst verstanden, dass es das nicht sein muss.
Nachdem ich all das gesagt habe: Ich kann viel Besseres schreiben als "Dost". Es ist ok. Für etwas Geschriebenes ist es ok. Aber es ist nicht toll. Mir wird gesagt, es ist wirksam. Aber in einer Weise ist es egal, was Du einer Schriftstellerin über ihr Werk sagst: Wenn sie denkt, dass es toll ist, und Du denkst, es ist furchtbar, dann spielt Deine Meinung keine Rolle. Und wenn sie denkt, dass es Mist ist, dann wird keine Macht der Welt sie vom Gegenteil überzeugen. Ich denke es ist ganz ok, aber ich kann viel besser schreiben. Daher spreche ich nicht viel darüber.
Ich werde es aber bald auf meine Webseite laden!
Was war Deine Motivation eine eigene Webseite kylapasha.com zu gestalten? Hast Du auch an anderen Orten Deine Gedichte veröffentlicht?
Ich habe mich entschieden, meine eigene Webseite zu machen, weil ich wollte, dass meine Gedichte öffentlich lesbar sind, ohne dass ich dabei durch jemand Zweiten wie eine Zeitschrift gehen muss. Ich will natürlich auch in Zeitschriften und Magazinen veröffentlicht werden, weil das der Weg ist, um den Ruf einer guten Dichterin zu erlangen – was Dir dann auch mehr Leserinnen und Leser beschert. Aber das Internet ist mittlerweile so wichtig, dass es der erste Weg zur Werbung für sich selbst ist. Daher habe ich beschlossen, dass kylapasha.com ein Schaukasten für die Arbeiten, die ich für meine besten halte, sein soll.
Die Webseite ist organisiert in Sätzen von Gedichten – in Sammlungen, die irgendwie das gleiche allgemeine Thema haben. Da geographische Distanzen und Ort (und damit auch Entortung) zentrale Themen in meinem Leben sind, enthält "Driving Home" Gedichte über Vorstellungen von zu Hause und Exil, Familie und Liebe zu einem Ort und Menschen. Diese Gedichte habe ich nach dem Schreiben unter diesen Titel versammelt. Ich habe sie nicht bewusst zu einem Thema geschrieben. Im Gegensatz hierzu ist "Border" ein bewusstes Werk – alle Gedichte sind besessen vom Krieg, dem Überschreiten von imaginären und realen Grenzen, dem Kampf zwischen Liebe, geographischen Distanzen und zu Hause. Es gibt auch andere Themen, an denen ich arbeite, da ich noch viel mehr Gedichte habe!
Die Webseite war auch ein erster Versuch, meine Gedichte zu organisieren, damit ich sie später als Buch herausbringen kann. Ich will sie nicht einfach alle in einem Buch zusammenwerfen – ich möchte, dass mein erstes Buch ein Kunstwerk in sich und von sich selbst ist.
Am meisten habe ich auf chowk.com veröffentlicht. Ich habe da Gedichte und auch ein paar nicht-literarische Essays, meistens Kommentare zu religiösen oder sozialen Dingen, die mich bewegt haben, veröffentlicht. Ich bin auch in der Alhamra Literary Review aus Islamabad veröffentlicht worden. Sie haben einen Auszug aus einem Text, an dem ich arbeite und der – wer weiß? - vielleicht ein Roman wird, abgedruckt.
Du hast vorher von Deinen Schriftstellerinnenfreundinnen und -freunden gesprochen. Wer sind die, seid Ihr irgendwie organisiert, trefft Ihr Euch regelmäßig?
Schriftstellerinnen und Schriftsteller neigen dazu, sich zu finden. In Islamabad und Lahore, den zwei Städten, in denen ich die meiste Zeit verbringe, gestehen sich Leute nach und nach: "Ja, ich mache einen langweiligen Marketingjob am Tag, aber eigentlich arbeite ich an einem Roman." So lernen wir uns kennen. Wir sind nicht wirklich organisiert, meine Freundinnen und Freunde und ich. Wir wären es gerne, aber ich vermute, wir haben noch nicht herausgefunden, wie wir uns organisieren können oder was wir machen sollten. Die Leute, über die wir gerade reden, sind nicht wirklich Schriftstellerinnenfreundinnen und -freunde sondern Freundinnen und Freunde, die schreiben. Macht diese Unterscheidung Sinn? Ich treffe Leute und stelle später fest, dass sie auch schreiben. So lerne ich nach und nach andere Schreibende kennen. Und wir zeigen uns nach und nach gegenseitig unsere Arbeiten und versuchen zu entscheiden, wie wir weiter kommen mit unserer Karriere als Schriftstellerin oder Schriftsteller. Währenddessen sprechen wir über die Situation von Literatur in Südasien, die Substanz, die Politik und wo wir denken, dass sie sich hin entwickelt. Wir sind noch jung. Es gibt noch viel Zeit für uns, uns zu organisieren.
Um etwas über die Szene der Schriftstellerinnen und Schriftsteller zu erfahren, müsstest Du jemanden fragen, die einen Buchvertrag und mehrere Romane in der Tasche hat – jemand, die nicht ihre Manuskripte zu Penguin India oder Oxford University Press schicken und beten muss, dass jemand sie überhaupt sehen wird. Die Szene von Schreibenden, von der ich spreche, sind Freundinnen und Freunde, die sich über ihre Arbeit austauschen, so wie sie sich über alles andere austauschen. Es ist nichts Interessantes oder glamouröses. Ich wünschte es wäre. Ich würde gerne eine aufregende Literaturszene porträtieren! Aber wenn es eine gibt, dann bin ich nicht Teil davon!
Was sollten die Leserinnen und Leser dieses Interviews über Dein Leben wissen, über das was Du neben dem Schreiben noch machst?
Ich denke mir mal, die Leserinnen und Leser sollten wissen, dass ich vom Schreiben nicht leben kann. Zur Zeit arbeite ich als Dozentin an einer Universität in Lahore. Ich unterrichte an einer recht neuen Universität Bachelor-Kurse in Vergleichender Religionswissenschaft und Geschichte. Ich lebe in einer anderen Stadt als meine Eltern und teile mir eine Wohnung mit einer guten Freundin. Ich gehe viel in Kunstausstellungen – es gibt eine viel stärkere Tradition von visueller Kunst in Pakistan als von englischsprachiger Literatur. Ich träume von einer gemeinsamen Arbeit mit anderen Künstlerinnen und Künstlern. Und wie alle Dichterinnen überall warte ich auf Ruhm und Reichtum, während ich mein Leben lebe und meine Zeit mit anderen Dingen verbringe!
Das ist es mehr oder weniger!
TELL HER
von Kyla Pasha

Will you persist, axe to your own
throat, standing on the front lines?
I love your body, don't you love your body?
And all the dead rebound off
the ground, and say, "Tell her to
stop, Kyla, tell her to come live
on this side of the line, where there is
sparse shelling and time for tea between.
Tell her the world is made from dirt and water
which take care of their own - they take
care of their own in the end. No holding
the world, tell her, no carrying it on
your shoulders like that's what it means
to be strong." I was on the field, my love,
when they said, "Tell her: it's her
that has gravity, she already
calls the earth to her knees.

Anmerkungen

[1] "Gender" ist ein Begriff aus der feministischen Theorie, der für das soziale Geschlecht steht.

[2] Anmerkungen zur Übersetzung: Das Interview wurde in Englisch geführt, der Sprache in der Kyla am meisten schreibt. Als ungeübte Übersetzerin konnte ich ihren Stil und sorgfältig gewählte Sprache nur zum Teil übertragen. Es war auch nicht immer einfach, die in Englisch formulierten Gedanken in einen deutschen Kontext zu übertragen. So ist, zum Beispiel, "Votze" als Übersetzung für "cunt" nicht wirklich korrekt. Kyla hat auf meine Nachtfrage "cunt" wie folgt erklärt: "Ein traditionell vulgäres und beleidigendes Wort für Vagina, und damit für Frauen." Das Besondere aber sei, dass sich der Feminismus das Wort aneigne und damit zu einem emanzipativen mache. Der deutsche Begriff "Votze" leistet diese Doppelbedeutung nur zum Teil.

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