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26. Mai 2010. Analysen: Sport & Unterhaltung - Indien "Green Games" in Indien

Die Vorbereitungen auf die Commonwealth Games in Delhi

Die 18. Commonwealth Games werden in diesem Jahr vom 3. - 14. Oktober in Indien stattfinden. Die Vorbereitungen für dieses Ereignis laufen auf Hochtouren und in Delhi – dem Austragungsort der Spiele – werden Stadien, Unterkünfte, Konferenzzentren errichtet sowie die Infrastruktur ausgebaut. Neben regelmäßigen Erfolgsstories über die verschiedenen Projekte dringen allerdings auch vereinzelte Berichte über die miserablen Arbeitsbedingungen auf den zahlreichen Baustellen an die Öffentlichkeit – und verweisen auf die Schattenseiten der von der indischen Regierung als Green Games proklamierten Spiele.

Die diesjährigen Commonwealth Games werden zum zweiten Mal in der Geschichte dieser Spiele in Asien ausgetragen und zum ersten Mal in Indien. Zu dem Multi-Sportereignis werden Athleten und Gäste aus 71 Nationen erwartet. Zur Vorbereitung auf dieses prestigeträchtige Ereignis wurden in Delhi bereits 2005 umfangreiche Bauprogramme gestartet: Sportstätten werden auf- und ausgebaut; 8.000 Unterkünfte für die Athleten werden in einem Commonwealth Games Village geschaffen; der Ausbau der Metro wird vorangetrieben, um unter anderem eine direkte Verbindung zwischen Flughafen und Innenstadt gewährleisten zu können; Brücken und Straßen werden auf- und ausgebaut, um die Verbindungen zwischen verschiedenen Sportstätten zu verbessern; der Indira-Gandhi Flughafen wird erweitert, um die zahlreich erwarteten Gäste empfangen zu können; Kraftwerke werden ausgebaut, um den erhöhten Strombedarf in dieser Zeit sicherstellen zu können und um die bekannten Stromausfälle zu vermeiden. In einer Vereinbarung mit dem United Nations Environment Programme hat die indische Regierung die Absicht bekräftigt, die Commonwealth Games sowie die damit verbundenen Baumaßnahmen unter nachhaltigen Aspekten durchzuführen und die Spiele unter das Motto "Green Games" gestellt.

Die Arbeiten an den verschiedenen Baustellen der Commonwealth Games werden derzeit mit verstärkter Intensität durchgeführt, da nach einem Regierungsbericht vom Dezember 2009 zwei Drittel der Bauprojekte ihrem Zeitplan hinterherhinken und ihre Fertigstellung bis zum Oktober gefährdet ist. Entsprechend ist das Stadtbild dieser Tage von unzähligen Baustellen geprägt, an welchen rund um die Uhr gearbeitet wird. Nach Schätzungen der Peoples Union for Democratic Rights (PUDR) arbeiten hier täglich 415.000 Menschen. Berichte über diese ArbeiterInnen finden dabei eher selten ihren Weg in die Medien. Mitte März war das Thema für kurze Zeit in einigen Zeitungen präsent, als eine Untersuchung über die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen veröffentlicht wurde. Das Delhi High Court hatte diese Untersuchung in Auftrag gegeben, nachdem AktivistInnen und Menschenrechtsorganisationen Beschwerden eingereicht hatten. Das Fazit dieser Untersuchung war und bleibt miserabel und verweist auf massive Verletzungen der Rechte dieser ArbeiterInnen. Auf den Baustellen gibt es aufgrund unzureichender Sicherheitsmaßnahmen regelmäßig Unfälle. Die Geräte sind teilweise marode; Sicherheitshelme, Handschuhe oder Schuhe werden den ArbeiterInnen nicht ausgehändigt - es sei denn, sie verzichten auf einen Teil ihres Lohnes. Mindestens 43 Menschen sind im Zuge dieser Baumaßnahmen bisher gestorben, wobei die Dunkelziffer deutlich höher liegen dürfte, da die Baustellen wie auch die Mehrheit der Unterkünfte der ArbeiterInnen für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind und selbst das Untersuchungsteam des High Court nur begrenzten Zugang hatte. Begründet wird diese massive Abschottung mit Sicherheitsmaßnahmen sowie mit einem vagen Verweis auf eine Terrorismusgefahr. Ähnlich sieht es in Hinblick auf Unfälle aus, wo sich keine konkreten Angaben finden lassen. Nach Berichten von Arbeitern werden regelmäßig verwundete oder kranke ArbeiterInnen schlicht entlassen und nach Hause geschickt.

Das Untersuchungsteam hat des weiteren darauf verwiesen, dass die ArbeiterInnen weniger als den in Delhi gültigen Mindestlohn für derartige Projekte verdienen und häufig unbezahlte Überstunden machen. Nachtarbeit wird ohne entsprechende Zuschläge entlohnt. Die ArbeiterInnen haben dabei kaum eine Chance, die ihnen zustehenden Löhne einzufordern. Sie erhalten generell keine Gehaltsabrechnungen und damit keinen Nachweis, über die von ihnen geleistete Arbeit oder über ausgezahlte beziehungsweise nicht ausgezahlte Löhne. Die Identitätskarten, welche sie als ArbeiterInnen zum Zugang der Baustellen berechtigen, enthalten keine Angaben, für wen sie arbeiten und entsprechend haben sie keinen ausreichenden Nachweis, über ihre Anstellung. Hinzu kommt, dass die Arbeitgeber die wenigsten von ihnen im Welfare Board angemeldet haben und sie auch hier entgegen geltender Gesetze nicht als Angestellte auf den Baustellen registriert sind. Diese fehlende Registrierung der ArbeiterInnen verstärkt im Übrigen den bereits genannten Verdacht, dass die tatsächliche Anzahl an tödlichen Unfällen höher sein dürfte als angegeben.

Dabei würden sich diese Probleme kaum mit einer nachweisbaren und einklagbaren Registrierung der ArbeiterInnen sowie der geleisteten Arbeit lösen lassen, wie es im Fazit des Berichtes gefordert wird. Die Bauprojekte werden von verschiedenen Regierungsstellen durchgeführt, welche ihrerseits Aufträge an multinationale Real-Estate Konzerne vergeben haben. Diese wiederum haben Baufirmen beauftragt, welche letztendlich Aufträge an sogenannte thekedars vergeben haben. Diese thekedars haben die Aufgabe, aus benachbarten Unionsstaaten ArbeiterInnen anzuwerben und auf den verschiedenen Baustellen anzustellen. Sie sind somit die eigentlichen Auftraggeber der ArbeiterInnen und für die Auszahlung ihrer Löhne zuständig. Das Problem dabei ist, dass sich die ArbeiterInnen damit bei Gehaltsforderungen an jene Personen richten müssen, welche selbst in der Regel nur wenig Geld haben und sie sich nicht an die dahinterstehenden Konzerne richten können. Auf diese Weise sind Konzerne und Regierung rechtlich abgesichert, nicht aber die ArbeiterInnen. Zugleich verdient jedes Glied in dieser Kette an Auftraggebern - mit Ausnahme der Regierung freilich - an dem Projekt. Neben der direkten Finanzierung trifft dies auch auf im weiteren Sinne auf die Baumaßnahmen für die Commonwealth Games zu und so sollen beispielsweise im Anschluss an die Spiele die Unterkünfte im Commonwealth Games Village an die beauftragten Real-Estate Konzernen übergeben und von diesen verkauft werden.

Ein weiterer Missstand, auf den die Untersuchung verweist, sind die Lebensbedingungen der ArbeiterInnen. Die von den Baukonzernen zur Verfügung gestellten Unterkünfte sind überfüllt und von Asbest belastet, teilweise fehlen Türen, Dächer sind undicht, Toiletten wurden erst nach Protesten von Menschenrechtsorganisationen bereitgestellt - wobei hier die hygienischen Bedingungen aufgrund der geringen Anzahl an Toiletten für die vielen ArbeiterInnen miserabel sind und nicht in allen Fällen getrennte Toiletten für Männer und Frauen zur Verfügung gestellt wurden. Die Wasserversorgung ist im besten Falle schlecht und Zugang zu sauberem Trinkwasser ist nicht gewährleistet. Auf den Baustellen selbst wurden des Öfteren kleine Kinder gesichtet, da Familien, die hier arbeiten, keine Möglichkeit haben, ihre Kinder in irgendeiner Form zu betreuen. In diesen Unterkünften breiten sich entsprechend Krankheiten aus und tragen ihrerseits zu den miserablen Arbeitsbedingungen und zu den zahlreichen Unfällen bei.

Das Ergebnis der Untersuchung bestätigt dabei frühere Berichte von Menschenrechtsorganisationen. So hat die Peoples Union for Democratic Rights (PUDR) bereits im April 2009 einen Bericht veröffentlicht, in welchem eben diese Punkte ausführlich beschrieben und kritisiert werden. In dem Bericht werden dabei neben den Arbeitsbedingungen selbst auch andere Probleme im Zusammenhang mit den Vorbereitungen auf die Commonwealth Games genannt. So wurden zur Vorbereitung der Baumaßnahmen Slumgebiete niedergerissen, ohne einen alternativen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. In anderen Fällen wurden hohe Mauern um Slumgebiete in Sichtweite von Zufahrtsstraßen errichtet, damit diese nicht ins Blickfeld der Besucher geraten. Da die Fertigstellung der Unterkünfte für die Athleten zum momentanen Zeitpunkt nicht sichergestellt ist, wird derzeit angedacht, einige der Sportler in Studentenwohnheimen der Delhi University unterzubringen. Die Studierenden müssen, wenn diese Pläne durchgesetzt werden, im laufenden Semester eine andere Unterkunft in Delhi finden - ohne eine Entschädigung freilich.

Damit gehen die Vorbereitungen auf die "Green Games" in Delhi einher mit einem umfassenden Stadterneuerungsprogramm sowie vor allem mit massiven - und lebensgefährlichen - Einschränkungen der Rechte von Bewohnern und insbesondere von ArbeiterInnen auf den Baustellen. Die traurige Ironie dabei ist, dass nicht einmal der Slogan der "Green Games" gerechtfertigt scheint und neben immensen sozialen Problemen auch massive Zweifel an den Umweltstandards im Rahmen dieser Vorbereitungen aufgekommen sind. Diese Zweifel wurden indes in verschiedenen Gerichtsurteilen unter anderem mit dem Verweis auf den Mangel an Zeit für eine abschließende Untersuchung vor den Commonwealth Games auf Eis gelegt.

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