Inhalt

12. Juli 2002. Analysen: Politik & Recht - Nepal "Volkskrieg" im Himalaja

Nepals Bürgerkrieg eskaliert

Es war die Stunde der Exekutive: Am 22. Mai löste Nepals König Gyanendra das Parlament auf und rief Neuwahlen aus. Auslöser der Regierungskrise war die Forderung von Premierminister Sher Bahadur Deuba, den Ausnahmezustand um weitere sechs Monate zu verlängern.

Seit dessen Ausrufung Ende November 2001 eskaliert der Bürgerkrieg: Allein Anfang Mai tötete die Armee innerhalb weniger Tage über 500 maoistische Aufständische bzw. "Sympathisanten". Damit starben in den letzten sechs Monaten doppelt so viele Menschen wie in den vorangegangenen knapp sechs Kriegsjahren, zusammen mindestens 4000. Im Ausnahmezustand hatten Menschenrechtsverletzungen so massiv zugenommen, dass neben der parlamentarischen Opposition auch zunehmend Abgeordnete des regierenden Nepali Congress einer Verlängerung widersprachen.

Als sich im Parlament abzeichnete, dass die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit nicht zustande kommen würde, erklärte Deuba am 26. Mai 2002 seinen Rücktritt. Der Bitte des Premiers folgend, löste der König das Parlament auf, verlängerte den Ausnahmezustand um weitere 6 Monate und rief für den 13. November Neuwahlen aus. Damit bleibt Deuba als Übergangspremier nun ein weiteres halbes Jahr im Amt. Unmittelbar nach dem Coup schloss der Congress Deuba und die im Amt verbliebenen Minister aus seinen Reihen aus.

König, Parlament und Regierung

Auch 12 Jahre nach der Parlamentarisierung des politischen Systems verfügt der König noch immer über eine immense Macht. Die Verfassung (1) – die der seit 1972 absolut regierende König Birendra 1990 nach monatelangen Protesten hatte unterschreiben müssen - beschreibt Nepal in der Präambel zwar als konstitutionelle Monarchie, in der die Souveränität beim Volk liegt. Dennoch ist der König Teil der Exekutive: Alle Steuergesetze und Gesetze die Armee oder Polizei betreffend bedürfen seiner Zustimmung, noch bevor sie ins Parlament eingebracht werden.

Er ernennt den Oberbefehlshaber der Armee, der ihm verantwortlich ist. Im Fall der jetzt geschehenen Parlamentsauflösung, die der Monarch nur auf Empfehlung des Premierministers und unter Festlegung eines Termins für Neuwahlen aussprechen darf, regiert der König unmittelbar. Seine Erlasse – auch die jetzt erfolgte Verlängerung des Ausnahmezustands - haben bis zur Neuwahl der Abgeordneten Gesetzeskraft.

Das Parlament ist in zwei Kammern unterteilt. Die 205 Mitglieder des Abgeordnetenhauses (House of Representatives) werden alle fünf Jahre nach reinem Mehrheitswahlrecht gewählt. Von den 60 Mitgliedern des Oberhauses (National Assembly) sind 35 vom Abgeordnetenhaus gewählt, zehn vom König ernannt und 15 aus den Regionen entsandt. In der Gesetzgebung kann sich das Abgeordnetenhaus mit der absoluter Mehrheit aller Abgeordneten gegen Einwände des Oberhauses durchsetzen.

Zwischen 1990 und 1994 stellte der Nepali Congress im Abgeordnetenhaus die stärkste Fraktion, seit den Wahlen vom Mai 1999 verfügt er mit 111 Abgeordneten über die absolute Mehrheit. Der – fast ausschließlich brahmanischen - Führungsriege um den Vorsitzenden und langjährigen Premierminister Girija Prasad Koirala gelang es in den zwölf Jahren der Demokratie, sich als Mittelpunkt eines weitverzweigten Patronagenetzes in der Verteilung von staatlichen Ressourcen und Ämtern zu etablieren.

Als Koirala im Sommer 2001 als Premier zurücktrat, sah es zunächst aus, als trete er zugunsten seines Ziehsohnes Sher Bahadur Deuba in den Hintergrund. Der neue Premier begnügte sich jedoch nicht damit, wie in seiner ersten Amtszeit 1995-97 als Platzhalter der grauen Eminenz Koirala zu walten, sondern begann, sich seine eigene Machtbasis aufzubauen. Unter anderem nahm er verstärkt Angehörige der Chhetri-Kaste, der er selbst angehört, in sein Kabinett auf – was an der ausschließlichen Besetzung mit Angehörigen der oberen Hindu-Kasten freilich nichts änderte.

Mit der Ausrufung des Notstands, der weitreichende Befugnisse der Exekutive vorsieht, spitzte sich die Auseinandersetzung zwischen Premier und Parteivorsitzenden zu. Die Weigerung von Teilen des Congress, das Kriegsrecht zu verlängern, die folgende Parlamentsauflösung und daraufhin der Ausschluss des Premiers und seiner Getreuen, muss daher auch als vorläufiger Höhepunkt eines lange tobenden innerparteilichen Machtkampfes gedeutet werden. Seit Ende Mai ist der Congress faktisch gespalten.

Kommunisten vs. Maoisten

Für die Bevölkerung jenseits der städtischen Mittel- und Oberschichten sowie der Großbauern hat die Parlamentarisierung im Herbst 1990 nicht zu einer Demokratisierung der Gesellschaft geführt. Nach wie vor kontrollieren die Angehörigen hoher Hindukasten die wenigen Einkommenschancen. Frauen, Angehörige der unteren Kasten und der kaum hinduisierten Minderheiten haben auch im südasiatischen Vergleich äußerst geringe Chancen auf politische und wirtschaftliche Partizipation. Dalits (wie sich die "Unberührbaren" heute bezeichnen) hatte der Congress bei den Parlamentswahlen 1999 nicht einmal als Kandidaten nominiert. Mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von 240 US-$ im Jahr gehört Nepal zu den ärmsten Ländern der Welt. 80 Prozent der 24 Millionen Einwohner leben von der Landwirtschaft. Während ein Zehntel der Bevölkerung die Hälfte des Bodens kontrolliert, teilen sich die Hälfte der Nepalis sieben Prozent des Grundbesitzes.(2) Schuldknechtschaft ist weit verbreitet, viele Familien sind seit Jahrhunderten der Willkür ihrer Grundherren ausgeliefert. Erst im Jahr 2000 erklärte die Regierung die sogenannte "bonded labour" für ungesetzlich, ohne jedoch tatsächliche Schritte zu ihrer Aufhebung einzuleiten. Korruption ist allgegenwärtig.(3) Am stärksten betroffen von Armut und Unterentwicklung ist der Westen des Landes.

Doch auch die größte Kommunistische Partei, die Communist Party of Nepal – United Marxist-Leninist (CPN-UML), ist Teil der verschiedenen klientelistischen Netzwerke, deren Machtkämpfe im Kathmandu-Tal zusammenlaufen und dabei den sichtbaren Teil ihrer Auseinandersetzungen im Parlament austragen.

Nachdem die staatliche Repression gegen die - wie alle Parteien - im Untergrund agierenden Kommunisten jahrzehntelang besonders blutig gewesen waren, war die Bewegung zu Beginn der Demokratisierung 1990 in zahllose Splitterparteien zerfallen. Die Möglichkeit, anerkannter Teil der parlamentarischen Demokratie zu werden, brachte viele Abspaltungen jedoch zurück in den Schoß der Mutterpartei, die sich nun als CPN-UML konstituierte. Bei den ersten demokratischen Wahlen zweitstärkste Partei geworden, gelang es der Partei 1994, mithilfe mehrerer Congress-Abgeordneten Premier Koirala zu stützen. Als der damalige König Birendra daraufhin das Parlament auflöste und Neuwahlen ausrief, brach in der Kommunistischen Partei ein erbitterter Richtungsstreit aus.

Die Fraktion um Pushpa Kamal Dahal alias Genosse Prachanda und Baburam Bhattarai sah sich in ihrer Sicht des parlamentarischen System als Maske einer weiterhin königlich dominierten Politik bestätigt, und gründete sich als Communist Party of Nepal-Maoist (CPN-M) neu. Die folgenden Wahlen, aus denen die Mehrheitsfraktion, die CPN-UML, als stärkste Partei hervorging, schienen die Sicht der Maoisten zu stützen und stärkten ihren Hass auf den Reformismus der parlamentarischen Kommunisten (4): Nachdem die Minderheitsregierung der CPN-UML im Juni 1995 gestürzt wurde, bat sie selbst den König um eine erneute Parlamentsauflösung. Stattdessen übernahm eine Koalition unter Beteiligung des Congress die Macht, um sie 1997 erneut an eine UML-geführte Regierung abzugeben. Als auch diese Regierung scheiterte, sicherte sich die CPN-UML die Beteiligung an der Macht durch Unterstützung des Congress unter Premier Koirala. Unter der Alleinregierung des Congress seit 1999 beteiligten sich die mit 71 Abgeordneten vertretene CPN-UML zunehmend an der offiziellen Rhetorik gegen die seit November 2001 als Terroristen bezeichneten Maoisten, mit der Unterstützung des Kriegsrechts bot sie sich als zukünftiger Koalitionspartner an.

In dem Maße, wie sich die CPN-UML dem Sammelbecken der traditionellen "Eliten" annäherte, entfernten sich die Maoisten von jeder zivilen politischen Auseinandersetzung. Seitdem Anfang der 1970er Jahre unter dem Einfluss indischer Aufstände eine kurzlebige Kampagne der "Hinrichtung von Klassenfeinden" stattfand, existierte ein maoistischer Flügel unter Nepals Kommunisten. Nach Aussage des CPN-M-Vorsitzenden Prachanda sei dessen Ideologie bereits 1986 unter Einfluss des peruanischen "Leuchtenden Pfad" als "Marxismus-Leninismus-Maoismus" abschließend formuliert worden.(5) Obwohl seit 1990 durch Frontorganisationen im Parlament vertreten, entschieden sich die Maoisten in der parlamentarischen Krise von 1995, endgültig in den Untergrund zu gehen. Vor mittlerweile sechs Jahren, im Februar 1996, riefen sie schließlich ihren "Volkskrieg" aus. Die Beziehungen zu maoistischen Guerilleros in Indien wurden intensiviert, im Juni 2001 auch formal: Das Coordination Committee of Maoist Parties and Organisations will die Verbreitung von "Volkskriegen" in ganz Südasien vorantreiben.

In einem Forderungskatalog vom Januar 1996 fordern die als Maobadi bezeichneten Aufständischen die Abschaffung der Privilegien der Monarchie und eine republikanische Verfassung, ein Ende der Kastenunterdrückung, demokratische Kontrolle von Polizei und Armee, die Beschränkung ausländischer - vor allem indischer - Investitionen, die Enteignung der Großgrundbesitzer und eine Landreform, die Gleichberechtigung der Kulturen Nepals und ein Verbot der Einfuhr der populären Hindifilme und –zeitschriften.(6)

Repression von beiden Seiten

Nicht nur in der internationalen Presse blieb der Konflikt lange Zeit unbeachtet, auch die politische Klasse Nepals – die sich fast ausschließlich im weitgehend sicheren Kathmandu-Tal aufhält – tat den Guerillakrieg gegen lokale Vertreter des Staates lange Zeit als vereinzelte Angriffe Krimineller ab. Als sie sich nach zwei Jahren der faktischen Loslösung weiter Teile der Westregionen bewusst wurde, versuchte die Regierung durch Repression ihren Einfluss über die Distriktshauptstädte hinaus wiederherzustellen. Nach Angaben von Amnesty International beging die mit der Operation "Kilo Sera II", einem ersten Großeinsatz gegen maoistische Stellungen, im Frühjahr 1998 betraute Polizei massive Menschenrechtsverletzungen. Erstmals seit 1990 ließen staatliche Behörden damals Verdächtige "Verschwinden", folterten und töteten in systematischer Weise.(7)

Auch die Maoisten setzen auf Gewalt gegen Zivilisten. Gemäß Parteiideologie zählt dazu die Hinrichtung von Großgrundbesitzern und Wucherern. Doch auch gegenüber der zu 80 Prozent bäuerlichen Bevölkerung scheinen die meist jugendlichen Waffenträger eher als Hechte im Karpfenteich denn als "Fische im Wasser" aufzutreten: Neben als Informanten Verdächtigten und korrupten Politikern sind vor allem Lehrer Ziel von Anschlägen. Auch völlig Unbeteiligte, die den Streikaufrufen der aufständischen Maoisten nicht folgten, wurden ermordet. Nach Regierungsangaben vom Februar 2002 töteten die Maobadi bislang 450 Zivilisten. Viele flohen in Städte und Siedlungen entlang der Landstraßen oder nach Indien.

Trotz aller Repression bietet die Herrschaft der Maobadi zunächst auch Raum für Emanzipation, beispielsweise durch die Abschaffung der Schuldknechtschaft und andere soziale Reformen. Daneben scheint die hohe Beteiligung von Frauen – etwa ein Drittel der bis zu 20.000 Maoisten – ihnen verstärkte Partizipation auch in anderen Bereichen zu ermöglichen. Dass sich partizipatorische und dezentrale Herrschaftsformen in den von ihnen verwalteten Gebieten durchsetzen können, ist angesichts der überwiegend militärisch organisierten Kontrolle und der Macht lokaler Kommandeure allerdings unwahrscheinlich. Unabhängige Berichte zur lokalen Verwaltung in den "befreiten Gebieten" liegen nicht vor.

Waffenstillstand, Offensive und Ausnahmezustand

Nach der Krise vom Sommer 2001 – der Kronprinz hatte nach offiziellen Angaben fast die gesamte königliche Familie und danach sich selbst ermordet, Premierminister Koirala war nach zahllosen Korruptionsskandalen endlich zurückgetreten - ging die Gewalt in den folgenden Monaten deutlich zurück. Premier Deuba, der schon unter Koirala einen halbherzigen Verhandlungsversuch geleitet hatte, ordnete als erste Maßnahme seiner Amtszeit den Stopp aller Aktivitäten gegen die Maobadi an; diese schlossen sich der Waffenruhe kurz darauf an. Endlich sollten auch die ökonomischen Ursachen des Konflikts miteinbezogen werden: Ein schon im April beschlossenes Entwicklungspaket für die vernachlässigten Gebiete im Westen des Landes (Integrated Security and Development Plan) wurde mit einem Budget von 400 Mio. Rupees (etwa 5,5 Mio. Euro) auf den Weg gebracht. Große Hoffnungen richteten sich auf die Verhandlungen, die zu Beginn des Monsuns aufgenommen wurden. In den drei Gesprächsrunden konnte jedoch keinerlei Annäherung erreicht werden.

Am 23. November 2001, genau vier Monate nach Beginn des Waffenstillstands, beendeten die Maobadi die Verhandlungen mit einem Angriff auf eine Kaserne in Dang im mittleren Westen. Als Ursache des plötzlichen Verhandlungsabbruchs scheinen zwei Varianten möglich: Zum Einen, dass Verhandlungen zunächst nur der eigenen Konsolidierung dienen sollten, um nach einer erfolgreichen Offensive aus einer Position der Stärke erneut verhandeln zu können. Dafür spricht die Bezugnahme Prachandas auf die Chungking-Verhandlungen (in denen Mao von Kai-Shek eine gemeinsame Übergangsregierung forderte, die Zeit jedoch zum Aufbau neuer Verbände nutzte), von denen die Maobadi viel gelernt hätten.(8) Denkbar ist allerdings auch ein interner Machtkampf, wobei der militärische Flügel unter Prachanda seinen Einfluss bei fortschreitenden Verhandlungen schwinden sah und deshalb den Verhandlungsbemühungen des politischen Arms unter Baburam Bhattarai ein Ende bereitete. Eine Fortsetzung dieser Auseinandersetzung könnte man darin sehen, dass zwei Maobadi-Führer – erfolglos und offenbar ohne Verhandlungsauftrag – Ende März diesen Jahres versuchten, mit Premier Deuba während seines Besuchs in Indien Kontakt aufzunehmen.

Drei Tage nach der Offensive antwortete die Regierung mit der Ausrufung des Ausnahmezustands. Seitdem dieser von allen großen Parteien unterstützt wurde, liegt die Macht maßgeblich bei der Exekutive: Nach Art. 115 darf der König im Notstand zahlreiche Grundrechte außer Kraft setzen. Diese Erlasse bedürfen binnen dreier Monate einer parlamentarischen Bestätigung. Da Premier und Vizepremier im Nationalen Verteidigungsrat den König überstimmen können, liegt die Macht faktisch bei Regierung und König gemeinsam. Seit November wurden unter anderem Freizügigkeit, Meinungs- und Versammlungsfreiheit und die Garantie des Rechtsweges eingeschränkt. Die Medien unterliegen strenger Zensur. Bis Ende März waren mehr als 70 Journalisten in Haft, der einzige private Fernsehkanal Nepals sendet via Bangkok, sein Büro in Kathmandu arbeitet versteckt.

Vor allem aber konnte die Regierung nun die Armee im Inneren einsetzen. Diese hatte einen Allparteienkonsens zur Bedingung ihres Ausrückens gemacht. Ihre bisherige Zurückhaltung erklärt sich nicht aus humanitären Gründen – die Royal Nepali Army gilt als des Königs loyalste Institution, vor allem nach der Thronbesteigung des nahezu einzigen Überlebenden der königlichen Familie im Juni 2001. Ihre Führung ist seit zwei Jahrhunderten einer königsnahen Kriegerkaste, den Khas-Thakuri vorbehalten; die höheren Ränge rekrutieren sich ausnahmslos aus Kathmandus Oberschicht. Ihr letzter Einsatz war 1990, als sie auf unbewaffnete Demonstranten der Demokratiebewegung feuerte.

Bis zum November hatte allein die Polizei den Aufständischen gegenüber gestanden. Doch auch sie entzieht sich weitgehend ziviler Kontrolle. Seit der Eskalation von 1998 zeichnen die obersten Distriktverwalter (Chief District Officer) meist unbestimmte Einsatzbefehle, die auf schwammigen Auffangtatbeständen in "Sicherheitsgesetzen" aus der Zeit der absoluten Monarchie beruhen. Seit der Bürgerkrieg nun auch die Armee erreicht hat, hat die Judikative endgültig ihre Kontrollfunktion eingebüßt. Die noch im November 2001 erlassene Terrorist and Disruptive Activities Ordinance (TADO) erlaubt Polizei und Armee Waffengewalt bei Widerstand gegen Verhaftung, bei "Weglaufversuchen", bei Durchsuchungen oder jeder anderen Aktion in Zusammenhang mit Terrorismusbekämpfung. Überprüfungen der Todesfälle sind damit ausgeschlossen, nicht ein Polizist oder Soldat wurde bisher angeklagt.

Blutiger Monsun?

Trotz aller Gewalt – auch Kathmandu ist mittlerweile Ziel von Anschlägen – ist die politische Klasse vor allem mit sich selbst beschäftigt. Derzeit versucht Congress-Vorsitzender Koirala sein Comeback, Premier Deuba sammelt seine Getreuen, die Kommunisten fordern eine All-Parteien-Regierung, und der König bereitet sich auf einen Besuch in Indien vor, wo er um weitere Unterstützung bitten will. Die Armee – mit indischen Hubschraubern aufgerüstet und von amerikanischen Militärs beraten - verstärkt ihre Angriffe. Allein am 29. Mai wurden erneut 150 Menschen getötet.

Vieles spricht für eine Ausweitung der Kämpfe in den folgenden Monaten. Die Brutalität der letzten Monate – immer mehr Tote mit Folterspuren auf beiden Seiten - wird den Hass weiter aufschaukeln. Bei starkem Regen werden im kommenden Monsun viele Kasernen im Landesinneren vom Nachschub abgeschnitten sein, wie in den Vorjahren die Polizeistationen. Dagegen bringt der immense Rückgang der Besucherzahlen - Tourismus ist der wichtigste Devisenbringer - verschiedenste Bevölkerungskreise im ganzen Land gegen die Maobadi auf. Durch den permanenten Kriegszustand, das Ausbleiben der wenigen Regierungsgelder und internationaler Hilfe sowie die mangelnden Ressourcen der Maoisten wird ihre Unterstützung selbst in den Kerngebieten nachlassen. Noch mehr Repression könnte die Folge sein.

Fußnoten

(1) Im Internet z.B. unter: http://ini.utexas.edu/asnic/countries/nepal/nepalconstitution.htm
(2) Eric Töpfer, Red Star beyond China. Maoismus in Südasien. In: Illoyal 15, Frühling 2001, S. 13f.
(3) Bei einer Umfrage der "Media Services International" gaben 98,2 Prozent der Befragten an, alle staatlichen Ebenen seien von Korruption durchdrungen. Ohne Bestechung seien keine Behördenentscheidungen möglich. 74,7 Prozent gaben zu, zu diesem Zweck selbst bestochen zu haben. Vgl.: Südasien, 4/2000, S. 53.
(4) "My main thrust is that I hate revisionism. I seriously hate revisionism. And I never compromise with revisionism. I fought and fought again with revisionism. And the party’s correct line is based on the process of fighting revisionism. I hate revisionism. I seriously hate revisionism." CPN(M)-Führer Prachanda 1999 in einem Interview der maoistischen Zeitschrift Revolutionary Worker (No.1043, 20.2.2000). Im Internet unter: http://www.humanrights.de/n/nepal/politics/200200_prachand_interview.htm
(5) Ebd.
(6) Vgl. den Forderungskatalog vom Januar 1996, übersetzt in: Südasien 4/1998, S. 46f.
(7) Amnesty International (April 2002): Nepal. A spiralling human rights crisis. S. 13. Im Internet unter: http://web.amnesty.org/ai.nsf/recent/asa310162002.
(8) Vgl. Ein Interview Prachandas am 28.5.2001 mit A World to Win (No.27, 2001). Im Internet unter: http://www.awtw.org

Quelle: Dieser Artikel erschien im Original in der antimilitarismus information, Juni 2002.

Kommentare

Als registriertes Mitglied können Sie einen Kommentar zu diesem Beitrag verfassen.