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30. April 2003. Nachrichten: Politik & Recht - Indien POTA macht Politik II

Tamilischer Journalist unter Terrorismusverdacht

Am 10. April 2003 hat Tamil Nadus Polizei R.R. Gopal verhaftet, einen der Opposition nahestehenden Journalisten. Zunächst war ihm Beihilfe zum Mord an einem Polizeiinformanten vorgeworfen worden. Am 16. April erweiterten die Behörden die Vorwürfe: Bei Gopal seien eine unangemeldete Waffe und eine Broschüre der verbotenen sezessionistischen Organisation Tamil Nadu Liberation Army (TNLA) gefunden worden.

Die "Fundstücke" erlauben den Behörden wegen Beihilfe zum Terrorismus zu ermitteln. Section 4 des (im Oktober 2001 zunächst als Verordnung, und im März 2002 als Parlamentsgesetz erlassenen) Terrorismusgesetzes Prevention of Terrorism Act (POTA) kriminalisiert jeglichen unangemeldeten Waffenbesitz in "notified areas" als terroristisches Handeln, was mit lebenslanger Haft bedroht ist. Schon vor der Verhaftung hatte die Landesregierung ganz Tamil Nadu zu solch einem vom Terrorismus bedrohten Gebiet erklärt. "Notified" scheint dabei allerdings irreführend – die Entscheidung war nicht publiziert worden, und selbst das indische Magazin Frontline schien überrascht.

Die Vorschrift, wonach schon der – von der Polizei leicht zu manipulierende - Besitz von Waffen als Terrorismus gewertet werden kann, war schon im früheren Terrorismusgesetz Terrorist and Disruptive Activities Act (TADA) enthalten. In einem Urteil des Supreme Courts 1995 hatte das Minderheitenvotum eines Richters das Gesetz vor allem wegen dieser Vorschrift für verfassungswidrig gehalten.

Gopal gibt die Wochenzeitschrift Nakkheeran heraus, die mehrere Korruptions- und Sexskandale innerhalb der regierenden All India Anna Dravida Munnetra Kazhagam (AIADMK) aufgedeckt hatte. Seit Mai 2001, als die Partei unter Führung der wegen Korruption verurteilten Ministerpräsidentin Jayalalitha Jayaram erneut die Landesregierung übernommen hatte, waren bereits drei Mitarbeiter der Zeitung verhaftet worden. Die Verhaftungen standen alle in Verbindung mit einer Entführung, die auch den Herausgeber der Zeitung indienweit bekannt gemacht hat: Im August 2000 war Gopal von der damals regierenden Dravida Munnetra Kazhagam (DMK) als Vermittler zu Veerappan, Indiens meistgesuchtem Banditen geschickt worden, um die Freilassung eines bekannten Schauspielers aus dem benachbarten Karnataka zu erreichen. (siehe auch Die dravidischen Parteien Tamil Nadus)

Seit dieser Zeit hat ihn die AIADMK auch im Visier wegen seiner Beziehungen zu sezessionistischen Organisationen wie der TNLA, die nach dem Aufstieg der LTTE in Sri Lanka durch einige Anschläge bis Mitte der 1990er Jahre ein unabhängiges "Tamilisches Homeland" auch auf dem Festland zu verwirklichen suchten. Veerappan hatte bei der Entführung im Jahr 2000 auch die Freilassung der inhaftierten TNLA-Mitglieder gefordert (und damit erstmals öffentlich gemacht, dass er seine großangelegten Schmuggelgeschäfte – vor allem Sandelholz – offensichtlich zunehmend in Zusammenarbeit mit solch ursprünglich auch politisch aktiven bewaffneten Gruppen abwickelt).

Schon im letzten Jahr hatte Tamil Nadus Ministerpräsidentin das neue Terrorismusgesetz als willkommene Waffe im Kampf gegen ihre politischen Gegner in Anspruch genommen. Im Juli 2002 hatte sie Vaiko inhaftiert, den Vorsitzenden der MDMK. Er hatte das neue Terrorismusgesetz zwar in der Lok Sabha, dem Unterhaus in New Delhi, verteidigt, zu Hause jedoch auch den Freiheitskampf der Sri-Lanka-Tamilen unter Führung der LTTE. Gegen Vaiko wurde mittlerweile Anklage wegen Beihilfe zum Terrorismus erhoben, Kaution bis zur Eröffnung des Gerichtsverfahrens wurde ihm verweigert.

Die erweiterten Untersuchungshaftvorschriften – Kaution ist nur im Ausnahmefall möglich, die Dauer des Ermittlungsverfahrens ist verlängert worden - sind ein gängiges Repressionsinstrument des neuen Gesetzes. Im Februar hatte beispielsweise die Bürgerrechtsorganisation People’s Union for Civil Liberties (PUCL) in Bezug auf den Bundesstaat Jharkhand gezeigt, dass POTA wie sein Vorgänger vor allem der Einschüchterung dient. Um die Aburteilung von Gewaltverbrechen geht es nur am Rande. Selbst wenn der Terrorismusvorwurf gegen den Herausgeber schließlich fallengelassen werden sollte, wird die lange Haft ohne Gerichtsverfahren Gopal und anderen Oppositionellen die Kosten politischen Dissens’ deutlich machen.

Quellen

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