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Bhopal ist die Hauptstadt des indischen Unionstaates Madhya Pradesh in Zentralindien. Fährt man zurzeit durch die Straßen der Stadt oder schlägt eine Zeitung auf – sei es eine hindi- oder englischsprachige – fällt überall ein Gesicht auf: Shiv Raj Singh Chouhan. Sei es auf Rikschas, Bussen, Plakaten, Bushaltestellen, Schulen, Colleges oder Ministerien, überall sieht man das Konterfei des gegenwärtigen Ministerpräsidenten von Madhya Pradesh.
Damit ist er sogar häufiger als die omnipräsente Alkoholwerbung zu sehen. Mit seinem Lächeln ist er überall. Diese Pose entblößt eine zwischen den Schneidezähnen befindliche Zahnlücke, was eine sympathische Ausstrahlung auf die Betrachter_innen hat. Besonders häufig ist er auf den Abbildungen mit kleinen Kindern oder Jugendsportgruppen dargestellt.
Auffällig bei diesen Bildern ist, dass sein Lächeln meist bedeutend größer ist, als das der ihn umgebenden Kinder und Jugendlichen. Da die Kinder neben ihm nicht lächeln, wirkt seine Pose auf diesen Bildern ein wenig aufgesetzt und gezwungen. Das gesamte Stadtbild und die Zeitungen in Bhopal sind geprägt von einer regelrechten Omnipräsenz des – immer – lächelnden und – scheinbar – kinderliebenden Shiv Raj Singh. Seit November 2005 ist der 1959 geborene Shiv Raj Singh Chouhan Ministerpräsident von Madhya Pradesh.
Er regiert als Mitglied der Bharatiya Janata Party (BJP), deren Generalsekretär und Staatspräsident in Madhya Pradesh er vorher war. Chouhan löste den ebenfalls der BJP angehörenden Babulal Gaur als Ministerpräsidenten ab und befindet sich seit Dezember 2008 in seiner zweiten Amtszeit. Der verheirate Ministerpräsident hat zwei Söhne und ist laut Wikipedia 1972 dem Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS) 1 beigetreten. Der Kampf um die öffentliche und mediale Inszenierung der BJP und insbesondere von Chouhan ist zumindest in der Unionshauptstadt derzeit schon in vollem Gange, obwohl die nächste Wahl erst im Oktober 2013 stattfinden wird. In diesen Vorbereitungen spielen Bilder für die mediale Inszenierung von Parteien und deren Vertretern_innen im Allgemeinen eine besondere Rolle. Es hat den Anschein, als sei die lokale Presse aus Bhopal dem Ministerpräsidenten gegenüber besonders wohl gesonnen.
Dies zeigt sich zum Beispiel in der thematischen Berichterstattung über die BJP und den Indian National Congress (INC) sowie in der Gewichtung und Platzierung von Artikeln und Bildern: Nicht einmal die Programme der Zentralregierung mit den Konterfeis des Premierministers Manmohan Singh und der Vorsitzenden des Congress, Sonia Gandhi, sind so oft zu sehen wie die von Shiv Raj Singh. Skandale des Congress in Madhya Pradesh wie Korruptionsvorwürfe werden oftmals auf den Titelseiten ausführlich dargestellt. Das derzeitige Gerichtsverfahren gegen Chouhan wegen illegalem Rohstoffabbaus wird dagegen lediglich kurz auf einer der hinteren Seiten erwähnt, wenn überhaupt darüber berichtet wird (Times News Network 17.11.2011).
Auf den Plakaten wirkt Shiv Raj Singh sehr sympathisch und erscheint als jemand, der sich für die Jugend, deren Anliegen und die Bildung einsetzt. Dies liegt auch an der Wahl der Orte, an denen diese Bilder platziert sind. Oftmals sind dies Schulen und Colleges oder es wird zum Beispiel an Bushaltestellen für Bildungseinrichtungen geworben. Verwendet wird dafür meist ein Bild, welches den Ministerpräsidenten beim Besuch dieser Einrichtung zeigt. Einige Institutionen wollen sich die Ausstrahlung Chouhans zu Nutze machen, indem sie mit seiner Präsenz in ihren Räumlichkeiten werben. Einerseits wollen sie auf diese Weise ihre Einrichtung aufwerten und an der Bedeutung des sie besuchenden Ministerpräsidenten teilhaben. Andererseits stellen sie ihren Einfluss dar und suggerieren, was für eine gute Wahl die Entscheidung wäre, das eigene Kind zu dieser Institution zu schicken.
Die BJP tut sich derweil auch als Sponsor von Sport- und Jugendveranstaltungen wie der Cricket Landesmeisterschaft Madhya Pradeshs hervor. Die Jugendteams der unterschiedlichen Divisionen des Landes treten hier gegeneinander an, um den Landesmeister in einem achttägigen Turnier auszuspielen. Der Wettbewerb fand Ende Oktober 2011 in Bhopal statt.
Die anwesenden Teams sind für diesen Zeitraum in Unterkünften von Schulen und Colleges untergebracht. Der Austragungsort ist der Old Cantine Ground, ein kleines Cricket Stadion mit einigen Tribünen und Sanitäranlagen. Dieses befindet sich in einem der reicheren Viertel Bhopals. Die das Spielfeld umfassende Mauer ist mit BJP-Plakaten und deren Slogans und Bildern des Ministerpräsidenten geschmückt. Neben der Spielfläche sind in zehn Meter Abständen BJP-Wimpel mit dem Parteiemblem des Lotus aufgestellt.
Die Veranstalter dieses Turniers sind meist wohlhabende Unternehmer, überzeugte BJP-Mitglieder und allesamt selbst Mitglieder der Cricket Vereinigung Madhya Pradeshs. Sie nutzen die Veranstaltung sowohl um sich selbst und ihren Einfluss zu zeigen, als auch das Turnier durch die Ehrengäste aufzuwerten. Gleichzeitig wird auf diese Weise das Medieninteresse an dem Turnier erhöht. Zumindest bietet das Turnier den Rahmen, um über anwesende bedeutende Ehrengäste zu berichten. Die einzelnen Spiele sind meist von geringem Interesse für die Presse. Durch diese Inszenierung kommt es zu einer Politisierung einer scheinbar "unbedeutenden" Sportveranstaltung auf Landesebene: Die BJP inszeniert sich als Sponsor des Turniers. Gleichzeitig stellen sie sich als Freunde und Unterstützer von Jugend und Sport, insbesondere dem Nationalsport Cricket, dar. Für die teilnehmenden Jugendlichen dagegen handelt es sich um einen sportlichen Wettstreit auf Landesebene, die Herausforderung sich mit den besten Cricketspieler des Landes zu messen und sich im eigenen Auswahlteam zu beweisen.
Zur Eröffnung des Turniers am 29. Oktober ist der BJP Präsident von Madhya Pradesh, Prabhat Jha, als Ehrengast eingeladen. Jha ist es dann auch vorbehalten nach seiner Eröffnungsrede mit dem ersten Schlag das Turnier zu eröffnen. Allerdings muss er erst dazu gedrängt werden, einen Ball zu schlagen und dabei für die Presse zu posieren. Dass er mit seinem zweiten geschlagenen Ball einen Reporter am Kopf trifft, interessiert ihn nicht und bringt ihm eher noch mehr Ehrfurcht der Anwesenden entgegen. Dieses Bild wird in allen Zeitungen Bhopals veröffentlicht, wobei ich im Hintergrund des Bildes zu sehen bin. In der Regel werde ich als ausländischer Cricket-Trainer auf Talentsuche dargestellt. Dass dem nicht so ist, interessiert die ausschließlich männlichen Pressevertreter nicht. Das Aufbauschen und Ausbauen der Story ist ihnen wichtiger, wie mir die Turnier-Veranstalter stolz mitteilen. Von ihrer Seite aus wird mir erklärt, dass meine Anwesenheit zur Prestige-Steigerung der Veranstaltung beigetragen hat: Nicht nur, dass ein ausländischer Gast anwesend ist und sich das Spiel angesehen hat. Er ist sogar ein nach neuen Talenten Ausschau haltender Cricket-Trainer, welcher der Jugend aus Madhya Pradesh zu einer internationalen Karriere verhelfen könnte. Das anschließende Eröffnungsspiel zwischen der Bhopal und der Jabalpur Divison hat sich jedoch keiner der Medienvertreter oder der Ehrengäste angeschaut. Nur am Rande wird zur Kenntnis genommen, dass Jabalpur das Eröffnungsspiel gewonnen hat und die Bhopal Division nach einer weiteren Niederlage aus dem Turnier ausgeschieden ist – sehr zum Leidwesen der Veranstalter.
Das acht Tage später stattfindende Finale zwischen Jabalpur und Indore wird in den größeren und mit einer überdachten Bühne ausgestatteten Ankur Sports Ground verlegt. Dies geschieht für den Ehrengast der Veranstaltung. Für das Finale hat der Ministerpräsident Shiv Raj Singh Chouhan seine Anwesenheit zugesagt. Um dies zu ermöglichen, wird das Spiel extra um einen Tag verschoben. Am sechsten November wird das Finale zwischen den beiden Finalgegnern Jabalpur und Indore von der Cricket Vereinigung sogar auf Video aufgezeichnet. Doch während des Spiels sind Pressevertreter_innen vergeblich zu suchen. Diese treffen erst kurz vor dem Erscheinen Shiv Raj Singhs ein. Neben der Presse ist auch ein Großteil des Publikums erst kurz vor Ende des Spiels und eigens für den Ministerpräsidenten gekommen. Dabei handelt es sich um eine Menge von ca. 200 jungen, laut schreienden männlichen BJP-Anhängern. Diese vermeintlichen Cricket-Fans werden von drei ungefähr 40-jährigen Männern angeführt. Diese entpuppen sich als eine Art Vorsänger für die beim Einzug ins Stadion lautstark skandierten Slogans. Für das kurz vor der Entscheidung befindliche Spiel interessieren sie sich nicht, aber umso lauter verbreiten sie ihre Botschaft. Neben "Sieg Indien!" ("Jai Hind") brüllten sie vor allem "Vorwärts!" oder "Fortschritt!" ("Jai Hai") und "Er ist unser Führer!" ("Yahe hamare neta hai").
Die Vorbereitungen für das Erscheinen des Ministerpräsidenten werden erst zwei Stunden vor seinem angekündigten Eintreffen begonnen. Die Bühne wird gefegt, gepolsterte Stühle verteilt und diese mit weißen sowie roten Stofflagen bedeckt. Eine Stunde vor seiner Ankunft kommen die ersten Sicherheitsbeamten, deren Zahl von da an stetig anstieg. Mit Hunden und Spiegeln überprüfen sie alle geparkten Autos in der Umgebung des Stadions auf Sprengstoff und verteilen sich auf dem gesamten Gelände. Selbst die von den Veranstaltern geladenen Gäste werden teilweise aus Sicherheitsgründen von der Bühne entfernt. Der Sieg der Jabalpurer Mannschaft wird von einem Großteil des Publikums nur am Rande wahrgenommen. Alle sind mit den Vorbereitungen für den Ehrengast beschäftigt. Nach dem Spiel werden rund um die Bühne Plastikstühle für die Gäste verteilt. Deren Anzahl muss allerdings noch einmal erhöht werden, da keine freien Plätze mehr für die beiden Finalteams vorhanden waren. Zwischen dem Publikum und der Bühne wird ein etwa zehn Meter breiter, mit Teppich ausgelegter Streifen von den Sicherheitsbeamten freigehalten. Dieser wird recht bald von den nun verstärkt eintreffenden Medienvertreter_innen gefüllt. Kurz vor Spielende kommen die ersten Ehrengäste, wozu wiederum Prabhat Jha zählte. Als sportlicher Ehrengast und Mitglied der Bhopaler Cricket Vereinigung ist Sanjay Pandey eingeladen worden. Er ist ein ehemaliger Cricket Spieler aus Bhopal, der es geschafft hat, in einigen nationalen Jugendauswahlteams von Indien zu spielen und einige Spiele als Auswahlspieler für Madhya Pradesh zu bestreiten. Heute arbeitet er als Manager für die State Bank of India und spielt lediglich in seiner Freizeit Cricket. Mit etwa 30 Minuten Verspätung trifft der Ehrengast ein. In einer Pose mit über dem Kopf zusammengefalteten Händen zieht er in das Stadion ein, begleitet von seinen unzähligen Sicherheitsbeamten und den lautstarken Ausrufen seiner extra für diesen Augenblick besorgten Anhängern. Vor allem "Er ist unser Führer!" ("Yahe Hamare neta hai") wird wiederholt kanonartig gebrüllt und liefert eine für die Medien interessante Untermalung für den Einzug des Ministerpräsidenten in das Stadion. Auf der Bühne angelangt, wird er von jederm einzelnen der etwa zehn Veranstalter mit Handschlag, Blumenstrauß und Fußberührung begrüßt. Im Gegensatz dazu wird Jha lediglich von einer Person begrüßt. Abschließend wird Shiv Raj Singh umringt und mit lautem "Sieg Indien!" ("Jai Hind") Ruf in der Mitte einer Menschentraube gefeiert.
Nach diesem Einzug beginnt die Zeremonie mit der Vergabe der ersten Trophäen. Diese erhält Sanjay Pandey von Shiv Raj Singh für seine Verdienste im Cricket. Als Zweiter bekommt Chouhan die größte Trophäe des Nachmittags. Damit werden ebenfalls seine positiven Taten für den Cricket-Sport in Madhya Pradesh gewürdigt. Auf diese Preisverleihung folgt eine kurze Rede von Herrn Sharma, einem der Veranstalter des Turniers. Er lobt insbesondere Siv Raj Singh Chouhan und Prabhat Jha für ihren Einsatz um das Turnier, ihre Anwesenheit und ihre Politik. Seine kurze Rede endet mit einem lautstarken "Sieg Indien!" ("Jai Hind") und "Er ist unser Führer!" ("Yahe hamare neta hai!"). Die Masse der BJP-Anhänger stimmt ebenfalls ein. In seiner daran anschließenden Rede vergleicht Jha Chouhans Verdienste und Erfolg in Madhya Pradesh mit denen von Sachin Tendulkar. 2
Beide Beiträge werden von den Pressevertretern nicht sonderlich beachtet. Sie konzentrieren sich darauf, bestmögliche Bilder von Shiv Raj Singh zu machen. Abschließend hält der Ministerpräsident eine kurze Rede. Er spricht ein wenig über Cricket und hat einige Lacher des Publikums auf seiner Seite. Ausdrucksstark und mit vielen Gesten steht er hinter seinem Pult und inszeniert sich gekonnt für die vor ihm und für ihn positionierten Kameras. Etwa 25 Reporter filmen und fotografieren diesen Teil des Events. Mit den Abschlussworten von Chouhan startet am Ende des Stadions ein lautes und stark qualmendes Feuerwerk. Dieses verfehlt auf Grund des Sonnenscheins am späten Nachmittag allerdings ein wenig seine Wirkung.
Keiner der Redner ist in seinem Beitrag auf das Finalspiel eingegangen oder hat dem Gewinnerteam Jabalpur gratuliert. Während der Redebeiträge sitzen die beiden Finalteilnehmer mehr oder weniger gelangweilt in der ersten und zweiten Reihe vor der Bühne aber hinter den Reportern. Wie sie mir später mitteilen, telefonieren sie mit ihren Freunden und Verwandten, um diese über ihren Erfolg oder Misserfolg zu informieren. Das Team aus Jabalpur hat mit 224 – 4 nach 47 Overs gegen Indore mit 225-6 nach 50 Overs gewonnen, als schon niemand mehr dachte, dass sie den bestehenden Rückstand noch aufholen würden.
Nach Chouhans Rede überreicht er persönlich dem besten Runner und Scorer des Turniers und den Spielern des Finales eine Trophäe. Sie dürfen dafür jeweils auf die Bühne kommen und erhalten einen Handschlag vom Ministerpräsidenten. Dabei lächeln beide groß in die auf diesen Augenblick wartenden Kameras. Als das Gewinnerteam ausgezeichnet werden soll, will die Mannschaft von Jabalpur auf die Bühne stürmen und sich jeder Spieler einen Händedruck von Chouhan abholen. Doch dies verhindern die Sicherheitskräfte. Erst nach längeren Diskussionen, in welche die Pressevertreter involviert sind, wird ein Foto der Siegermannschaft mit Shiv Raj Singh in der Mitte, den Veranstaltern und Ehrengästen erlaubt. Der obligatorische Handschlag und die Gratulation zum Gewinn der Landesmeisterschaft bleiben aus.
Kurz darauf ist Chouhan genauso schnell weg, wie er gekommen ist. Gleiches gilt für die Medienvertreter und BJP-Anhänger. Zurück bleiben die beiden Teams, die sich auch recht bald auf den teilweise weiten Heimweg machen. Die anwesende Presse ist lediglich an der Rede des Ministerpräsidenten interessiert. Weder die Veranstaltung noch deren Ergebnis oder die Rede von Prabhat Jha hat sie sonderlich interessiert. Dafür ist es Shiv Raj Singh gekonnt gelungen, sich vor den Fotoapparaten und insbesondere den Filmkameras zu inszenieren. Die anwesenden BJP-Anhänger und das Feuerwerk haben für die richtige Hintergrundstimmung gesorgt. Die BJP kann sich als Sponsor des Cricket Turniers feiern lassen und ihr Ministerpräsident hat eine positive Presse bei der Abschlussveranstaltung erhalten. Von Vorteil ist für Chouhan und die BJP zusätzlich der Gewinn der Jabalpur Division. Die Veranstaltung erhält in der Region eine vermehrte Berichterstattung und Aufmerksamkeit, wovon Shiv Raj Singh und die BJP wahrscheinlich profitieren können. Sie erhalten eine positive Presse in der Region Jabalpur, was sich wiederum auf die Popularität in dieser Region auswirken kann – zumal Jabalpur eine der ärmsten und benachteiligten Divisionen in Madhya Pradesh ist und mit zunehmendem Einfluss der maoistischen Naxaliten zu kämpfen hat. Des Weiteren ist die Region durch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit geprägt.
Die Jugendlichen der Cricket-Mannschaften müssen für die Darstellung der BJP und ihres Ministerpräsidenten herhalten. Ihre Leistungen und die Landesmeisterschaft werden für politische Zwecke einer positiven Personen- und Parteiendarstellung verwendet. Dass derartig bedeutende Ehrengäste für die Landesmeisterschaft gewonnen werden konnten, ist auf die Beziehungen und Initiative der Veranstalter zurückzuführen.
Das Cricket Turnier hat neben seiner vordergründig sportlichen Seite maßgeblich symbolischen Charakter und dient der Inszenierung der BJP und ihres regierenden Ministerpräsidenten. In diesem Rahmen ist es Shiv Raj Singh möglich, sich positiv mit seinem Engagement für die Jugend zu zeigen.
Diese Botschaft wird durch die anwesenden Medien mit inszeniert. Indem die BJP das Turnier sponsert, besteht die Möglichkeit, einige der beteiligten Jugendlichen oder deren Eltern für die BJP zu interessieren und sie an diese zu binden. Gleiches gilt für die in ganz Madhya Pradesh stattfindende Berichterstattung über das Ereignis. Im Vordergrund dieser Berichterstattung stehen die BJP und ihre Vertreter: Es geht weniger um die stattgefundenen Spiele als um das Turnier als Medienereignis an sich. Auffällig ist die Art und Weise der durchweg positiven Berichterstattung über den Ministerpräsidenten. Das wirft die Frage auf, warum ihm die Presse, insbesondere die in Bhopal ansässige, so wohl gesonnen ist: Ist es lediglich der Faktor, dass er Ministerpräsident ist oder agieren hier einzelne ausgewählte Pressevertreter?
Des Weiteren haben sie an der positiven Inszenierung von Chouhan erfolgreich mitgewirkt. Durch die Medien Foto und Film haben sie zur "verfälschenden" Darstellung der eigentlichen Situation beigetragen. In den Zeitungs- und Fernsehbildern gewinnt man den Eindruck eines gut gefüllten Stadions mit einer lautstarken und durchweg positiv gestimmten Anhängerschaft, die dem Ministerpräsidenten geradezu zu Füßen liegt. Es wird nicht deutlich, dass es in Wirklichkeit nur ein bedingtes Interesse an den Reden von Jha und Chouhan gab. Dies schließt die BJP-Anhängerschaft ein. Ebenso fällt nicht auf, dass die Jugendlichen und deren Leistung nicht im Geringsten gewürdigt werden – von den verteilten Geschenken für das Gewinnerteam und einigen Trophäen einmal abgesehen.
Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit sich Shiv Raj Singh dessen bewusst ist. Sucht er derartige Events gezielt auf, um sich positiv ohne großen Aufwand zu inszenieren? Auf diese Weise ist es ihm möglich einen Großteil der Bevölkerung zu erreichen. Wenn man sich die Presseberichte anschaut, gelingt dies der Congress Opposition in Madhya Pradesh nicht in diesem Umfang. Umso wichtiger werden diese Beobachtungen wenn man berücksichtigt, dass nächstes Jahr Wahlen in Madhya Pradesh anstehen. Anscheinend wird schon jetzt mit dem Wahlkampf begonnen bzw. ein höchst mögliche mediale Präsenz für den derzeitigen Ministerpräsidenten und erneuten Spitzenkandidaten der BJP gesucht.
Mit diesen Aktionen soll auch gezielt über die angeblichen inneren Führungsstreitigkeiten über die parteiliche Ausrichtung zwischen Shiv Raj Singh Chouhan und Prabhat Jha hinweggetäuscht werden. Des Weiteren macht der Congress dem Ministerpräsidenten gerade den Vorwurf, in seiner gesamten Amtszeit noch keine offizielle Pressekonferenz abgehalten zu haben, auf der er sich kritischen Pressefragen hätte stellen müssen (The Times of India, 08.04.2012). Shiv Raj Singh Chouhan ist es in seiner derzeitigen Amtszeit nicht gelungen alle seine Versprechungen umzusetzen. Sein formuliertes Ziel war es, aus Madhya Pradesh einen "goldenen Staat" zu machen. Doch stattdessen steigt die Kriminalität weiter an. Vor allem in für Tourist_innen interessanten Gebieten, wie zum Beispiel Indore und Ujjain. Die Folge ist, dass die Anzahl der Tourist_innen abnimmt. Darüber hinaus ist die Korruption ein allgegenwärtiges Thema, zum Beispiel im Straßenbau. Viele Straßen in Madhya Pradesh, insbesondere in den von der Hauptstadt weit entfernten Distrikten, sind in äußerst schlechtem Zustand. Selbst in Bhopal sind sie von riesigen Schlaglöchern und Staub gekennzeichnet. Es entstehen ständig Staus wegen andauernder und langsam voranschreitender Verbesserungsarbeiten, die das Verkehrsaufkommen noch zusätzlich verdichten. Um eine bessere Straßenqualität zu gewährleisten, sollen die Ausbesserungsarbeiten von nun an zweimal im Jahr durchgeführt werden. Ob dies auch für die dörflichen Regionen zutreffen wird, bleibt abzuwarten. Einhergehend mit dem Straßenzustand nimmt der Staub und Smoganteil vor allem in der Landeshauptstadt immer mehr zu. Die Folge ist ein rapider Zuwachs von Lungenkrankheiten und Allergien insbesondere bei Kindern und älteren Menschen.Weiterhin machen Madhya Pradesh illegaler Rohstoffabbau und die Verwicklung von aktuellen und ehemaligen Regierungsmitgliedern in diese Machenschaften zu schaffen.
Im Rahmen dieser gegenwärtigen Situation sind wohl auch die Inszenierung der BJP und Chouhans anhand des Nationalsports Cricket und die mediale Omnipräsenz in der Hauptstadt zu verstehen. Die Masse an Bildern und Berichten suggeriert einen allgegenwärtigen Ministerpräsidenten. Dieser ist sich scheinbar der Probleme der Bevölkerung und des Landes bewusst. Er hat Lösungen parat, besitzt Zukunftsvisionen und ist dabei, sie umzusetzen (Pandey & Sinha 2011). Ob diese Strategie letztendlich von Erfolg gekrönt sein wird, bleibt bis zur Wahl abzuwarten.
Interessanterweise bedienen sich die Naxaliten (maoistische Rebellen) mit dem Sponsoring der Cricket Landesmeisterschaft teilweise ähnlicher Methoden wie die BJP. Durch das Ausrichten von Sportveranstaltungen mit anschließender Essensausgabe versuchen die Maoisten Sympathisanten unter Teilnehmer_innen und Besuchern zu gewinnen (Misra & Pandita 2010: 109-10). Der Unterschied ist lediglich, dass die BJP hauptsächlich im städtischen Rahmen aktiv ist und die Naxaliten in den armen dörflichen Regionen. Im Gegensatz zu diesen gelingt es der BJP, den medialen Einfluss auf Darstellung und Wahrnehmung ihrer Partei und Repräsentant_innen gekonnt für sich zu nutzen und zu instrumentalisieren.
In den meisten Fällen profitieren von den Inszenierungen mehrere teilnehmende Parteien. Zum einen zahlt sich die stattfindende Berichterstattung und die gesteigerte Medienpräsenz positiv für Shiv Raj Singh aus, zum anderen präsentieren sich Institutionen sowie Veranstaltungen gezielt mit der Anwesenheit des Ministerpräsidenten. Mit der Inszenierung in den Printmedien wird gezielt die Mittelschicht mit Zugang zu Zeitungen angesprochen. Die Bilderflut im öffentlichen Raum dagegen ist für alle, auch die schlecht Ausgebildeten und Analphabeten, sichtbar. Die Darstellungen erreichen jeden und prägen sich schon aufgrund ihrer Masse ein. An die Jugend wird sich durch das Unterstützen und Ausrichten von Sportveranstaltungen gewandt. Die Jugendlichen von heute stellen zum einen die Wählerschaft der nahen Zukunft dar, zum anderen machen sie den Großteil der Bevölkerung von Madhya Pradesh als auch von Indien generell aus.
[ 1 ] Der RSS ist eine militante Organisation patriotischer Hindus mit dem Prinzip der selbstlosen Hingabe für die Nation Indien.
[ 2 ] Sachin Tendulkar ist einer der erfolgreichsten Batsman im Cricket. Er ist Mitglied des indischen Weltmeisterteams von 2011.
Misra, Neelesh & Pandita, Rahul (2010): The Absent State. Insurgency as an Excuse for Misgovernance. Gurgaon: Hachette India.
Pandey, Piyush & Sinha, Partha (2011): Chouhan hopes to record GDP growth of 10%. In: The Times of India, Bhopal, 16.11.2011.
Times News Network (2011): Illegal Mining: Cong Men under scanner. In: The Times of India, Bhopal, 17.11.2011.
Digvijaya Singh calls Shivraj Singh Chauhan 'coward' for avoiding media. In: The Times of India, Bhopal, 08.04.2012.
Wikipedia (2011): Shivraj Singh Chauhan. Online unter: en.wikipedia.org/Shivraj_Singh_Chauhan, Zugriff: 10.11.2011.
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