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Die Nachricht kam für viele unerwartet. Rajasthans Landesregierung hatte am 13. April 2003 Praveen Togadia, Generalsekretär des hindunationalistischen Vishwa Hindu Parishad (Weltrat der Hindus, VHP), unter dem Vorwurf des Verstoßes gegen das Waffengesetz in Rajasthan verhaften lassen. Wenig später wurde die Anklage auf Volksverhetzung und anti-nationle Bestrebungen ausgeweitet. Während sich Togadias Anhänger schockiert zeigten, riefen Bürgerrechtsgruppen im Internet dazu auf, Chiefminister Ashok Gehlot (Congress/I) per Telefon, Fax oder Email zu diesem Schritt zu gratulieren. Was war passiert?
Praveen Togadia wurde festgenommen, nachdem er während einer VHP-Veranstaltung im zentralrajasthanischen Ajmer seine Anhänger dazu aufgerufen hatte, den Ram-Tempel in Ayodhya zu errichten, das Nachbarland Pakistans zu zerstören, und Indien in einen Staat der Hindus zu verwandeln. Unmittelbarer Auslöser für das Einschreiten der Staatsmacht waren jedoch nicht die verbalen Attacken der VHP-Größe, sondern die Durchführung einer verbotenen Trishul Deeksha. Während dieser Zeremonie wurden an anwesende Kar Sevaks, hindunationalistische Freiwillige, Trishuls verteilt. Der Trishul (Dreizack) ist ein religiöses Symbol und repräsentiert unter anderem die Macht des Hindu-Gottes Shiva. Der Sangh Parivar, das Netzwerk hindunationalistischer Kräfte, missbraucht dieses Sinnbild jedoch immer wieder für seine politischen Zwecke, wobei die vom VHP verteilten Trishuls auch als tödliche Waffen einsetzbar sind.
Am 8. April, eine Woche vor der Verhaftung Togadias, hatte die rajasthanische Landesregierung diese Zeremonien verboten und die Ausgabe und das Tragen von Trishuls außerhalb religiöser Stätten und Veranstaltungen unter Strafe stellt. Bürgerrechtsbewegungen hatten im Vorfeld des Verbots immer wieder darauf hingewiesen, dass die einzelnen Trishul Deekshas Teil einer groß angelegten Kampagnen seien, die neben VHP, auch von Teilen der Bharatiya Janata Party (BJP) und anderen Elementen des Sangh Parivar getragen werde.
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation People's Union for Civil Liberties (PUCL) hatte der Sangh Parivar bereits 1998 damit begonnen, Trishuls in Rajasthan zu verteilen. Während zwischen 1998 und 2000 Trishul Deekshas nur vereinzelt beobachtet wurden, läuft die Kampagne seit Mitte 2001 auf Hochtouren. Erster trauriger Höhepunkt war dabei die Zerstörung einer Moschee im Tempelkomplex Sawai Bhoj in Asind durch Kar Sevaks. Chiefminister Gehlot hatte daraufhin ein Verbot der Organisation gefordert, war aber mit seinem Ansinnen bei der BJP-geführten Zentralregierung in New Delhi auf Ablehnung gestoßen. Nach diesem politischen Rückschlag, sagen Beobachter, habe sich die rajasthanische Landesregierung nicht weiter um das Problem gekümmert, und somit die Ausbreitung die Trishul-Deeksha-Kampagne zumindest indirekt gefördert.
Unlängst veröffentlichte die PUCL einen detaillierten Bericht über Aktivitäten im Zusammenhang der Trishul Deekshas. Darin heißt es, dass allein in Rajasthan seit den anti-muslimischen Pogromen im benachbarten Gujarat, denen im Frühjahr 2002 mehr als 2.000 Menschen zum Opfer gefallen waren, insgesamt 6.000 Trishuls verteilt worden seien. Darüber hinaus, so die PUCL, habe es in Regionen in denen Trishul Deekshas stattfanden, einen Anstieg kommunalistischer Zwischenfälle gegeben. Insgesamt zielten die Aktivitäten des Sangh Parivar darauf ab, nach dem zweifelhaften Vorbild Gujarats nun auch Rajasthan zu einem hindunationalistisch dominierten Staat zu machen. In Gujarat konnte die BJP unter Narendra Modi im Dezember 2002 mit ihrer unerbittlichen Hindutva-Agitation einen überwältigenden Wahlsieg erringen. Bei den im November diesen Jahres bevorstehenden Wahlen in Rajasthan soll dieser Erfolg wiederholt werden. Die Gehlot-Administration versucht nun – nach ihrer Passivität der vergangenen Jahre – einer solchen Entwicklung noch rechtzeitig entgegenzusteuern.
Nach der Verhaftung Togadias, hatte der VHP zu einem Generalstreik in Rajasthan aufgerufen. Doch selbst in BJP-dominierten Regionen öffneten die meisten Geschäfte, und der Streik blieb von wenigen Zwischenfällen abgesehen wirkungslos. "Während in Gujarat die gewalttätigen Hindunationalisten dominieren", sagt Journalist und PUCL-Aktivist Neelabh Mishra, "haben sich in Rajasthan so etwas wie zivilgesellschaftliche Strukturen gebildet, die (noch immer) einen wichtigen Gegenpol darstellen."
Am 22. April wurde Praveen Togadia nach neun Tagen aus dem Gefängnis entlassen. Er musste eine Kaution von 40.000 Rupien (etwa 800 Euro) hinterlegen und sich verpflichten, seine Aktivitäten im Zusammenhang mit den verbotenen Trishul Deekshas einzustellen. Doch schon vor den Gefängnismauern schien er seine guten Vorsätze vergessen zu haben. Unter dem Jubel von einigen Dutzend Anhängern sagte Togadia, niemand könne ihn davon abhalten, für ein Indien der Hindus zu kämpfen. Neelabh Mishra sieht diese Aussagen gelassen. Insgesamt sei die Inhaftierung Togadias ein Erfolg für die säkularen Kräfte und Schock für das hindunationalistische Lager gewesen, sagt er. Bis dahin war Togadia, der auch persönlich einen großen Anteil an der Eskalation der Gewalt in Ayodhya 1992 und Gujarat 2002 hatte, noch nie juristisch belangt worden. Und, so schrieb eine indische Tageszeitung, die Festnahme habe die Larger-than-Law-Einstellung der Vertreter des Sangh Parivar zumindest ein wenig erschüttert. Jetzt droht dem VHP-Generalsekretär bei einer möglichen Verurteilung sogar eine lebenslange Haftstrafe. "Togadia wird nun ein wenig vorsichtiger mit seinen Aussagen in Rajasthan sein", sagt Neelabh Mishra. "Doch wir müssen abwarten, welche Folgen diese Episode langfristig haben wird."
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