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Einen Tag vor den ersten Luftangriffen der USA und Großbritanniens auf Afghanistan gab in Islamabad Generalmajor Rashid Qureshi bekannt, dass die dreijährige Amtszeit Musharrafs verlängert worden sei. Sie wäre am 7. Oktober 2001 abgelaufen. Die Verlängerung beziehe sich auf das Amt von Musharraf als Generalstabschef der Streitkräfte Pakistans und nicht auf seine Präsidentschaft. Eine Angabe über die Dauer der Verlängerung wurde nicht gemacht.
Nach dem schweren Attentat in Srinagar vom 1.Oktober stellte sich die Frage, wie sehr die pakistanischen Streitkräfte und der Geheimdienst hinter Musharrafs Politik standen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die kashmirischen Separatisten von der Unterstützung des mächtigen militärischen Geheimdienstes Inter Services Intelligence (ISI) abhängig sind, und dass sie solch eine Tat nur schwerlich ohne dessen Mitwissen verübt haben können. Währenddessen bemühte sich der Diktator, sein Land vom Image des "Terrorsponsors" reinzuwaschen.
Als Chief-Executive – der dritten Amtsbezeichnung Musharrafs - reagierte dieser mit einer neuen Verteilung von Ämtern in der pakistanischen Armeespitze. Dieser zweite Staatsstreich Musharrafs wurde mit einem Federstrich durchgeführt, mit dem er die Entlassungen verfügte. Die "Säuberung", bei der u.a. drei der wichtigsten Generäle ersetzt wurden, soll in den höchsten Führungspositionen den Einfluss der "Radikalen" beschränken. Entlassen wurde General Mohammed Aziz, der als zweiter Mann in der Armee-Hierarchie galt und als Kommandant der Lahore-Region das wichtigste Armeekorps befehligte. Aziz bekennt sich offen zur puristisch-sunnitischen Deobandi-Schule. Als weiterer General musste der ebenfalls als konservativ geltende Muzaffar Usmani von seinem Posten als Kommandant des Hauptstadt-Korps zurücktreten. Seine Ausübung als "Tablighi-Laienprediger" war vermutlich ausschlaggebend. Die beiden zählten zum engsten Kreis um Musharraf und galten als seine Stützen bei dem Militärputsch vom Oktober 1999.
Die sicherlich bedeutsamste Umbesetzung betraf General Mahmood Ahmed. Als Chef des ISI war er faktisch zweitmächtigster Mann im Staate, der viele Fäden in seiner Hand hielt. Es hieß, dass er über Kontakte zu dem Kashmir-Mujaheddin Umar Sheikh verfügte, der 1999 von den Entführern eines indischen Passagierflugzeugs nach Kandahar freigepresst worden war und seither in Pakistan verschwunden ist. Dieser soll als enger Vertrauter Osama bin Ladens wenige Tage vor dem 11. September an Mohammed Atta, einen mutmaßlichen Attentäter auf das World-Trade-Center, einen Geldtransfer in Höhe von 100.000 US-Dollar veranlasst haben. Von General Mahmood Ahmed heißt es weiter, dass er beste Kontakte mit vielen Terroristenführern pflegte und zudem den Anschlag von Srinagar deckte. Es wird behauptet, dass er als Führer der pakistanischen Delegation in Kandahar die Taliban mit Militärstrategien für den Angriffsfall und Waffentransporten nach Kabul versorgte, anstatt sie zur Übergabe bin Ladens zu überreden.
Ahmeds Machenschaften dahingestellt, bleibt festzuhalten, dass Musharraf eine neue Ära anstrebt, in der ein Zusammenhang zwischen "seinem" Militär und islamischen Terroristen ausgeklammert werden soll. In weiteren personellen Änderungen in den drei Korps entlang der Grenze zu Afghanistan hat Musharraf nun Leute seiner Wahl positioniert. Der ISI erhielt mit General Eshan ul-Haq einen neuen Generaldirektor.
Am 10. Oktober meldeten die internationalen Medien, dass Pakistans Präsident Musharraf sich der "Allianz gegen den Terror" angeschlossen habe. Amerikanische Waffen können seither gegen Afghanistan eingesetzt werden, und zwar auch von dem muslimischen Bruderland aus, von dem die Taliban vor Jahren kamen. Musharraf festigte damit den Widerspruch zu der kleinen, aber einflussreichen Schicht von Islamisten. Hauptargument für eine Beteiligung in der neuen Allianz sei die Möglichkeit aus der internationalen Isolation auszubrechen, in der das hoch verschuldete Land seit den Nukleartests von 1998 und dem Militärputsch von 1999 stecke.
Pakistans Berufsarmee scheint der Stabilitätsfaktor zu seien, den Politiker weltweit mit dem Gesamt-Staat verwechseln. Musharraf weiß das disziplinierte Militär hinter sich, das gegenüber dem bedrohlichen Nachbarn Indien in ständiger Gefechtsbereitschaft steht und die Fäden in der Geschichte des Landes stets in der Hand hielt.
Die von Musharraf begonnene "Wende zu einem demokratischen und modernen Pakistan", das seine islamischen Ursprünge mit Freiheit und Fortschritt verbinden zu suchen habe, lässt eine Anlehnung an die Türkei des General Kemal Paschas im frühen 20. Jahrhundert bemerken. Selber der türkischen Sprache durch seinen Aufenthalt am Bosporus mächtig, hat Musharraf oft betont, dass Atatürk sein persönliches Vorbild sei. Doch bei allen bisherigen Versuchen, sein Land in diese Richtung zu lenken, habe er sich den einflussreichen Mullahs beugen müssen. Sie waren traditionell die wichtigste Stütze pakistanischer Militärdiktaturen. Den Freiraum, den ihm die momentan außerordentliche Situation bescherte, habe er begonnen mit Mut und Entschiedenheit für sich zu nutzen.
Einziges, aktuell nicht leicht zu lösendes Problem scheint Kashmir darzustellen. Musharraf ist bemüht sich den Anforderungen zu stellen. Das belegt auch ein Anruf kurz nach dem zweiten Staatsstreich beim indischen Premierminister Vajpayee, der der Fortführung des vor wenigen Monaten in Agra abgebrochenen Dialogs dienen sollte. Doch dieser hoffnungsvolle neue Ansatz der indisch-pakistanischen Beziehung wurde durch Gefechte an der gemeinsamen Gebirgsgrenze wenige Tage später zu Nichte gemacht.
Indiens Politiker wissen von der schwierigen Situation, in der sich Musharraf befindet. Trotz des großen persönlichen Risikos, das durch die Abkehr von den Taliban bestand, kann er in Kashmir nicht gleich verfahren, wenn er politisch überleben will. Für viele Leute im Westen sind "Musharrafs Freiheitskämpfer" nicht mehr als Terroristen, und Selbstmord-Attentate stärken diese Auffassung. Das ist eine Pauschalisierung, die Pakistan für die internationale Allianz zu einem unzuverlässigen Partner machen könnte. Daher muss der General versuchen, Kashmir vorläufig aus dem Blickfeld zu nehmen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, er verurteile den Terrorismus im fernen Amerika, pflege aber denselben vor seinem Haus. Der politische Spielraum des Generals wird in dieser Sache immer kleiner. Die Besuche des britischen Premierministers Tony Blair, des amerikanischen Außenministers Colin Powell und Bundeskanzler Schröder in Pakistan und Indien verdeutlichten die Sorgen der Allianz-Partner. Sie versuchen die leicht entflammbaren Beziehungen zwischen den beiden Nachbarn im unmittelbaren geographischen und zeitlichen Umfeld des Afghanistan-Krieges zu beruhigen. Solange Kashmir diplomatisch unantastbar bleibt, wird in Pakistan – unabhängig von Musharraf - die Versuchung groß bleiben, dem auf konventionellem Gebiet militärisch weit überlegenen Indien Wunden zuzufügen. Der Diktator könnte den Forderungen Indiens, dies zu unterbinden, nachkommen. Dann droht ihm allerdings eine Isolation durch den Verlust jeglicher Unterstützung seines Militärs und der Bevölkerung. Denn im Gegensatz zu Afghanistan ist Kashmir als "historische Ungerechtigkeit" ein zentrales Anliegen der gesamten pakistanischen Gesellschaft. Kashmir könnte Musharrafs Stolperstein sein. Dabei kann Pakistan auch gewinnen, denn je mehr sich Indien als Opfer des globalen Terrorismus in den internationalen Abwehrkampf einreiht, desto größer sind die Chancen die "Kashmir-Frage" zu internationalisieren, wogegen sich New Delhi bisher entschieden verwahrt hat.
Musharrafs Politik scheint trotz der ersten Toten bei Demonstrationen der Islamisten auf den Straßen von Karachi bis Peshawar nicht eine Welle der Sympathie für diese oder für die Afghanen ausgelöst zu haben. Dazu waren die Flüchtlinge bisher eine zu "große Last". Die bisherige Geschichte Pakistans offenbarte die Gefahr, die von den religiösen Fanatikern ausging. Gewalt in Karachi, u.a. zwischen radikalen Sunniten und Schiiten, zeigte den allermeisten Pakistanis, was landesweit auf dem Spiel steht, sollten solche Kräfte an Macht und Einfluss gewinnen.
Selbst als der Staatspräsident seinen Bürgern die ökonomischen und außenpolitischen Sachzwänge eingestand, denen Pakistan scheinbar nicht mehr ausweichen kann, erhielt er nur verhalten schlechte Noten. Seine Politik scheint bisher nicht offen bedroht.
Durch das Bombardement Afghanistans und die steigenden Zahlen ziviler Opfer dort wächst allerdings die Ablehnung gegenüber den USA. Was Musharraf veranlasste seine neuen Partner zur Eile anzuhalten. Sicherlich auch, um zukünftige Gefahren, ausgehend von aufgebrachten Muslimen, auszuschließen.
Pakistan ist nicht mehr isoliert. Die meisten Sanktionen sind aufgehoben, aber Investitionen bleiben durch den Krieg mit unsicherem Ausgang aus. Weiteren sozialen Konfliktstoff birgt auch das scheinbar unlösbare Flüchtlingsproblem. Gegenwärtig wird von zwei Millionen afghanischen Flüchtlingen in Pakistan ausgegangen, die bei Wintereinbruch im Hindukusch sehr schnell mehr werden könnten.
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