Beiträge willkommen: suedasien.info versteht sich als vorwiegend deutschsprachiges Informationsportal für die Region Südasien. Wir freuen uns über externe Beiträge zu allen Aspekten der Gesellschaft, Politik, Geschichte und Kultur des Subkontinents bzw. auf die gesamte Bandbreite des vielfältigen und vielschichtigen Lebens in der Region überhaupt. ... [mehr ...]
Call for Papers: Liebe Leserinnen und Leser, in loser Folge möchten wir Spezialisten vorstellen, die langjährig in der und über die Region gearbeitet haben - sowohl im akademischen als auch im nicht-akademischen Bereich - und daher fundierte Einblicke eröffnen können. Ziel ist es dabei entgegen den Trends einer oft schnelllebigen Mediengesellschaft das zumeist Jahre und Jahrzehnte umfassende Schaffen von Wissenschaftlern und Fachleuten in möglichst umfassender Bandbreite sichtbar zu machen, d.h. ein Werk durchaus mit unterschiedlichen Akzentsetzungen, Brüchen oder theoretischen Ansätzen vorzustellen. Die Redaktion freut sich wie immer auf Ihre Vorschläge, Ideen, Anregungen und Mitarbeit an dieser Reihe! ... [mehr ...]
M | D | M | D | F | S | S |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | 2 | 3 | 4 | |||
5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 |
12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 |
19 | 20 | 21 | 22 | 23 | 24 | 25 |
26 | 27 | 28 | 29 | 30 | 31 |
So entstand das bis heute vorherrschende Bild von Tagore als Weisheitslehrer aus dem Orient. In seiner Heimat ist er aber vor allem berühmt als sozialkritischer Erzähler und Dramatiker, der die heißen Eisen seiner Zeit anfasste.
Es ist erfreulich, dass das bislang einseitige Bild von Tagore als spiritueller Guru nun durch den neu erschienenen Band ausgewählter Prosa "Der Ruf der weiten Welt" ein Stück weit zurechtgerückt werden kann. Der Herausgeber Nirmalendu Sarkar hat zehn Kurzgeschichten bzw. kürzere Erzählungen übersetzt, von denen viele unglücklich oder sogar tragisch enden. Etwa aufgrund der Tyrannei, die eine jungverheiratete Frau im Haus ihrer Schwiegereltern zu erdulden hat – ein bis heute brisantes Thema. Oder aufgrund von Konflikten zwischen individuellen Bedürfnissen und sozialen Schranken, die ihnen entgegenstehen.
In der Titelgeschichte scheitert ein vielversprechendes Eheprojekt in letzter Minute daran, dass die wohlmeinenden Brauteltern weder ihre Tochter noch den Schwiegersohn in spe in ihre Pläne einweihen. In der Geschichte "Der goldene Hirsch" geht es um Geld und Geschäft, um innerfamiliäre Konkurrenz und Intrigen, die dazu führen, dass ein Zweig der Familie prosperiert, ein anderer unaufhaltsam dem Ruin entgegentreibt. Es geht auch um einen verzweifelten Versuch, sich dem Untergang entgegenzustemmen, der alles nur noch schlimmer macht.
Für europäische Leser erstaunlich ist die Geschichte "Das tote Mädchen", in dem eine kinderlose Ehefrau ihren Mann selbstlos dazu drängt, eine weitere Ehe zu schließen, worauf dieser nach anfänglichem Zögern eingeht. Jahrelang erträgt die erste Gattin dann geduldig die Schikanen der jüngeren Ehefrau, bis zu deren frühzeitigem Tod. Nun ist das ursprüngliche Paar wieder zu zweit. "Aber dieses Mal lag zwischen ihnen ein totes Mädchen."
Nur die letzte Geschichte, "Der Babu von Nayanjor", in der ein verarmter, vom vergangenen Glanz seiner Vorfahren träumender Landadliger und seine Tochter im Zentrum stehen, hat ein überraschendes Happy End.
Tagore erweist sich als klarsichtiger Kritiker sozialer Missstände und als großartiger Menschenkenner, der seine Figuren psychologisch überzeugend entwirft und ihre Motive nachvollziehbar entwickelt. So überträgt sich seine Empathie auch auf den Leser. Durchaus modern mutet der Aufbau vieler Geschichten an, die in eine Schlusspointe münden.
Ein Wermutstropfen ist, dass mehrere beteiligte Lektoren Rechtschreibfehler und stilistische Unsicherheiten nicht ausräumen konnten. Schmuckstücke werden z. B. als "Ornamente" bezeichnet, Namen uneinheitlich geschrieben. Es wäre diesem wertvollen Buch zu wünschen, dass recht bald eine zweite, neu redigierte Auflage erscheint.
Rabindranath Tagore: Der Ruf der weiten Welt, Draupadi Verlag, Heidelberg 2014, 127 Seiten, 15 Euro
Die Rezension erschien zuerst im Heft 1/2015 der Zeitschrift Südasien.
Kommentare
Als registriertes Mitglied können Sie einen Kommentar zu diesem Beitrag verfassen.