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Zu den Voraussetzungen der beiden genannten Theorien zählen Ähnlichkeiten der indo-europäischen Sprachen als Indiz gemeinsamer Herkunft und einer Ursprache: dem Proto-Indo-Europäischen oder Proto-Indo-Arischen. Ferner wird davon ausgegangen, dass die Sprecher dieser Ursprache sich zu einem Zeitpunkt der Geschichte getrennt haben und in verschiedene Richtungen migrierten. Der Ort, an dem die Sprecher des Proto-Indo-Europäischen zuletzt vereint gewesen seien, wird als Heimat der Arier bezeichnet. Anfangs galt Indien als Heimatland der Indo-Europäer, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde jedoch die Idee von Indien als Ursprungsland verworfen (Bryant 2001:31).
Die beiden Begriffe haben Vorgänger im Sanskrit, in ihrer jetzigen Bedeutung sind sie jedoch moderne Konstrukte, die im 18. und 19. Jahrhundert erfunden wurden.
Der Begriff "Dravide" oder "dravidisch" kennzeichnet eine Sprachfamilie Südasiens mit den vier Hauptsprachen Tamil, Telugu, Kannada und Malayalam, die überwiegend in Südindien und teilweise auf Sri Lanka gesprochen werden.
Der Begriff "Arier" hat zwei Bedeutungen. Er stammt aus dem Sanskrit und bedeutet "der Edle". Er wurde jedoch einerseits durch die Geschichte der ethnischen Politik und der Politik des Rassenhasses konstruiert; andererseits durch die Entdeckung der indo-europäischen Sprachfamilie und der indo-europäischen vergleichenden Philologie (Trautmann 1997:15).
Der Duden beschreibt Arier als: "(Sanskrit: Edler), 1. Angehöriger eines der frühgeschichtlichen Völker mit indo-arischer Sprache in Indien und im Iran und 2. in der nationalsozialistischen Rassenideologie Angehöriger der so genannten nordischen Rasse."
Rajaram und Frawley, extremen Vertretern der Indigenous Aryan Theory zufolge wird das Wort Arier in seinen heutigen Verwendungen missbraucht. Es stammt aus dem Sanskrit und bezieht sich auf Menschen, die nach bestimmten spirituellen und zeitlichen Gesetzen leben. Einer Übersetzung ins Englische würde am nächsten die Bedeutung "ehrenhaft" oder "edel" kommen. In der Rigveda, dem ältesten Text der Veden, wird der Begriff Arier als Adjektiv verwendet und hat nichts mit Rasse, Nationalität oder Abstammung zu tun.
Die Theorie der arischen Invasion des Subkontinents nimmt als Heimat der Arier die Gegend ums Kaspische Meer an, von wo diese in mehreren Wellen und in einem Zeitraum von mehreren Jahrhunderten ausgezogen seien und etwa um 2000-1500 v. Chr. den indischen Subkontinent erreichten. Dort seien sie auf die indigenen dravidischen Völker getroffen und hätten diese unterworfen. Diese Theorie der arischen Migration wird von den meisten westlichen Wissenschaftlern und namhaften indischen Forschern wie Romila Thapar vertreten.
Die gesamte Forschung zu den indo-europäischen Sprachen war besonders in ihren Anfängen stark von biblischen Vorstellungen durchzogen. Die Idee einer gemeinsamen Ursprache – Hebräisch – wurde assoziiert mit einem gemeinsamen Urvolk. Die Idee war eingebettet in die biblische Version der Geschichte, in der Noahs drei Söhne Japeth, Shem und Ham als Vorfahren der Menschheit galten. Die Evolution aller Sprachen habe demnach begonnen, als die Nachkommen Noahs sich nach der Flut zerstreuten.
Ein weiterer Mythos war der Turmbau von Babylon, der die Sprachvielfalt auf eine göttliche Intervention gegen die Menschheit zurückführt. Auch Sir William Jones, einer der Begründer der Indogermanistik, war von den biblischen Mythen einer gemeinsamen Ursprache aller Menschen (Bergunder & Das 2002:27) beeinflusst. Jones gab 1786 die Entdeckung der indo-europäischen Sprachfamilie bekannt. Er erkannte, dass Sanskrit mit Griechisch, Latein, Gotisch, Keltisch und Persisch verwandt sei und diese sich von einer gemeinsamen Ursprache ableiteten, die nicht mehr existiere. Die Verbindung zwischen den indo-arischen Sprachen Indiens und den klassischen Sprachen Europas führte zu Suche nach der ursprünglichen Heimat der Sprecher des Proto-Indo-Arischen oder Proto-Indo-Europäischen.
Indien galt bei vielen Gelehrten im späten 18. Jahrhundert und frühen 19. Jahrhundert als Wiege der Zivilisation. Vertreter dieser britischen Indophilie waren Henry Colebrooke und H.H. Wilson, die in der britischen Verwaltung Indiens arbeiteten. Diese britischen Orientalisten beschäftigten sich ausführlich mit indischen Sprachen, im Gegensatz zu ihren Nachfolgern, den Vertretern einer britischen Indophobie, denen Indien bald als Grab der Zivilisation galt. Initiiert wurde diese Haltung von Evangelisten und Utilitaristen, als deren prominenteste Vertreter James Mill und Charles Grant gelten. Das koloniale Interesse stand über dem wissenschaftlichen Interesse am Sanskrit. Die arische Invasionstheorie diente auch der britischen Kolonialherrschaft in Indien. Abhängig von ihren Programmen und Strategien glorifizierten, betonten oder minimierten die Briten in der einen oder anderen Form ihre arische Verbindung zur indischen Bevölkerung (Bryant 2001:28).
Friedrich Schlegel fand 1808 in seiner Abhandlung "Über die Sprache und Weisheit der Inder" ebenfalls gemeinsame Wurzeln von Deutsch, Griechisch, Latein und Sanskrit. Für Schlegel galt Sanskrit als Ursprache aus der sich alle anderen Sprachen ableiten und der Nordwesten Indiens als Urheimat aller Völker (Bryant 2001:18).
Wenige Jahrzehnte später wurden die Ideen einer Urheimat endgültig in biologistische Denkmuster überführt.
In den Jahren 1853-55 entwickelte der Franzose Joseph Arthur de Gobineau eine Rassentheorie. Diese behauptet die Überlegenheit der "weißen" Rasse, die als Arier bezeichnet wird, über die "schwarze" und "gelbe" Rasse. Für Gobineau dient das Kastensystem als Rassenschutz. Die ersten drei Kasten (Brahmanen, Kshatriya, Vaishya) seien den Ariern vorbehalten geblieben, die unterste Kaste (Shudra) bestünde aus der nicht-arischen, dravidischen Urbevölkerung Indiens. Gobineau hebt den Gegensatz zwischen Ariern und Draviden besonders hervor. Seine Idee von ursprünglich "rassisch reinen weißen" Menschen beeinflusste auch die Geschichtsschreibung.
Während der Kolonialherrschaft in Indien im 19. Jahrhundert entstand eine südasiatische Geschichtsschreibung, in der die Bewohner Südasiens als Nachkommen unterschiedlicher Völker betrachtet werden. Folglich sei die indische Zivilisation ein Produkt der Vermischung der eingewanderten Indo-Arier mit den indigenen nicht-indo-arischen Bewohnern des Landes.
Die neuere Forschung thematisiert diese zweifelhaften Wurzeln durchaus, und vermeidet mittlerweile, die Arier als Rasse zu beschreiben. Stattdessen wird die Heterogenität aller beteiligten Gruppen und das Nebeneinander verschiedener Kulturen im alten Indien betont: Demnach gab es nicht "die Einwanderung der Arier" sondern zahllose Wanderungen halbnomadischer Gruppen, die sich im Laufe von Jahrhunderten durch Kriege, Handelbeziehungen und anderen kulturellen Austausch untereinander und mit schon länger sesshaften Gruppen überlagerten und vermischten.
Die Reaktionen auf die arische Invasionstheorie fielen in Indien zunächst positiv aus. Vor allem lokale Eliten begrüßten den Aspekt einer Verbindung zwischen Kolonisierenden und Kolonisierten.
Im Gegensatz dazu entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts die Theorie von Indien als arischem Heimatland, die von einigen indischen Wissenschaftlern vertreten wird. Demnach seien die Arier die autochthone Bevölkerung des indischen Subkontinents, und die Identität der "eigentlichen" Inder basiere auf der vedischen Kultur und Religion. So wird die Annahme, dass indo-arisch sprechende Menschen auf dem Subkontinent fremdländischen Ursprungs seien, als falsch dargestellt, zumal die Einwanderung tatsächlich nie eindeutig bewiesen werden konnte (Bryant 2001:4). Vertreter der Indigenous Aryan Theory zweifeln an der allgemeinen Aussage, dass die Indus-Zivilisation dravidischer Herkunft sei und versuchen deren indo-arischen Ursprung zu beweisen. Sie beziehen sich dabei auf die Rigveda, die angeblich keine Referenz zu einer arischen Invasion enthält.
Die Vertreter der Indigenous Aryan Theory stellen keine homogene Gruppe dar, man muss sich der verschiedenen Motive, Hintergründe und Kontexte der Vertreter bewusst sein. Dementsprechend variieren die Theorien und Vorstellungen.
Talageri als indischer Linguist, der dem hindunationalistischen Lager zugerechnet wird, entwickelte die Theorie der arischen Migration in prähistorischer Zeit von Indien nach Westasien und Europa. Rajaram und Frawley haben vermeintlich eindeutige Beweise geliefert, dass die Migration der Arier aus Indien stattfand und sich in den Iran, Westasien und Europa vollzog (Rajaram & Frawley 1997:13).
Die Vertreter der Indigenous Aryan Theory kritisieren und lehnen die Theorie der arischen "Eroberung" Südasiens als ein Produkt der kolonialen Wissenschaft ab. Vor allem die Motive der europäischen Forscher des 19. Jahrhunderts werden dabei in Frage gestellt. Die arische Invasionstheorie gilt aus ihrer Perspektive als konstruierte Version von Geschichte und Tradition, die kolonialen und missionarischen Interessen dienten. Aus ihrer Sicht sind die Grundthesen der Theorie von der einheimischen Herkunft der Arier überwiegend anti-imperial und anti-kolonialistisch inspiriert. Bei der anti-imperialen und postkolonialen Geschichte geht es diesen indischen Forschern darum, die Kontrolle über die Rekonstruktion ihrer Landesgeschichte zu erlangen. Die arische Migrationstheorie wird abgelehnt, da sie als ausländischer intellektueller Import interpretiert wird, der den imperialen Interessen der Kolonialmacht diente.
Neben der Überarbeitung der Geschichte trat jedoch schon bald ein anderes Motiv in den Vordergrund: Der hindu-nationalistische Revisionismus, der Indien als "Land der Hindus" konstruiert, denen sich die anderen – vermeintlich fremden Bevölkerungs- und Religionsgruppen – unterzuordnen haben. Daher ist eine Unterscheidung zwischen einem anti-imperialen und dem nationalistischen Verständnis von großer Bedeutung.
Die Ideologie der Hindutva-Bewegung, die zuerst 1923 von V.D. Savarkar formuliert wurde, hat in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. In Sarvakars Buch "Hindutva – who is a Hindu?" wird die Auffassung vertreten, dass Hindus aufgrund ihrer religiösen Bindung an das Land vollwertige Inder seien. Dem entsprechend seien nur Religionen indischen Ursprungs "hinduistisch".
Die arische Invasionstheorie wird abgelehnt, da die vedischen Völker mit den Moghulen oder anderen Invasoren gleichgesetzt werden würden und damit jegliche sich auf das geographische Indien stützende Formulierungen des Konzeptes Hindutva untergrüben. Die Vertreter von Hindutva versuchen zu beweisen, dass die Hindus mit einer gemeinsamen kulturellen Vergangenheit, der "vedischen" Kultur, deren Verbindungen bis in die Gegenwart reichen, die indigene Bevölkerung Indiens verkörpern (Bergunder & Das 2002: 210-215).
In dieser Wahrnehmung sind Muslime und Christen Fremde, da Indien nicht das Herkunftsland ihrer Religion und dementsprechend ihrer Vorfahren ist. So bleibt die Verwirrung über die biologische Abstammung und die Zugehörigkeit zu einer Religion, die nicht aus Indien kommt, Grundlage für eine Identifizierung von "Indigenen" und "Fremden" (Trautmann 1997: XV). Das Hindutva-Konzept wird oft benutzt um Minderheiten und vor allem Muslime zu entfremden und anzufeinden. Der Hinduismus wird instrumentalisiert, um Islam und Christentum als Feindbild zu konstruieren, was häufig in Zusammenhang mit kommunalistischen Konflikten steht.
Neben Befürwortern der Indigenous Aryan Theory gibt es aber auch indische Wissenschaftler, welche die arische Migrationstheorie unterstützen. Diesen Historikern wird von ihren Widersachern unterstellt, sie vertreten neokoloniale oder rein marxistische Ansichten (Bergunder & Das 2002:210 ff.).
Die Debatte zur arischen Migration ist meist von intensiven Emotionen geprägt und als Forschungsgebiet eng mit Ideologie und Politik verknüpft. Eine Kommunikation zwischen den Vertretern beider Lager ist aufgrund der Emotionalität sehr problematisch und existiert daher kaum. Dabei wäre sie dringend notwendig, um ein ausgewogenes Bild von der Frühgeschichte des Subkontinents zu erhalten.
Die Indus- oder auch Harappa-Zivilisation wurde 1922 durch Ausgrabungen in Mohenjodaro (im heutigen Pakistan) von Rakhal Das Banerji entdeckt. Es wird davon ausgegangen, dass sie sich weit über das Gebiet des Indus-Tals von den Grenzen des heutigen Iran bis zum östlichen Uttar Pradesh, nach Gujarat und dem Tapti Tal erstreckte. Zweifellos ist sie neben Mesopotamien und Ägypten eine der bedeutendsten frühen Hochkulturen und existierte vermutlich um die Zeit zwischen 2500-1700 vor Chr. Die gefundenen Schriften gelten allgemeiner Ansicht zufolge als dravidisch.
Die Theorie von der "arischen Zivilisierung" der dravidischen "barbarischen" Bevölkerung wurde nach Entdeckung der Indus-Kultur revidiert. Stattdessen wurde nun angenommen, dass die indo-arisch sprechenden Einwanderer die hoch entwickelte Zivilisation der Dasa zerstörten.
Doch was zum Ende der Indus-Zivilisation führte, ist unklar. Es wird davon ausgegangen, dass Angreifer im 2. Jahrtausend v. Chr. die Bevölkerung überfallen haben. Dazu wird auf Passagen der Rigveda verwiesen, die von Angriffen der Arier auf andere Bevölkerungsgruppen berichten. Andererseits gilt als gesichert, dass die Zivilisation sich schon zum Zeitpunkt des vermutlichen Überfalls in einer fortgeschrittenen Phase des sozialen und wirtschaftlichen Verfalls befand. Als Ursache des Untergangs wird auch eine Überschwemmungskatastrophe oder eine Verödung der Wasserläufe in Betracht gezogen.
Die Vertreter des Indigenous Aryanism sind anderer Auffassung. Das archäologisch bestimmte Gebiet der Indus-Zivilisation umfasst nach ihrer Ansicht ein nahezu gleiches geographisches Gebiet wie das in der Rigveda beschriebene. Sie nehmen daher an, dass die Indus-Zivilisation indo-arischen Ursprungs war oder zumindest mit ihr koexistierte.
Rajaram und Frawley zufolge bestand die Zivilisation der Rigveda, des so genannten goldenen Zeitalters, schon vor den mesopotamischen und ägyptischen Hochkulturen und wird auf einen weitaus früheren Zeitpunkt von ca. 3700 vor Chr. datiert. Mit diversen archäologischen Funden der Indus-Kultur versuchte man die frühzeitige Anwesenheit der Arier zu beweisen. Diese können extrem unterschiedlich ausgelegt werden.
Eine große Anzahl von Entdeckungen ist weiterhin umstritten, wie beispielsweise die Schrift, deren Entzifferung sicherlich viel zur Lösung der Diskussion beitragen könnte. Antworten auf viele der jahrtausende alten Rätsel, die auch durch Mohenjodaro und Harappa gestellt werden, können bis heute nicht zweifelsfrei gegeben werden. Tragischer Weise ist der Versuch Antworten zu finden in Indien heute ein Politikum, das mit starken Emotionen geführt wird und nicht zuletzt auch – wie es die Ausgrabung unter dem Ort der zerstörten mittelalterlichen Babri-Moschee in Ayodhya verdeutlichten - eng mit Gewalt verbunden ist.
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