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30. Juni 2002. Nachrichten: Politik & Recht - Afghanistan Türkischer General übernimmt Kommando der ISAF

Eine eigens aus Ankara eingeflogene Militärkapelle intonierte im Stadion von Kabul die türkische Nationalhymne, als der britische Kommandeur John McColl den Oberbefehl über die Internationale Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) an General Hilmi Akin Zorlu übergab.

Für die nächsten sechs Monate wird der Türke das Kommando über die knapp 5000 Soldaten aus 18 Staaten haben, deren Hauptaufgabe die Stabilisierung der Regierung von Hamid Karzai sein wird.

Hilmi Akin Zorlu wurde 1948 in Erdek am Marmarameer geboren. Seine militärische Karriere begann er mit 22 Jahren als Infanterie-Leutnant. Nach seiner Beförderung zum Stabsoffizier setzte er seine Ausbildung in den USA fort. Anfang der 90er Jahre diente Zorlu drei Jahre am NATO-Hauptquartier in Belgien. Im Krieg gegen die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) in Südostanatolien befehligte "Zorlu Pascha" von 1997 bis 1999 eine Panzerbrigade in der Region Kahramanmara. Vor allem mit der 15-jährigen Erfahrung ihrer Spezialeinheiten in den Kurdengebieten hatte die Türkei einen Führungsanspruch im "Kampf gegen den Terrorismus" international immer wieder begründet.

Afghanistan ist nicht das erste Land, in dem die Türkei eine multinationale Einsatztruppe leitet. Zorlu selbst befehligte bis 2001 die Südosteuropa-Brigade (SEEBRIG) auf dem Balkan, die - 1998 gegründet - allerdings nie zum Zuge kam. Und schon 1993 hatte ein türkischer General über 30.000 UN-Soldaten in Somalia kommandiert, deren Mission aber bekanntermaßen scheiterte.

In Afghanistan scheinen die Vorzeichen günstiger, denn die Lage in Kabul gilt als ungefährlich. Zudem kann die Türkei auf historische Gemeinsamkeiten mit dem Land am Hindukusch verweisen. So war Afghanistan unter König Amanullah Khan 1921 das erste Land, das die Republik von Kemal Atatürk anerkannt hatte. Enge

Kontakte aus jüngerer Zeit - vor allem zum usbekisch-afghanischen Kriegsherrn Raschid Dostum und zur Nordallianz - erregen dagegen vor allem unter den Paschtunen eher Misstrauen. Demonstrativ versprach Zorlu daher bei seiner Amtsübernahme, er werde alle Volksgruppen "fair und gleich" behandeln. Die 1400 türkischen Soldaten in Kabul repräsentieren das einzige muslimische Land in der ISAF. Darüber hinaus gilt die Türkei als Musterbeispiel für eine westlich ausgerichtete islamische Gesellschaft. Doch ob dieses Modell ein Vorbild für das neue Afghanistan sein kann, hängt nicht nur von Zorlus Geschick ab.

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