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15. April 2008. Analysen: Politik & Recht - Pakistan Power, Profit, Pakistan - Amerika, Allah und die Armee

Militärisches Kapital und wirtschaftliche Machtpolitik in Pakistan

Nach dem für Musharraf niederschmetternden Wahlergebnis und im Lichte seines gegenwärtig drohenden Rücktritts, der Pakistan in eine neue Welle der Gewalt stürzen könnte, müssen neokonservative Politiker der USA, die nach dem 11. September den pakistanischen Militärapparats in nahezu absurder Weise überfinanziert haben, ihre Unterstützung für diese hochdisziplinierte Kraft mit "islamischen" nuklearen Besitztümern, neu überdenken. Eine Umstrukturierung des militärischen Kapitals würde vielfältige Folgen für die gesellschaftliche Elite Pakistans haben.

Dabei gilt es neben zentralen Zusammenhängen mit illegalen Aktivitäten des Militärs, wie beispielsweise systematischen Schmuggel mit Afghanistan und Iran, Geldwäsche und Drogenhandel auch die Implikationen des Milbus für jiahdi Gruppen zu berücksichtigen.

Siddiqa
Blick in Pakistans vom Militär dominierte Wirtschaft. Ayesha Siddiqas Buchtitel Military Inc. Foto: Thomas K. Gugler

Generäle in Pakistan beenden ihre militärische Laufbahn oft als Multi-Millionäre. Die erschütternde Wahlniederlage Musharrafs und die medial eindrucksvoll inszenierte Ermordung Benazir Bhuttos, die von zahlreichen Beobachtern als Machtdemonstration militär-geheimdienstlicher Kräfte interpretiert wird, fordern die TINA-These (There Is No Alternative) heraus, mit der europäische und amerikanische Analysten seit dem 11. September Musharraf unabirrbar unterstützten. Der ISI und das pakistanische Militär verdanken ihre Vormachtstellung aber nicht nur den politischen wie verfassungsrechtlichen Reformen Musharrafs oder der finanziellen Überunterstützung durch die USA, sondern auch wirtschaftlichen Aktivitäten der von den militärischen Stiftungen initiierten Industriebetrieben, die zentral sind für die Machtposition der Militärs in Pakistan. Können westliche Entscheidungsträger mit Handelsverboten für die mit den militärischen Stiftungen verbundenen Unternehmen einen Beitrag zur Demokratisierung Pakistans leisten?

Milbus

In den politischen und ökonomischen Landschaften Pakistans nimmt das Militär eine vorherrschende Stellung ein. Siddiqas Analyse der militärischen Ökonomie "Military Inc." prägte den Terminus "Milbus", militärisches Kapital, das relativ unabhängig von den im Verteidigungshaushalt gelisteten Kapitalien generiert wird. Milbus ist also Kapital des Militärs aus wirtschaftlichen Aktivitäten, die ohne zentrale Kontrolle und ohne Buchführung von einzelnen militärischen Machthabern meist mit dem Ziel der persönlichen Bereicherung entfaltet werden. Milbus bildet die zentrale Motivationskraft der militärischen Entscheidungsträger, die politische Vormachtstellung im Lande weiter auszubauen - d.h. den Demokratisierungsprozess nach europäischen Verständnis möglichst zu unterbinden. Die Umverteilung nationaler Ressourcen vom öffentlichen in den privaten Sektor, welche die Offiziere auch zum Zwecke der Gratifikation, v. a. der Selbstbedienung und der Loyalitätssicherung Abhängiger, betreiben, entzieht sich der Regierungskontrolle in einem militaristisch-totalitären Systems wie Pakistan. Die präkapitalistischen sozioökonomischen Strukturen des Landes werden durch die Profitgier mächtiger Offiziere gestärkt, so dass die zarten Pflänzchen des Kapitalismus auch in absehbarer Zukunft nicht zu blühen vermögen. Hauptakteure dieser permanenten Umverteilung vom öffentlichen Sektor in den privaten sind die vier Wohlfahrtsorganisationen der Armee: Fauji Foundation (Heer), Army Welfare Trust (Heer), Shaheen Foundation (Luftwaffe) und Bahria Foundation (Marine).

Diese vier Dachverbände betreiben zusammen etwa 96 offizielle Unternehmen, d.h. als Firmen operierende Unterorganisationen. Bei den wirtschaftlichen Unternehmungen des Militärs unterscheidet man meist die Privatisierung des Sicherheitsgeschäfts (Waffenindustrie, Ausbildungen, Beraterfirmen) einerseits und andererseits militärisches Engagement in traditionell nicht-militärischen Wirtschaftssektoren wie Landwirtschaft, Banken, Versicherungen, Hotels, Fluglinien und Immobiliengeschäfte. Konzentrierten sich die Militärs zunächst nur auf traditionell militärnahe Industriesektoren, wie Logistik, Telekommunikation und Informationstechnologie, so expandierten sie in den letzten 30 Jahren zunehmend auch in kleine Handwerksbetriebe, mittelständische Handelsunternehmen und selbst Bäckereien, Schuhfabriken und Dekofirmen. Für den westlichen Beobachter sind insbesondere diese letzteren Aktivitäten überraschend, z.B. wie Ländereien an überwiegend pensionierte Offiziere oder an militärisch geführte Wirtschaftsunternehmen überschrieben resp. weit unter Marktwert verkauft werden, wie Privilegien für Militärangestellte im Ruhestand gesichert werden (Mitgliedschaft in exklusiven Clubs, Reisevergünstigungen mit den staatlichen Verkehrsmitteln und freie Übernachtungen in "staatlichen" Hotels), wo überall Geschäftsmöglichkeiten durch politischen Druck entstehen und Konkurrenz aus dem privaten Sektor vom Markt verdrängt wird. Weiterhin überrascht, dass militärische Entscheidungsträger offenbar sowohl in Opiumhandel als auch in systematischen Lebensmittelschmuggel beispielsweise von Mehl nach Afghanistan verwickelt waren.

Demilitarisierung als Weg zur Demokratisierung

In der Geschichte Pakistans kann man zwei bzw. drei Modi von Beziehungen zwischen Militär und Zivilgesellschaft differenzieren: (1) Zivil-militärische Partnerschaft (wie z.B. Indien oder Deutschland), (2) Militär-als-Schiedsrichter (Pakistan vor 1977) und (3) Militär-als-paternalistischer Beschützer (Pakistan nach 1977).

Anhand der Private Military Enterprises und den private security businesses, die in den 1990ern in den USA entstanden sind (z.B. Halliburton, MPRI, Kellogg, Brown & Root und DynCorps), kann man nachzeichnen, wie im Modus einer zivil-militärischen Partnerschaft militärnahe Berufsmöglichkeiten für ehemaligen Soldaten im privaten Sektor entstehen. Dieses Beispiel zeigt ebenso, wie öffentliche Ausschreibungen von Verteidigungsministerien systematisch umgangen werden. Im Modus Schiedsrichterfunktion interveniert das Militär, wenn zwischen diversen als korrupt wahrgenommenen Akteuren der Zivilgesellschaft ein Konflikt entbrennt. Nach dessen Niederschlagung kehrt es wieder in die Baracken zurück. Andere Beispiele für diesen Modus sind Indonesien vor 1966, Türkei vor 1961, Südkorea, Thailand, Vietnam und Bangladesh. Militär-als-paternalistischer Beschützer bedeutet, dass die wirtschaftlichen Interessen des Militärs institutionalisiert sind, die Armee nicht länger Instrument der Politik ist, sondern als eigenständige Regierungsmacht aktiv das politische Geschehen mitbestimmt. Seit 1985 ist der pakistanische Präsident befugt, das Parlament bei Misstrauen oder Korruptionsbedenken aufzulösen. Im April 2004 schuf Musharraf mit dem National Security Council eine Institution, die die Machtstellung des Militärs zementiert und die Armee als vom Parlament unabhängige politische Größe etabliert.

Militär als nation-builder?

In den Jahren 1947 bis 1977 entwickelten sich der politische Machtzugewinn und die Vormachtstellung des Militärs in Pakistan schrittweise. Das Militär ist gegenwärtig die politisch einflussreichste Institution in Pakistan. Von den etwa 630.000 Mitarbeitern sind ca. 550.000 beim Heer, ca. 45.000 bei der Luftwaffe und ca. 25.000 bei der Marine. Das Militär folgt noch dem britischen Ethos im Glauben an eine mythische Kriegerrasse, d.h. es ist ethnisch homogen und rekrutiert sich zu 75 % aus drei "Salt Range" genannten Distrikten in Punjab und zu 20 % aus vier Distrikten der North West Frontier Province. Die Kontrolle und praktische Handlungsmacht über die Geheimdienste, neben den drei Military Intelligences insbesondere den Inter-Services Intelligence, machen den Armeechef zum mächtigsten Mann Pakistans, theoretisch jedoch nach dem Präsidenten. Mit hohem Elitestolz und professionsspezifischer Arroganz blicken die Soldaten despektierlich auf Zivilisten herab, die innerhalb des Militärs als inkompetent, unaufrichtig, korrupt und gierig gelten. Seit dem ersten Krieg gegen Indien 1947-48 hat nationale Sicherheit absoluten Vorrang. Die militärische Aufrüstung wurde maximal unterstützt, so dass der Verteidigungshaushalt damals 70 % des Gesamthaushalts ausmachte. Um effektiv Krieg zu führen, nahm das Militär auch andere Aufgaben an, beispielsweise Straßenbau, kommerzielle Projekte, Verfolgung von Stromraub und Korruption. Einige (Moore, Cheema, Cloughly) sehen im Militär deshalb den zentralen Akteur des nation-building. In der Tat bildet es in einer religiös wie ethnisch stark fragmentierten Gesellschaft die modernste und leistungsfähigste Institution. Seine starke Stellung gewinnt das Militär nicht zuletzt deshalb, weil es seit den Trennungskriegen als primäre Schutzinstitution gegen die immer wieder perhorreszierte Dominanz der sehr viel erfolgreicheren indischen Republik, der alles entscheidenden Referenzgesellschaft, fungiert. Allerdings lässt sich auch beobachten, dass viele Diplomaten und Entscheidungsträger aus dem Ausland diese entscheidenste Charaktereigenschaften des pakistanischen Militärs permanent ignorieren. Die Amerikaner etwa zeigen sich nun nach sechs Jahren der Finanzierung der pakistanischen Armee enttäuscht, dass von den offiziellen zehn Milliarden Dollar (Aufschlüsselung bei Cohen 2007) offenbar ein Großteil nicht nur in Korruptionskanälen versickerte, sondern in Waffentechnologie gegen Indien investiert wurde (Rohde et. al. 2007). Und auch die deutschen Rüstungsindustrien scheinen ohne Bedenken der Militärdiktatur Technologien (z.B. U-Boote) zu verkaufen, die den nuklearen Krisenherd zusätzlich anfeuern und lediglich das Aufrüsten gegen Indien vorantreiben.

"survival of the fattest" - Das Militär als Gesellschaftsschicht

Pakistan wird regiert aus einer Koalition zwischen Feudalschicht und Offizierskorps. Die militärische Gesellschaftsschicht entstand überwiegend in den Jahren nach 1977, in einer Zeitspanne von dreißig Jahren, die in drei Phasen eingeteilt werden kann. Die massiven Menschenrechtsverletzungen, Misshandlungen und Zwangsausübungen der Jahre 1977-88 gefährdeten die Legitimität der gesellschaftlichen Rolle des Militärs als Schiedsrichter. Deshalb änderte das Militär seine Strategie und begann durch leichten Zwang einerseits und Bestechungsversuche andererseits eine Politik der Partnerschaft mit ausgewählten Mitgliedern der gesellschaftlichen Elite. Nach der Wahl 1977, die noch dominiert war von der Forderung der Oppositionsbewegung PNA, Pakistan National Alliance, nach Einführung der shari'a, des Systems Muhammads, Nizam-e Mustafa, zementierte das Militär seine neue Politik, die in der Gesellschaft als Null-Toleranz-Politik angesehen wurde, mit der Ermordung des gewählten Premierministers Bhutto. Das Militär führte eine harte Zensur aller Medien ein, hob fundamentale Rechte der Verfassung von 1973 wieder auf, verbot Gewerkschaften und studentische Vereinigungen, schlug jeglichen öffentlichen Protest nieder und ließ den gewählten Premierminister Bhutto 1978 in einem politisch motivierten, allen rechtsstaatlichen Grundsätzen hohnsprechenden Prozess zu Tode verurteilen. Auch die Ermordung seiner Tochter Benazir Bhutto am 27. Dezember 2007 wird von vielen Analytikern, u.a. dem ehemaligen ISI-Direktor Gul, auf Kräfte aus dem ISI zurückgeführt. Von 1978 an wurden Treffen der Politiker der PNA und der Movement for Restoration of Democracy (MRD) geheimdienstlich überwacht (Hussain 1990, Rizvi 2003). Die Einführung der shari'a, des islamischen Bankwesens und der Behörde nazim-e salaat (Gebetskontrolle) sollten der Militärdiktatur eine symbolische Legitimität verschaffen. In den 80ern wurde insbesondere der ISI, Inter-Services Intelligence, dank der erheblichen finanziellen Transfers v.a. der Amerikaner im Zuge des Afghanistankrieges gestärkt. Das Militär manipulierte die politischen Parteien entscheidend mit Hilfe des ISI, beispielsweise in der Formierung des Islami Jamhoori Ittihad (IJI) und der Muhajir Qaumi Movement (MQM) gegen Bhutto´s Pakistan's People Party (PPP). Der Aufstieg der Sharif-Industriegruppe Ittefaq ist ein lehrreiches Beispiel für die Zusammenarbeit der Armee mit spezifischen Händlergruppen und Wirtschaftsbossen. Nawaz Sharif wurde in den 1990er Jahren zweimal Premierminister Pakistans. Militärregime generieren offenbar zivile Fratzen für ihre Diktatur, die als Quelle für demokratische Legitimität dienen sollen. Außenpolitisch betrachtet wurde der Machtzugewinn des Militärs entscheidend durch amerikanische Hilfen herbeigeführt. Die Reagan-Regierung bewilligte offiziell zwei Hilfspakete mit 3,2 Milliarden USD und 4,2 Milliarden USD. Der Einmarsch Moskaus in Afghanistan stabilisierte folglich die pakistanische Militärdiktatur entscheidend.

Die Änderung des Artikel 58(2)(b) der Verfassung von 1973, der besagt, dass nun der Präsident die Nationalversammlung auflösen kann, sicherte den Militärherrschern die Unabhängigkeit von demokratisch gewählten Parlamenten. Die eigenständige Rolle des Militärs wurde durch die Bewegung Revival of the Constitution Order (RCO) de facto institutionalisiert. Die Einrichtung des mit dem türkischen Vorbild vergleichbaren National Security Council (NSC) durch Musharraf 2004 markiert den vorläufigen Endpunkt dieser Entwicklung.

In den zehn Jahren nach der Wahl im November 1988 hatte Pakistan acht Premierminister. Jede Regierung hielt sich für klüger und scheiterte doch im Versuch, durch wirtschaftliche Anreize für die Generäle die politische Loyalität des Militärapparates wieder zu gewinnen.

Die Zeit der Militärdiktatur Musharrafs von 1999 bis zur Gegenwart ist geprägt von einseitiger Feindschaft und dem Kargil-Krieg gegen Indien, der im Mai 1999 begann und den Musharraf zu einer Zeit vorantrieb, zu der offiziell die Friedensbemühungen der Lahore Declaration vom Februar 1999 im Vordergrund standen. Nicht nur wurde die Pressefreiheit wieder massiv eingeschränkt, vielmehr wurden auch mehrere Journalisten gezielt von Geheimdienstlern ermordet (Siddiqa 2007: 98).

Bhutto und Sharif verteilten Land im Wert von mehr als 165 Millionen USD an Freunde und Unterstützer. Auch die diversen Privatisierungen begünstigten immer nur wenige Familien bzw. einzelne Clans (Rehman 1998).

Militärische Wirtschaftsunternehmen

Trotz der vordergründigen Unsichtbarkeit mancher wirtschaftlichen Unternehmungen des Militärs kann man deren Einfluss auf den Primärsektor (Landwirtschaft, Fortwirtschaft, Fischerei etc.), das produzierende Gewerbe (verarbeitende Gewerbe, Industrie, Handwerk, Energiewirtschaft, Baugewerbe etc.) und den Dienstleistungssektor (Handel, Verkehr, Logistik, Kreditinstitute, Versicherungen, Wohnungsvermietungen etc.) erahnen. Die komplexen Netzwerke der Verknüpfung von militärischen und vermeintlich bloß zivilen Aktivitäten lassen sich aber nur vage nachzeichnen. Deutlich ist jedoch, dass das Ministry of Defence im Zentrum all dieser Aktivitäten steht. Dem Ministry of Defence sind die Service Headquarters, Deparment of Military Land and Cantonment, Fauji Foundation und die Rangers unterstellt, wobei das Ministry of Defence die wirtschaftlichen Aktivitäten der Unterfirmen nicht koordiniert, sondern eher als Forum zur Aushandlung von Geschäftsbeziehungen dient.

Army General Headquarters

Auf der institutionellen Ebene sind insbesondere drei Unternehmen direkt von der Armee kontrolliert. Die drei wichtigsten Firmen des öffentlichen Sektors, die direkt dem Army General Headquarters unterstellt sind, sind die National Logistic Cell (NLC), Frontier Works Organization (FWO) und Special Communication Organization (SCO). Die NLC ist mit etwa 1.700 Fahrzeugen und etwa 7.300 Mitarbeitern das größte Logistikunternehmen des Landes. Neben Warentransport baut diese Firma aber auch Straßen, Brücken und Getreidesilos. 1978 gegründet wurde die NLC ein der Armee unterstelltes Parallelunternehmen, das mit der Zeit private Anbieter ersetzte. Die NLC verzeichnete in den 80er Jahren dramatische Wachstumsraten da sie die logistische Unterstützung für diverse militärische und nichtmilitärische Operationen in Afghanistan abwickelte.

Die FWO, Frontier Works Organization, wurde 1966 gegründet um den 805 km langen Karakoram Highway als Verbindung mit China zu bauen. Sie wurde zur größten auf Straßenbau spezialisierten Firma Pakistans. Seit 1999 hat die FWO auch Mehrheitsanteile am Tochterunternehmen LAFCO, das mit Privatanbietern zusammenarbeitet.

Die SCO, Special Communication Organization, wurde 1976 gegründet, um in Azad Jammu Kashmir und den Northern Areas flächendeckend Telekommunikation einzuführen.

Auf der nächsten Ebene, der Ebene der Tochterunternehmen, unterscheidet man die vier bereits erwähnten Wohlfahrtsgesellschaften mit deren jeweiligen Wirtschaftsunternehmen.

Fauji Foundation

Die zum Heer gehörige Fauji Foundation besteht seit 1954 und ist gegenwärtig vermutlich das größte Wirtschaftskonglomerat Pakistans. Die 25 unabhängigen Unterfirmen beschäftigen rund 7.000 pensionierte Soldaten und wickeln gegenwärtig ein Volumen von etwa 170 Millionen USD ab. Von den 25 Firmen sind lediglich die Dünger- und Zementfabriken im Stock Exchange gelistet. Die zentralen Wirtschaftsunternehmen sind: Foundation Gas, Fauji Corn Complex, Fauji Security Services, Fauji Sugar Mills, Overseas Employment Services, Fauji Cement Company Ltd, Fauji Fertilizer Company Ltd, Foundation Securities Ltd und Fauji Kabirwala Power Company Ltd.

Army Welfare Trust

Der ebenfalls dem Heer zugeordneten Army Welfare Trust entstand 1971 kurz vor Ausbruch des Krieges und verfolgt in erster Linie das Ziel mehr Arbeitsplätze für pensionierte Militärs zu schaffen. Zwischen den verlorenen Kriegen gegen Indien 1965 und 1971 litt das Militär unter teilweise massiven Budgetkürzungen. Der Army Welfare Trust ist den Army General Headquarters (GHQ) unterstellt und koordiniert gegenwärtig 41 Unterprojekte. Im Stock Exchange sind lediglich fünf Subunternehmen genannt, die sämtlich im Finanzsektor operieren. Die etwa 5.000 angestellten pensionierten Soldaten erwirtschaften eine Bilanzaktiva von über 860 Millionen USD. Die zentralen Wirtschaftsunternehmen sind fast alle am Namen Askari erkennbar: Askari Stud Farms, Askari Welfare Rice Mills, Askari Welfare Sugar Mills, Askari Fish Farm, Askari Cement, Askari Welfare Pharmaceutical Project, Magnesite Refineries Ltd, Army Welfare Shoe Project, Army Welfare Woollen Mill, AWT Commerical Plazas (3), Askari Commerical Bank, Askari Leasing Ltd, Askari Welfare Saving Scheme, Askari Information Service, Askari Power Ltd, Askari Aviation und Askari Housing Scheme.

Seit 1993 zahlt der Army Welfare Trust - wie auch die Fauji Foundation - 20 % des Profits als Steuern. Die beiden Wohlfahrtsorganisationen Shaheen Foundation und Bahria Foundation geben - da sie weniger politischen Einfluss als das Heer besitzen - 30 % ihres Gewinns an den Staat ab.

Shaheen Foundation

Shaheen
"Check in" bei Shaheen Air. Abfertigungsschalter der Tochtergesellschaft der Wohlfahrtsorganisation der Luftwaffe. Foto: Thomas K. Gugler

Die 1977 begründete Shaheen Foundation ist die Wohlfahrtsorganisation der Luftwaffe. Mit 14 Unterfirmen und einem jährlichem Gewinn von ca. 10 Millionen USD ist die Shaheen Foundation relativ klein. Das bekannteste Unternehmen ist die eigene Fluggesellschaft (Bild unten). Die zentralen Wirtschaftsunternehmen sind: Shaheen Air International, Shaheen Air Cargo, Shaheen Airotraders, Shaheen Insurance, Shaheen Travel, Shaheen Pay TV, FM-100 (Radiokanal), Shaheen Systems (IT) und Shaheen Knitwear.

Bahria Foundation

Die jüngste der vier militärischen Wohlfahrtsorganisationen ist die seit 1982 existierende Bahria Foundation, die der Marine unterstellt ist. Die Bahria Foundation koordiniert 19 Unterfirmen haben einen Wert von ca. 70 Millionen USD. Das bekannteste Unternehmen ist ihre Immobilienfirma. Die zentralen Wirtschaftsunternehmen sind: Falah Trading Agency, Bahria Construction, Bahria Paints, BahriaDeepSea Fishing, Bahria Complexes, BahriaTown & Housing Schemes, Bharia Dredging, Bahria Bakery, BahriaUniversity, Bahria Shipping, Bahria Coastal Services, BahriaHarbor Services, Bahria Diving & Salvage International und Bahria Catering & Decoration Services.

Milbus zwischen Militärkapital und Wiederaufbauhilfe

Die formative Phase des Milbus sind die Jahre 1954 bis 1977. Die diversen Regierungen nahmen auf unterschiedliche Weise Einfluss auf die interne Ökonomie des Militärs. Die erste Wohlfahrtsorganisation (Fauji Foundation) wurde 1954 mit dem Geld der Briten aus dem 1942 eingerichteten Post War Services Reconstruction Funds gegründet. Wurde in Indien das Geld unter den Kriegsveteranen des zweiten Weltkrieges aufgeteilt, wurde es in Pakistan in industrielle Großprojekte investiert. Milbus wuchs insbesondere in den Jahren 1954 bis 1969 parallel mit dem Einfluss des Militärs in der Politik unter Ayub Khan. Milbus stagnierte in den Krisenzeiten zwischen 1969 und 1972 und blieb unverändert niedrig unter der zivilen Regierung Zulfiqar Ali Bhuttos (bis 1977), da das Militär noch keine eigene Gesellschaftsschicht ausgebildet hat und noch nicht die Position eines paternalistischen Beschützers gegenüber der Regierung einnahm.

Sonderzulagen, Sondervergütungen und Sondervergünstigungen

Nach 1977 nahm das Militär in Pakistan die Position eines paternalistischen Beschützers gegenüber der Regierung ein. Der Militärdiktator Zia ul-Haq (1977-88) verhalf dem Militär zu neuen Machtwelten. Die neue Vorherrschaft ermöglichte den General Headquarters neue Ressourcen auszuschöpfen, etwaige Monopolansprüche anzumelden (beispielsweise Fischereilizenzen) und die finanzielle Autonomie des Militärs abzusichern. Die je zweimal gewählten Regierungen von Benazir Bhutto (1988-90 und 1993-96) und Nawaz Sharif (1990-93 und 1997-99) versuchten die Generäle mit Sondervergütungen für sich gewogen zu stimmen. Der Versuch beider Premierminister sich mit Sonderrechten beim Militär Regierungszeit zu erwerben, scheiterte und führte zu einem weiteren Wachstum der militärischen Wirtschaftsunternehmen. Insbesondere die unverhohlene Rolle der Geheimdienste bei der Auflösung gewählter Regierungen, verunsicherte die Premierminister und ließ ihnen keine Wahl, außer die Generäle auf ganzer Linie zu bevorzugen. Sharif unterstützte auch aus Eigeninteresse heraus so manchen Subventionsbetrug. Beispielsweise wurden zwischen 1997 und 1999 700.000 Tonnen Zucker (Wert: 60 Millionen USD) nach Indien exportiert. Der Zucker kam aus den Raffinerien der Fauji Foundation, des Army Welfare Trust und auch den Zuckerfirmen, die der Sharif-Familie gehören. Das Central Board of Revenue subventionierte diesen Handel mit über 100 USD pro Tonne, d. h. insgesamt gingen 86 Millionen USD Subventionen zurück an die Hersteller. In den 90er Jahren kommerzialisierte die Bahria Foundation und Shaheen Foundation auch ihre Erziehungssysteme, d. h. sie eröffneten Privatuniversitäten auf Staatsgelände, für das sie keine Miete etc. zahlen. Die Jahre 1999 bis zur Gegenwart charakterisieren sich durch eine Professionalisierung der ökonomischen Interessen. Die Wirtschaftsunternehmen arbeiten gezielt insbesondere mit ausländischen Anbietern zusammen um den Heimvorteil bei etwaigen Ausschreibungen usw. optimal zu nutzen.

Grundbesitzaneignungen

Seit der britischen Kolonialmacht bis zur Gegenwart hat das Militär seinen Soldaten neben Mietwohnungen auch Grundbesitz und Eigentumshäuser zur Verfügung gestellt. Die Überführung von Staatsland in Militärland und dann weiter in den privaten Sektor rechtfertigt das Militär durch die geforderte Mobilität der Soldaten, die nach Bedarf in verschiedene Städte versetzt werden können. Das Militär besitzt in Pakistan bisher etwa 12 % des Gesamtstaatslandes. Von diesen 11,5 Millionen Acres (1 Acre = 4.046 qm) sind etwa 6,9 Millionen Acres ländliches Gebiet. Davon sind lediglich 70.000 Acres als Lager oder Hafer- bzw. Heufarmen direkt dem Militär unterstellt; 35.000 Acres gehören den Wohlfahrtsverbänden und 6,8 Millionen Acres sind als Gratifikation an einzelne Generäle überschrieben. Diese Landbesitzgenerierungspraxis wurde erst 2001 öffentlich diskutiert, als in Okara (Punjab) das Militär gewaltsam sich den Landbesitz der katholischen Kirche Pakistans aneignete. Die etwa 16.500 Acres beinhalteten 22 Dörfer und das Gebiet wurde von mehr als 1.300 Landwirten bewirtschaftet. Diese Bauern zahlten einen Teil der Ernte als Mietzahlungen an die katholische Kirche. Nun verlangte das Militär aber Geldzahlungen. Die Mietbauern wurden in einem kleinen Bürgerkrieg von den paramilitärischen Rangers zweimal besiegt, dabei wurden acht Bauern getötet. Die Rangers schnitten die Dörfer systematisch von dem öffentlichen Versorgungsnetz ab, so dass die Bauern weder auf Medizin noch auf Nahrungsmittelnachschub hoffen konnten.

Im Immobiliengeschäft in den Städten ist der zentrale Vorteil der militärischen Defence Housing Authorities (DHAs), dass sie Grundbesitz sehr viel billiger einkaufen und sehr viel teurer verkaufen können als Privatanbieter, die sie zunehmend vom Markt verdrängen. Die militärischen Wohneinheiten genießen - schon aufgrund der Nachbarn - mehr Vertrauen, da sie als wesentlich sicherer gelten und sie in der Tat weniger Einbrüche verzeichnen als zivile Immobilien- und Wohnungsprojekte.

Männerwohlfahrt

Die Attraktionskraft des Militärs liegt insbesondere in den Versprechungen eines sozialen Aufstiegs: "Das Militär kümmert sich um seine Männer" Zusatzgratifikationen, Ausgleichszahlungen und Pensionen mitsamt pensionsähnlichen Leistungszusagen sind realer Bestandteil des kameradschaftlichen Ethos, das den Kern des Militärwesens als soziale Organisation ausmacht. Nicht nur die exklusivsten Clubs (Stichwort: "Civilians not allowed"), Gästehäuser etc. gehören dem Militär; es stellt seinen Männern zusätzlich ein Bildungs- und Gesundheitswesen zur freien Verfügung, das das öffentliche qualitativ bei weitem übertrifft.

Aber neben höheren Einkommen und Pensionen bietet das Militär vielfältige Möglichkeiten insbesondere pensionierte Mitarbeiter zu fördern und sozial wie finanziell abzusichern. Allein die Fauji Foundation leitet 276 Wohlfahrtsprojekte, darunter Krankenhäuser, Schulen und technische Trainingszentren. Die übrigen drei Wohlfahrtsorganisationen versuchen insbesondere Beschäftigungsmöglichkeiten für pensionierte Militärmitarbeiter zu generieren, da beispielsweise ein Major in Pakistan bereits mit 40 Jahren pensioniert werden kann. Zusätzlich bzw. alternativ gibt es das Askari Bank's Army Welfare Scheme, d.i. ein Festgeldkonto mit einer jährlichen Guthabenverzinsung um etwa 9 %.

Kumpanen-Kapitalismus: korrupt oder kameradschaftlich?

Milbus verursacht erhebliche wirtschaftliche und soziopolitische Kosten und die negativen Nebenwirkungen dieser militärischen Klüngeleien sind enorm. Einerseits deformieren diese Geschäfte die Anfänge der freien Marktwirtschaft und verdrängen private Unternehmen "vom Markt". Andererseits sind zahlreiche über die Wohlfahrtsorganisationen abgewickelte Projekte meist nicht kosteneffektiv, nicht wirtschaftlich.

Grare 2007 diskutiert mögliche Auswirkungen internationaler Sanktionen, beispielsweise Handelsverbote oder ähnlicher Handlungsoptionen der internationalen Gemeinschaft gegen Firmen der vier foundations des Militärs, die zentrale Schritte sind um der Militarisierung und der Jihadisierung in Pakistan Grenzen zu setzen und der Demokratisierung eine ernste Chance zu geben. Für europäische und amerikanische Beobachter ist zentral, dass im Lichte der hier kurz aufgezeigten netzwerkartigen Verflechtungen zwischen Militär und einer vermeintlich zivilen Wirtschaft die Generäle Pakistans schon aus Eigeninteresse nicht an einem Demokratisierungsprozess interessiert sind, wie sie es in der Geschichte Pakistans auch niemals waren.

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