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Alka Saraogi nimmt uns in ihrem Roman "Umweg nach Kalkutta" mit in ein menschliches Universum, das gerade einen Urknall erlebt. Während das unabhängige Indien seinen 50. Geburtstag feiert, erwacht der über siebzigjährige Kishor Babu aus einer Narkose. Nach der überstandenen Bypassoperation erlitt er einen unbeabsichtigten Schlag auf den Hinterkopf, der nun seine bisherige Lebensweise erschüttert und längst verschüttete Erinnerungen freilegt. Aus dem arbeitswütigen Geschäftsmann und strengen Patriarchen, der wegen seiner herrischen Art von seiner Familie heimlich als "Hitler" tituliert wird, entwickelt sich nun ein in sich gekehrter, grübelnder Mensch, der ziellos durch die Straßen Kalkuttas (heute: Kolkata) streift, vergilbte Zeitungsartikel sammelt und in alten Tagebüchern stöbert.
Seine Familie, allen voran seine Frau, ist auf Grund dieser unerklärlichen Veränderung besorgt um Kishor Babus geistiges Wohlbefinden. Ohne Erfolg werden bekannte Spezialisten konsultiert und tausende Rupien für die neusten Untersuchungsmethoden ausgegeben. Manche Ärzte sehen nicht einmal eine Krankheit in Kishor Babus seltsamen Verhalten und werden deswegen von der Familie als vertrauensunwürdige "Emporkömmlinge" abgetan. Aber selbst Ärzte aus traditionsreichen Medizinerfamilien können ihn nicht von seinen neuen Marotten heilen.
Doch er ruiniert sich nicht nur die Sohlen seiner Schuhe durch seine endlosen Spaziergänge durch Kalkutta. Er vertieft sich obendrein noch in die Geschichte seiner Vorfahren, vor allem seines Urgroßvaters Ramwilas, der im 19. Jahrhundert als erster der Familie dem Ruf Kalkuttas und der Hoffnung vom großen Geld folgte und Dorf und Familie hinter sich ließ. Auch an seine Kindheit und Jugend denkt er zurück und an seine beiden besten Freunde - den Gandhi-Anhänger Amolak und Shantanu, den glühenden Anhänger des militanten Freiheitskampfes - zwischen denen er immer hin und her gerissen war. Die Ideale der Unabhängigkeitsbewegung besiedeln von neuem sein Gehirn und machen ihn zum Kritiker gesellschaftlicher und politischer Missstände, als sei er aus einem langen Schlaf erwacht, in den ihn sein Streben nach Wohlstand gehüllt hatte.
So unternimmt der Leser eine bisweilen ironisch erzählte Zeitreise durch Kalkuttas ereignisreiche und teilweise tragische Geschichte, die aber keineswegs historisch chronologisch abgehandelt wird, sondern stets persönlich bleibt und die Grenzen zwischen Realität und Traumwelt manchmal verschwimmen lässt. Dabei übt Alka Saraogi vielschichtige Kritik an der indischen Gesellschaft, angenehmerweise ohne den erhobenen Zeigefinger, sondern durch ihre kunstvolle Erzählweise, was sie zu einer sehr lesenswerten Autorin der neueren Hindi-Literatur macht.
Alka Saraogi wurde 1960 in Kalkutta geboren, wo sie heute auch lebt. Sie gehört, wie der Protagonist ihres Romans, zur Community der Marwari. Sie sind Teil der Händlerkaste, der Vaishyas, und ursprünglich in Rajasthan beheimatet. Im 19. Jahrhundert fand eine Auswanderungswelle unter anderem nach Bengalen und Kalkutta statt, wodurch sie ihre Geschäftsbeziehungen auf ganz Ostindien ausweiteten. Die Marwari haben ihre Sprache bewahrt und so schreibt auch Alka Saraogi - wenn auch bengalisch gefärbt - in Hindi. Ihre Laufbahn als Schriftstellerin begann - nach acht Jahren Ehe und zwei Kindern - mit einem Studium der Hindi-Literatur an der Universität Kalkutta. Nach Zeitungsartikeln, z. B. über das Thema Frauenemanzipation und einem Band mit Kurzgeschichten, erschien 1998 ihr Debütroman "Kali-katha waya baipas", für den sie den Sahitya Akademi Award erhielt. Der Roman ist nun 2006 auf Deutsch unter dem Titel "Umweg nach Kalkutta" im Insel Verlag erschienen.
Alka Saraogi: Umweg nach Kalkutta (Roman)
Aus dem Hindi von Margot Gatzlaff-Hälsig
Erschienen im Insel Verlag am 03.09.2006
336 Seiten, ISBN 3-458-17313-7, 22,80 €
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